[An Pestalozzi]

von Karl Justus Blochmann (1786-1855)

Wenn Dich in seiner ahndungsvollen Stille
Des jungen Jahres erstes Licht begrüsst,
Und seliger Gefühle süsse Fülle
Dein heitres sanftbewegtes Herz umfliesst:
Dann töne freundlich Dir in jene Stunden
Was liebend ich und hoffnungsvoll empfunden.

Es führte mich in diese trauten Hallen
Der Glaube und ein freundliches Geschick;
Ins ferne Land liess mich die Hoffnung walen,
Und Freude hob den heissentflammten Blick.
Was ich im Bild der Ahndungen empfunden,
Ich hab‘ es rein im Leben auch gefunden.

Denn ein Gestirn war strahlend aufgegangen
Dem Irrenden auf wildbewegte Fluth,
Es gab ein Ziel dem lodernden Verlangen
Und ein Gebild der namenlosen Gluth;
Der leere Glanz umrauschte mich vergebens,
Denn klar ward mir der hohe Sinn des Lebens.

Und eine Quelle suchend, wo den Blicken
Das höchste rein und farbenlos sich bricht,
Wo um die finstern, tiefgebrannten Lücken
Der Bildung wogt das reine, schönre Licht.
Ward ich zu hohen, seelenvollen Tagen
Von freundlichem Geschick hieher getragen.

Mit Liebe habt den Fremdling Ihr empfangen,
Und Glauben gabt ihr seiner warmen Brust;
Es ist das heisse, sehnende Verlangen
Sich dieses Pfandes frohgerührt bewusst.
Doch was ihr glaubend ihm und frei gegeben
Dies wird die Kraft fortan, die That erstreben.

Denn wie die Kraft, die mir der Gott gegeben,
Sich wachsend dehnt und in die Tiefe senkt,
Wird sie gestalten sich in reges Leben.
Dass knospend Blüthe sich an Blüthe driengt;
und wo in Wechselkraft, Vertraun und Liebe walten,
Mag gern das Hohe sich, das Herrliche gestalten.

Drum mit der Liebe herzentquollner Fülle
Du hohe, schöne Seele, sei gegrüsst!
Am ersten Frühroth, das mit düster Hülle
Sich zukunftsschwanger um das Jahr ergiesst,
Weiht auf der Liebe reinen Opferschaalen
Ein Herz sich Dir und Deinen Idealen.

Denn eins nur ist’s, wornach die Psyche ringet -
Ein selig Leben in der Geisterwelt!
Zu einem Licht nach einem Himmel dringet
Sie kühn – von hohen Ahndungen erhellt.
Drum, Edler Du, empfang des Herzens Weihe
Und glaub an mich und glaub‘ an meine Treue.


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