Die Wissenschaftslehre, in ihrem allgemeinen Umrisse

von Johann Gottlieb Fichte

§ 12

Kehren wir zurück zum reinen Denken oder Intelligiren (§. 10). – Das Wissen ist durch dasselbe eingesehen, als sein könnend allein Schema des göttlichen Lebens. In diesem Denken habe ich das Wissen nicht unmittelbar, sondern nur in einem Schema; noch weniger unmittelbar das göttliche Leben, sondern dieses nur in einem Schema des Schema, in einem doppelt ertödteten Begriffe. Besinne ich mich, – und ein solches Vermögen unmittelbar mich zu besinnen muss, um des sogleich anzugebenden Grundes willen, im allgemeinen Vermögen liegen – besinne ich mich, dass ich das soeben gesagte einsehe, dass ich es daher einsehen kann, dass, da laut der zu Stande gebrachten Einsicht das Wissen Ausdruck Gottes ist, auch dieses Vermögen selbst sein Ausdruck ist, dass das Vermögen da ist, um vollzogen zu werden, dass ich demnach, zufolge meines Seyns aus Gott, es einsehen soll. Nur auf dem Wege dieser Besinnung komme ich zur Einsicht, dass ich schlechtweg soll; aber ich soll zu dieser Einsicht kommen; es muss daher, wie erwiesen werden sollte, ein absolutes Vermögen dieser Besinnung, gleichfalls zufolge meines Seyns aus Gott, im allgemeinen Vermögen liegen. Diese gesammte jetzt beschriebene Sphäre offenbart sich demnach als ein Soll des Ersehens: dass ich, das in der Sphäre der Anschauung schon ersehene Princip, dass ich soll. In ihr ist das durch die blosse Besinnung unmittelbar als Princip sichtbar zu machende Ich Princip des Schema, wie sich dies an der hervorgebrachten Einsicht vom Wissen in seiner Einheit, und vom göttlichen Leben, als dem Träger desselben, zeigt, wo ich, nach unmittelbarer Besinnung, hinzuzusetzen vermag: ich denke das, ich bringe hervor diese Einsicht. Dieses Wissen durch das unmittelbar als Princip sichtbare Princip heisst, wie gesagt, reines Denken, zum Unterschiede von dem durch das unmittelbar unsichtbare Princip, dem Anschauen.

Beide, das reine Denken und das Anschauen, fallen also auseinander, dass das letztere durch das erstere bis in sein Princip aufgehoben und vernichtet wird. Ihr Zusammenhang aber wird dadurch gebildet, dass das letztere die factische Möglichkeit des ersten bedingt; auch dass das in dem letzteren erschienene Ich in seinem blossen Schema (denn in seiner Wirklichkeit ist es zugleich mit dem Triebe vernichtet) auch im ersteren bleibt, und darauf sich besonnen wird.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03