Unter Theodor Körners Eiche

28. August 1813

Vorüber zogen all die Scharen,
Die dir den letzten Gruß gebracht,
Und wie wir sonst beisammen waren,
Blieb ich bei dir in stiller Nacht.
Wir haben oft die Lagerstätte
Im Felde brüderlich geteilt,
Nun ruhest du im kühlsten Bette,
Einsam vom Todespfeil ereilt.

Kaum war der Tag uns aufgegangen,
Umhüllt noch lagen Berg und Tal,
Da küßte mit den Rosenwangen,
Die Freiheit dich im Morgenstrahl.
Und eh die Sonne noch erstiegen
Die freie Bahn im goldnen Glanz,
Ach, um die edle Stirne fügen,
Die Freunde dir den Totenkranz.

Oft wird dein Lied uns noch vereinen,
Gilt es den Kampf fürs Vaterland,
Und viele weren dich beweinen,
Die dich im Leben nie gekannt.
Doch wird kein Sänger uns geboren,
Kein Held, so mutig in Gefahr,
Wie du, mit dem ich treu verschworen,
Ein Herz und eine Seele war.

Gesprengt sind nun der Knechtschaft Bande,
Und was dein frommer Wunsch begehrt,
Ein Grab im freien Vaterlande
Erwarbst du dir mit deinem Schwert.
Und diesem Ort  ein heil´ges Zeichen,
Erhebt sich auf dem grünen Grund
Uralter Stamm der deutschen Eichen
Und tut des Sängers Urstätt kund.

In deinen Zweigen hör ich´s rauschen,
Du heil´ger dichtbelaubter  Baum,
Der Geisterstimme will ich lauschen,
Da tönt´s aus unsichtbaren Raum:
»Was klagt ihr, meine Waffenbrüder,
Werd ich doch immer mit euch sein,
Euch übergeb ich Schwert und Lieder,
Auf! Singet und schlagt und denket mein!«


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