Der Deutdche Bürger an die Deutsche Fürsten zum Neuen Jare 1793.

Ha, hôrt ihr noch die Gloke Zwölfe summen
Und-hôrt ihr nicht den innetn Richter brummen
     »Dort schäumt die Well’ im Zeitenozean
     Hoch Himmelan!

Wovon? vom Wust misbrauchter Herrscherrechte -
Von Flüchen schwerbelaster Tronenknechte —
     Von unterdrükter Unschuld Tränenflut
     Von Bürgerbiut!

Und hr wollt ferner noch tirannisiren,
Noch weiter Menschen an der Fessel füren —
     Und glaubt, die Laster der das Grab der Zeit
     Am Neujar heut?«

Ha hôrt ihr nicht? wann eure Seele schweiget
Und sich nicht selbst zu Gottes Stimme neiget,
     Die im Gewissen Jedem sein Gericht
     Voll Warheit spricht —

So hôret heut die Stimme deutscher Bürger
An die Despoten, an die Menschenwürger!
     Hór's Gott — und hôrts Ihr Franken um uns her:
     Kein Tirann mer!

Ists bald genug, daß wir zu enern Füsten
Wie Kettenbunde jenen Scepter küssen,
     Der wie die Last der Meereswoge drükt
     Uns tief gebükt? —

Daß unser Schweis soll eurer Wollust frönen
Und Unsre Weiber euch zu Huren dienen?
     Daß ihr den Son vom Vaterschoose stelt.
     Für fremdes Geld? 
  
Ists bald genug, daß ihr auf Trónen prasset
Und uns in Hungerhütten schmachten lasset?
     Sind Seufzer tief ins Herzblut eingetaucht
     Nicht bald verhaucht?

Soll euer-Jagdhund länger auf uns schnauben?
Das Wild uns unser Brod im Keime rauben?
     Ists bald genug, daß ihr uns elend macht
Und spôttelnd lacht?

Ists bald genug, daß eure Nebenherren
Den giftigen Hyänenschlund aufsperren,
     Ein Heer von Gnädigen mit Henkershand
     Zerfleischt das Land!

Heut sei's s genug! - dort sizt der Gott der Götter
Hoch über euch gehüllt im Donnerwetter,
     Und füllet für Tirannen allzumal
     Die Zornesschaal!

Wie furchtbar sie auf eure Lippen sinket -
Und izt Tirannen — Wütriche izt trinket!
     Ha schlürft ihn aus den Kelch von Rächerhand
     Bis an den Rand! —

Ihr taumeltet schon lang vom Rausch der Freuden!
Izt trinkt und taumelt hin im Rausch der Leiden!
     Vor euch zu zittern war lang unser Brauch!
     Izt zittert auch!

Herbei ihr Franken, werdet unsre Brúder!
Ihr schnket uns der Menschheit Rechte wieder!
     Ha kâmpft — wir kämpfen mit!— und für Gott
     Es hat seine Nod!

Zur Rettung unsrer deutschen Búrger Ehre
Was Bürger ist, den Eid der Freiheit schwöre!
     Gott hörs — und hört's ihr Franken um uns her!
     Kein Tiran mer!


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