Das Abenteuer der Neujahrsnacht

5.

Philipp schielte in das Blatt, las da etwas von fünftausend Gulden, steckte das Papier zu sich und dachte: »Schade, daß ich nicht Prinz bin.«

Indem wisperte ihm jemand ins Ohr: »Königliche Hoheit, wir sind beide verraten. Ich erschieße mich.« – Philipp sah sich mit großen Augen um und erblickte einen Neger.

»Was wollen Sie, Maske?« fragte Philipp ganz gelassen.

»Ich bin der Oberst Kalt!« antwortete flüsternd der Neger. »Die unselige Marschallin hat dem Herzog Hermann geplaudert, und dieser speit jetzt Feuer und Flammen gegen Sie und mich.«

»Meinethalben!« versetzte Philipp.

»Aber der König erfährt alles!« seufzte der Neger ängstlich. »Vielleicht werde ich diese Nacht schon arretiert und morgen auf die Festung gebracht. Ich erhänge mich lieber.«

»Davon haben Sie keinen Nutzen!« sagte Philipp.

»Soll ich mich lebenslänglicher Schande preisgeben? Ich bin verloren. Der Herzog wird blutige Genugtuung fordern. Sein Rücken ist gewiß noch blau von der Tracht Schläge, die ich ihm gab. Ich bin verloren und das Bäckermädchen dazu. Ich springe von der Brücke und ersäufe mich noch diese Nacht.«

»Behüte Gott!« sagte Philipp. »Was hätten Sie und das Bäkkermädchen davon?«

»Ihre Königliche Hoheit scherzt, und ich bin in Verzweiflung. Ich flehe untertänigst, nur ein paar Augenblicke unter vier Augen gönnen Sie mir.«

Philipp folgte dem Neger in ein einsames Seitengemach, wo wenige Kerzen einen düsteren Schein verbreiteten. Der Neger warf sich wie gelähmt auf ein Sofa nieder und seufzte laut. Philipp fand auf einem Tisch Erfrischungen nebst feinen Weinen und ließ sich's schmecken.

»Ich begreife nicht, wie Ihre Königliche Hoheit so ruhig bei der verdammten Geschichte bleiben kann!« sagte der Neger. »Wäre nur der Schelm, der Neapolitaner Salmoni noch hier, der den Geisterbeschwörer spielte; der Kerl war voller Ränke von den Zehen an bis zum Scheitel und hätte uns vielleicht mit einer List retten können. Jetzt hat er sich aus dem Staube gemacht.«

»Desto besser!« erwiderte Philipp und füllte sein Glas von neuem. »So schieben Sie alle Schuld auf ihn. Er ist davon.«

»Wie auf ihn schieben? Der Herzog weiß nun, daß Sie, ich, die Marschallin und das Bäckermädchen in der Intrige waren, um aus seinem Aberglauben Nutzen zu ziehen. Er weiß, daß Sie den Salmoni zur Geisterbannerei bestachen; daß ich mein Bäkkermädchen, in das er verliebt war, abrichtete, um ihn in die Falle zu locken; daß ich der Geist war, der ihn zu Boden warf und ihm das Fell bläute. Hätte ich nur den Spaß nicht zu weit getrieben! Aber ich wollte ihm die Liebe zu meinem Mädchen ein wenig ausklopfen. Es ist ein verdammter Streich. Ich nehme Gift.«

»Nehmen Sie lieber ein Glas Wein; er ist gut!« sagte Philipp und nahm mit großer Eßlust ein frisches Stück Torte. »Und überhaupt«, setzte er hinzu, »muß ich Ihnen offen gestehen, lieber Oberst, daß Sie für einen Obersten sehr feig sind und sich da einer Narrengeschichte willen gleich erschießen, ersäufen, vergiften und aufhängen wollen. Es wäre schon an einem zuviel. Zweitens muß ich Ihnen sagen, daß ich aus Ihrem Geschwätz da untereinander noch zur Stunde nicht klug werde.«

»Königliche Hoheit halten zu Gnaden, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Der Kammerjunker des Herzogs – er ist mein alter Freund – vertraute mir diesen Augenblick, die Marschallin sei, vom Teufel geplagt, erst vor wenigen Minuten zum Herzog getreten und habe ihm gesagt: die Komödie im Hause des Bäckers hat Ihnen Prinz Julian gestiftet, der Ihnen seine Schwester nicht gönnte. Die Hexe, die Sie sahen, war ich selbst als Abgeordnete der Prinzessin, um Zeugin Ihres Aberglaubens zu sein. Prinz Julian hat das Verzeichnis Ihrer Schulden, das Sie in die Gruft warfen, aus welcher Sie die Schätze heben sollten, sowie Ihren Revers gegen das Bäckermädchen, das Sie nach der Vermählung mit der Prinzessin als Mätresse zu sich nehmen und adeln lassen wollten. Und der Geist, der Sie abprügelte, war Oberst Kalt, der Handlanger des Prinzen. Darum ging es mit Ihrer Vermählung den Krebsgang. Machen Sie sich keine Hoffnung länger; Sie warten vergebens. – So hat die Marschallin dem Herzog gesagt und ist verschwunden.«

Philipp schüttelte den Kopf und brummte: »Das sind mir auch saubere Geschichten! Solcher Streiche schämt man sich ja im gemeinsten Pöbel. Was Teufeleien und kein Ende!«

»Nein«, rief der Oberst. »Rasenderes, Pöbelhafteres kann man nicht tun als die Marschallin. Das Weib muß eine Furie sein. – Gnädigster Herr, retten Sie mich.«

»Wo ist denn der Herzog?« fragte Philipp.

»Der Kammerjunker sagte, er sei schnell aufgestanden und habe bloß gerufen: ›Ich gehe zum König!‹ – Denken Sie, Prinz, wenn der zum König geht und unsere Historie nach seiner Art malt.«

»Ist denn der König hier?«

»Allerdings. Er spielt im Nebenzimmer mit dem Erzbischof und dem Polizeiminister L'Hombre.«

Philipp ging mit großen Schritten durch das Kabinett. Hier war guter Rat teuer.

»Königliche Hoheit«, sagte der Neger, »retten Sie mich. Es gilt Ihre eigene Ehre. Es wird Ihnen leicht sein. Übrigens bin ich auf alles gefaßt und beim ersten bösen Wind über die Grenze. Ich packe ein. Morgen erwarte ich Ihre letzten Befehle über mein Verhalten.« – Mit diesen Worten verschwand der Neger.


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