Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.

von Christoph Friedrich Cotta

15.

Indessen hatte Schneider die öffentliche Anklägerstelle erhalten, und schon im April 1793 drei junge Bursche aus der Gegend von Molsheim, Strasburgisches Distrikts, als Aufrührer zum Tode gebracht. Aber dieser Weg zu gehen war ihm viel zu langsam und bedächtlich. Weil er überall nichts als Verräther sah, so verlangte er auch eine fürchterliche und schleunige Bestrafung derselben. Die Richter des bürgerlich-peinlichen Gerichts waren ihm in allen seinen Warnehmen, welche nur auf gewaltthätige Handlungen hinausliefen, entgegen. Er hatte sie zwar beim Antritte seines Amtes gleich von seinem künftigen Feuereifer in seinem Geschäfte benachrichtig, und vielleicht durch seine Rede an sie, mit demselben ihre Gemüther gleichfalls zu erfüllen gesucht; allein sie waren und blieben einmal bedächtliche, an die Formen sich strenge haltende und leidenschaftliche Richter. – Die Rede selbst, welcher er den 19. Febr. An sie hielt, lautete wörtlich so:

»Rede des öffentlichen Anklägers beim Antritt seines Amtes«

»den, 19. Februar 1793.«

»Bürger! Erwartet keine lange Rede von mir, Worte retten nicht die Republik. Handlungen, strenge Wachsamkeit, unermüdeter Eifer, unerschütterliche Festigkeit können allein den Frechen zähmen, und die Feinde der Freiheit zu Staub zermalmen. Ich fühle das ganze Gewicht der Verantwortlichkeit, welch ich auf mich nehme; ich sehe die Gefahren und Hindernisse, welche ich zu besiegen haben. Aber ferne sey Privatvortheil und feiger Egoismus, wenn es darauf ankommt, das Reich der Freiheit zu befestigen, und eine Stütze zu seyn jener großen Wiederherstellung der Rechte der Menschheit. Darum betrete ich muthig die neue Bahn, voll Zutrauen auf die Hülfe meiner Kollegen, und auf die Unterstützung aller rechtschaffenen Bürger. Ich will nichts als eine einzige unzertrennliche Republik, weg mit Menschenwillkühr, das Gesetz allein muß herrsche; die Bösheit beuge ihr Haupt vor dem Gesetze, oder stürze hin unter den Beile der Gerechtigkeit! – Dies ist mein Glaubensbekenntnis, dazu verpflichte ich mich feierlich. Handle ich dawider, Bürger, so betrachtet mich als einen Verräther, so fliege mein Kopf hin auf das Blutgerüst! Allein; ihr müßt nicht glauben, der öffentliche Ankläger allein könne allen Uebeln des Vaterlandes abhelfen. Sein Amt fängt erst da an, wo das Amt der Geschworenen aufhört. Das Verbrechen muß erst von den Aufsehern der Polizei, von den Geschworenen, und oft noch von den bürgerlichen Tribunalen untersucht werden, ehe es von dem öffentlichen Ankläger verfolgt werden darf. Wenn mich auch das Gesetz berechtigt, über die Diener der Polizei zu wachen, so werde ich doch darum nicht in den Stand gesetzt, die Herzen der Geschworenen und der Richter zu erforschen. Darum erwartet nicht mehr von mir, als mir möglich seyn wird; doch seyd gewiß, daß ich meine Pflicht tun werde, mit ganzer Kraft, mit Feuer und Aufopferung.«

Schneider«

Zugleich schickte er an die Friedensrichter und Sicherheitsbeamten dieses Circularschreiben:

»Bürger! Sie werden schon wissen, daß ich ernannt bin zum öffentlichen Ankläger beim peinlichen Tribunal des niederrheinischen Departements. Hätte ich nur auf meinen Privatvortheil gesehen; so würde ich mich gehütet haben, einen so dornichten Pfad zu betreten; ich wäre zurückgeschaudert vor einer Verantwortlichkeit, die mit der Vermehrung der Gefahren und Feinde des Vaterlands immer höher und höher steigen wird. Aber unsre heilige Freiheit schreit nach Hilfe, Tyrannen drohen ihr von aussen, Verräther untergraben sie von innen – wohlan, ich schließe mein Ohr dem feigen Rath der Selbstsucht, stürze mich unerschrocken ins Meer, um mit euch das Schiff des Gesetzes zu retten, welches vor unsern Augen von fürchterlichen Stürmen umhergeschleudert wird. Auf, Männer! Zu bändigien die boshaften Urheber unsrer eiden zu beschwören den wüthenden Sturm durch genaue Wachsamkeit, unermüdeten Eifer, unerschütterlichen Muth und strenge Unpartheilichkeit! Hier stehe ich immer gerüstet, euch zu unterstützen; hinzureißen den Bösewicht aufs Blutgerüst, der es wagt, sich aufzulehnen wider das Gesetz, wider die Republik, wider ihre Representanten. Es ist endlich einmal Zeit, daß die Unordnung aufhöre, daß Gerechtigkeit herrsche; weg Aristokratie, weg Fanatismus und Habsucht, weg alle ihr Laster, gezeugt durch die Ungeheuer der alten Regierung![1]

Ja! Bürger! Ich schwöre hier vor dem Angesichte Gottes, der uns alle zu freien Männern schuf, im Angesichte des Vaterlandes, das jeden unsrer Schritte sieht, ich schwöre jeden Feind des Gesetzes mit unerbittlicher Strenge zu verfolgen. Aber ich werde wenig thun können, wenn ihr euch nicht mir vereinigt, die dicke Finsterniß des Lasters aufzuhellen, und die Fackel der rächenden Gerechtigkeit flammen zu lassen in allen Schlupfwinkeln der Bosheit.

Wir seufzen über das Unglück, welches die Volksrache an einigen Orten unsrer Republik hervorbrachte. – Aber wer sind die Verbrecher? – Es sind die Richter, die Polizeibeamten, welche, anstatt diesem Unwesen durch weise Strenge zuvorgekommen, durch strafbare Nachlässigkeit Oel ins Feuer gossen. Das Laster wird muthwillig und nimmt Riesengestalten an, wenn keine Hand sich erhebt, die Ungeheuer in ihrer Geburt zu ersticken. Da schwatzt man von Sanftmuth und Menschlichkeit! – Grausamkeit ist es, himmelschreiende Grausamkeit, wenn man das allgemeine Wohl dem einzelnen nachsetzt; schändliche Feigheit ist es, wenn man hier oder da einen Bürger schont, und sich nicht kümmert um das Glück der großen gesellschaftlichen Familie. Tod dem Verbrecher ist Wohlthat dem Rechtschaffenen!

Bürger, das Volk hat euch an einen Posten gestellt, wo ihr euch große Verdienste um das Vaterland erwerben könnt; aber auch sein Untergang liegt in euren Händen. Entsprechet ihr nicht dem Zutrauen, welches man in euch setzte; so seyd ihr doppelt schuldig, und dann wisset, daß das Schwerd der Gerechtigkeit niemand schärfer richtet, als ungetreue Staatsbeamte.

Muth, Einigkeit Festigkeit, Wachsamkeit! – Bürger, diese Tugenden erwarte ich von euch! – Segen, Freundschaft, Bruderliebe allen Freunden der Republik, Haß denTyrannen! Strafe dem Laster, Gerechtigkeit oder Tod! – Dies sey unser Wahlspruch!

Schneider


[1] Das die Anhänger der alten Regierung, die nun einmal an allen Uebel Schuld seyn mußte, sich nicht so leicht für die neue Verfassung der Dinge erklären konnten, ist ihnen sehr wohl zu verzeihen; denn sie litten größtentheils sehr dadurch, und nur Verfolgung war der Ersatz, den ihnen die Führer des neuen Wesen zu geben längst hätten in Ueberlegung nehmen sollen. Von Aufopferungen läßt sichs freilich gar leicht – schwören; aber sie selbst machen, und dazu gezwungen werden, sie zu machen, das ist - Schneidern und andern mehr, nie in den Sinn gekommen.

Der.Herausg.


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