Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.

von Christoph Friedrich Cotta

17.

Man würde sich irren, wenn man glaubte, Schneider habe durch seine so bittern Ausfälle gegen die Strasburger, die einander Schlag auf Schlag folgten, nicht selbst ihren Haß gegen seine Person, zu einem so großen Grade befördert. Mit mehr Bescheidenheit und weniger Rechthaberei würde er sie weit eher dahin gebracht haben, wohin er sie mit bißigen und ärgerlichen Ausrufen zu bringen suchte. –

Eben über jenen Artikel, die freiwillige Ergreifung der Waffen betreffend, sprach er abermal sehr leidenschaftlich mit ihnen in seinen Argos, unter dem Titel: Ueber den Centralausschuß der 10 Sectionen Strasburgs, also:

Bei Gelegenheit der Rekrutenaushebung versammelten sich auf Einladen der Municipalität die Sektionen unsrer Stadt, um über die Mittel zu berathschlagen, wie die vorgeschriebene Anzahl von Freiwilligen möchte geliefert werden. Nur wenige Bürger fanden sich bei den Versammlungen ein. Um so leichter war es denen welche aus guten Gründen sich fleißig einfanden, solche Anstalten zu treffen, welche sie zur Erreichung ihrer besondern Absichten für nöthig hielten. Es wurde also ein Central- oder Gesammt-Ausschuß niedergesetzt, welcher dann seine Operationen damit anfieng, daß er eine Petition entwarf, welche die Wiederberufung der von den Representanten der Nation aus dem Departement verbannten Bürger und die Wiedereinsetzung der suspendirten Beamten zum Zwecke hatte. Diese Petition wurde an die Sectionen zur Unterschrift und dann an den Convent geschickt.

Zwei hiesige Bürger erhielten den Auftrag, im Namen der Gemeine Strasburgs den Nationalkonvent obige Petition zu überbringen. Man vergaß nicht, ein kleines Geschenk beizulegen, ad captandam benevolentiam, und zum Beweise des großen Patriotismus, der die Sektionen, und vorzüglich die Mitglieder des Gesammtausschusses belebe. Ehe diese Abgesandten vor den Schranken erschienen, hatten schon Roissette und Thomasin, zwei von den Verbannten, in herzbrechenden Reden die Gewaltthätigkeiten und willkührlichen Handlungen geschildert, welche sich, nach ihrer Meinung, die Commissaire, Denzel und Couturier, erlaubt hätten. Thomasin machte ihnen besonders ein Verbrechen daraus, daß sie den wichtigen Posten eines öffentlichen Anklägers einem deutschen, aus dem kölnischen Lande verjagten Pfaffen anvertraut hatten.Diese Bemerkung mußte um so tiefern Eindruck machen, weil man gerade damals auf die Fremden nicht gut zu sprechen war, und ein Deputirter sogar den weisen und edeln Vorschlag gemacht hatte, alle Ausländer, welche nach dem 14ten Julius 1789 in Frankreich gekommen wären, wieder über den Rhein zurückzuschicken, und der allwaltenden Vorsehung, ohne die, nach dem Evangelium, kein Haar vom Haupte fällt, zu überlassen. Das Verbrechen der Commissaire, welche den ehemaligen Geistlichen zum Ankläger machten, war um so auffallender, weil eben dieser Geistliche wirklich in Deutschland Gefahr lief, wegen seiner patriotischen Gesinnungen, Lehren und Schriften für sein Leben lang eingesperrt zu werden, und deshalb es für rathsam hielt, sich der fränkischen Nation, welche damals jeden Patrioten gern aufnahm, in die Arme zu werfen, und seinem neuen Vaterlande alle seine Kräfte etc. aufzuopfern.

Rühl[1]  Deputirter des Niederrheins, fand die Aeusserungen Thomasins und die Petition der Sektionen so vernünftig, so gemeinnützig, daß er sie aus allen Kräften unterstützte. Was geschah! Die Mitglieder der rechten Seite des Convents, welche bekanntlich jetzt (damals) die Mehrheit ausmachten, beschlossen zum Heil und Frommen der Republik, daß nicht allein die Deportirten wieder nach Strasburg zurükkehren durften, um dort ihre weltbekannten republikanischen Gesinnungen, von denen sie bei Gelegenheit der Absetzung des Königs so unläugbare Beweise abgelegt hatten, wieder ungehindert predigen zu können, sondern daß auch alle öffentlichen Beamten, welche obbesagte Commissaire eingesetzt hatten, wieder von ihren Posten entfernt werden sollten. Schade, daß dieses weise Dekret nicht schon längst gegeben war! alsdann wären die fanatischen, aristokratischen und feuillontischen Richter, Verwalter, Friedensrichter, Maire’s und Municipalen im ganzen Departement wieder eingesetzt worden, und die Feinde von aussen hätten einen friedlichen Eingang gefunden etc. und die Gegenrevolution hätte im Niederrheinischen Departemente ohne Schwerdstreich können ausgeführt werden.

Aber ein böser Genius, gennant Teterel, Mitglied der Niederrheinischen Departementsverwaltung erschien nebst dem Jakobiner Kienlin[2] vor dem Konvent in einem unglücklichen Augenblick, wo Rühl abwesend, und die Zahl der Bergmänner zufälliger Weise ziemlich stark war, und auf einmal wurden die patriotischen Wünsche des Gesammtausschusses wenigstens in so fern vereitelt, daß die durch Couturier und Denzel  verordneten Suspensionen vorläufig bestätigt wurden.

Allein der Apostel Paulus sagt: Betet ohne Unterlaß! Werdet nicht müde, Gutes zu thun! diesem Spruche zufolge begaben sich Lauth und Liebich, Geschäftsträger des Gesammtausschusses, aufs neue vor die Schranken, und verlangten mit zerknirschten Herzen noch einmal die Wiedereinsetzung ihrer vortrefflichen Beamten. Sie hielten bei dieser Gelegenheit eine herrliche Rede, worinn sie den Patriotismus ihrer Commitenden schilderten, welche vermöge einer auf 120000 Livres sich belaufenden größtentheils von mittelmäßig begüterten jungen Leuten zusammengebrachten Kollekte bereits aus allen Enden und Nationen die nöthige Anzahl Rekruten eingehandelt hatten. Dabei war es natürlich, die Jakobiner als Würgeengel darzustellen, vermuthlich aus dem Grunde, weil man seit einigen Monaten Versammlungen mehrmals gewaltsam gestört, und die Köpfe der thätigsten Mitglieder ihrer Gesellschaft auf den Markte und auf den Strassen verlangt hate.

Der Convent sah diesmal ein, daß es unschicklich sey, sich dreimal nach einander zu widersprechen. Er beharrte auf seinem Entschlusse, und so blieb es denn vor der Hand beim Alten. Die zwei sich widersprechenden Dekret kamen fast zu gleicher Zeit zu Strasburg an, und die Freunde des Ausschlusses war von kurzer Dauer. – Indessen lassen doch die Häupter des Ausschusses den Muth nicht sinken. Sie haben bald eine neue Zuschrift an den Präsidenten der Convention verfertigt, und beschlossen, einen dritten Deputirten nach Paris zu schicken, welcher dann das große Werk, an welchem allem Anschein nach das Heil der Republik liegt, zu vollenden.

Bürger Strasburg‘s! Wie lange wollet ihr euch noch von den Häuptern der Feuillantistischen Sekte irre führen lassen? Was hat euer Gesammtausschuß bisher gethan? Wofür hat er gearbeitet? Er sollte das Rekrutenwesen besorgen. Ihr wisset, wie langsam es damit gieng, und es kann euch nicht unbekannt seyn, daß man elende, hergelaufene Leute unter euer Contingent gewählt hat, welche den Tag nachher, als sie 500 Livres empfangen hatten, wieder verschwanden. Was thaten sie sonst? Sie wollten wider in ihre Plätze eingesetzt seyn. Sind das die Gegenstände, die uns jetzt beschäftigen sollten, da der Feind vor der Thüre ist etc. –

Seyd ihr denn Franken, oder seyd ihr blos Strasburger? wenn ihr Franken seyd, (und gewiß, daß seyd ihr, denn ihr seyd im Ganzen gut und patriotisch gesinnt) so bekümmert euch jetzt um die Mittel, die Republik zu retten, und nicht um eine Handvoll Aufwiegler, welche euch immer von Kränkung eurer politischen Rechte sprechen etc. Man hat euch einige patriotische Beamten gesetzt. Wachet über sie, damit sie ihre Pflicht erfüllen! – Wenn ihr es nicht mißbilligen könnt, daß in kleinen Orten Aenderungen in der Verwaltung vorgenommen wurden, warum wollt ihr ein so großes Aufheben von denen machen, welche die Repräsentanten der Nation, zu welcher ihr gehört, für nöthig fanden?


[1] Hat sich nach dem Vorfalle vom 1sten bis 4ten Prärial 1795 erstochen. Ueber ihn siehe in Bahrdts Leben das Weitere. Der Herausg.

[2] Wohnt zu Paris, und war auch nach Robespierre’s Tod einige Zeit wegen Anhänglichkeit an denselben in der Conciergerie gefangen. Er ist von Strasburg gebürtig.

Der Herausg.


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