Aus den geharnischten Sonetten

Ihr Deutschen von dem Flutenbett des Rheines,
Bis wo die Elbe sich ins Nordmeer gießet,
Die ihr vordem ein Volk, ein großes, hießet,
    Was habt ihr denn, um noch zu heißen eines?
Was habt ihr denn noch großes Allgemeines?
Welch Band, das euch als Volk zusammenschließet?
Seit ihr den Kaiserszepter brechen ließet,
Und euer Reich zerspalten, habt ihr keines.
    Nur noch ein einziges Band ist euch geblieben,
Das ist die Sprache, die ihr sonst verachtet;
Jetzt müsst ihr sie als euer einziges lieben.
Sie ist noch eu'r, ihr selber seid verpachtet;
Sie haltet fest, wenn alles wird zerrieben,
Dass ihr doch klagen könnt, wie ihr verschmachtet.

O dass ich stund' auf einem hohen Turme,
Weit sichtbar rings in allen deutschen Reichen,
Mit einer Stimme, Donnern zu vergleichen,
Zu rufen in den Sturm mit mehr als Sturme:
    Wie lang willst du dich winden gleich dem Wurme,
Krumm unter deines Feinds Triumphrads Speichen?
Hat er die harte Haut noch nicht mit Streichen
Dir g'nug gerieben, dass dich's endlich wurme?
    Die Berge, wenn sie könnten, würden rufen:
Wir selber fühlten mit fühllosem Rücken
Eang g'nug den Druck von eures Feindes Hufen.
    Des Steins Geduld bricht endlich auch in Stücken,
Den Götter zum Getretensein doch schufen -
Volk mehr als Stein, wie lang darf man dich drücken?

Was schmiedst du, Schmied? »Wir schmieden Ketten, Ketten!«
Ach, in die Ketten seid ihr selbst geschlagen.
    Was pflügst du, Bau'r? »Das Feld soll Früchte tragen!«
Ja, für den Feind die Saat, für dich die Kletten.
    Was zielst du, Schütze? »Tod dem Hirsch, dem fetten.«
Gleich Hirsch und Reh wird man euch selber jagen.
    Was strickst du, Fischer? »Netz dem Fisch, dem zagen.«
Aus eurem Todesnetz wer kann euch retten?
    Was wiegest du, schlaflose Mutter? »Knaben.«
Ja, dass sie wachsen und dem Vaterlande,
Im Dienst des Feindes, Wunden schlagen sollen.
    Was schreibest, Dichter, du? »In Glutbuchstaben
Einschreib' ich mein und meines Volkes Schande,
Das seine Freiheit nicht darf denken wollen.«


Der blutdurchwirkte Vorhang ist gehoben,
Das Schicksal geht an seine Trauerspiele;
Der ernsten Spieler sind berufen viele,
Vielfach an Art und bunt an Garderoben.
    Denkt ihr, den Kämpfern auf der Bühne droben
So zuzusehn von eurer niedern Diele?
Mit Stirn und Händen ohne Schweiß und Schwiele
So zuzusehn, zu tadeln und zu loben?
    Mitnichten! Ihr seid auch zum Spiel berufen;
Wer Arme hat, hinauf, sie drein zu mischen!
Braucht ihr Zuschauer? Die auch sind gerufen.
Der Väter Geister schauen aus den Nischen
Walhillas drein und werden Beifall rufen
Dem braven Spieler, und dem schlechten zischen.
 

Wir schlingen unsre Hand' in einen Knoten,
Zum Himmel heben wir die Blick' und schwören;
Ihr alle, die ihr lebet, sollt es hören,
Und wenn ihr wollt, so hört auch ihr's, ihr Toten!
    Wir schwören: Stehn zu wollen den Geboten
Des Lands, des Mark wir tragen in den Röhren;
Und diese Schwerter, die wir hier empören,
Nicht eh'r zu senken, als vom Feind zerschroten.
    Wir schwören, dass kein Vater nach dem Sohne
Soll fragen, und nach seinem Weib kein Gatte,
Kein Krieger fragen soll nach seinem Lohne,
    Noch heimgehn, eh' der Krieg, der nimmersatte,
Ihn selbst entlässt mit einer blut'gen Krone,
Dass man ihn heile, oder ihn bestatte!

Welch wundersam verschlungenes Gewebe
Vielfältig sich durchkreuzender Gewalten
Läuft von des Harzes bis zu Böhmens Spalten,
Und niemand noch kann sagen, was es gebe.
    Germania, die du es siehest, bebe
Du nicht, noch sorge, wie sich's soll entfalten;
Ich, spricht der Herr, ich, dessen Hand' es halten,
Gut machen will ich es, so wahr ich lebe.
    Nicht ein Gewirr ist's angelegt im Wahne,
Ich sehe jeden einzlen Faden schlagen,
    Ich höre gehen jede einzle Spule.
Und alles geht nach einem großen Plane,
Dass, wenn das Werk ist fertig, ihr sollt sagen:
Das ward gewirkt auf Gottes Weberstuhle.


Letzte Änderung der Seite: 27. 09. 2021 - 03:09