Erstes Buch - Lyrische Gedichte.

von Gottfried August Bürger

Des Schäfers Liebeswerbung

Komm, biß mein Liebchen, biß mein Weib!
Und fodre Lust und Zeitvertreib,
So oft und viel dein Herz begehrt,
Und Garten, Flur, und Hain gewährt.

Bald wollen wir von freien Höhn
Rund um die Herden weiden sehn,
Und sehn der Lämmer Fröhlichkeit,
Und junger Stiere Hörnerstreit;

Bald hören, durch den Birkenhain,
Das Tutti froher Vögelein,
Und, an des Bächleins Murmelfall,
Das Solo einer Nachtigall.

Bald rudern auf bekränztem Kahn,
Den See hinab, den See hinan;
Bald Fischchen angeln aus der Flut,
Bald locken junge Vögelbrut;

Bald atmen auf der Maienflur
Den Balsam blühender Natur;
Bald, um die dünnbebuschten Höhn,
Nach Erd- und Heidelbeeren gehn.

Ein Blumengurt, ein Myrtenhut
Kühlt Liebchen vor des Sommers Glut.
Ist Liebchen müde, bett' ich's gleich
Auf Moos und Thymiänchen weich.

Ein Wams, verbrämt mit Schwanenfell,
Mit Knöpfen von Krystallen hell,
Ein Röckchen weiß, aus zarter Woll',
Aus Lämmchenwoll' es tragen soll.

Und hüpfen soll's in Saffian,
Mit goldnen Spänglein auf dem Spann,
Und weißen Strümpfchen, fein gestrickt,
Mit Blumenzwickeln ausgeschmückt.

Im Maimond tanzt ein Schäferchor
Dir hundert frohe Reigen vor.
Behagt dir dieser Zeitvertreib,
So biß mein Liebchen, biß mein Weib!

Ich sing' und blas' auf meinem Rohr
Dir täglich Lust und Liebe vor.
Ist das für Liebchen Zeitvertreib,
So biß mein Liebchen, biß mein Weib!


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03