Flore und Blanscheflur

Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen.

Eilfter Gesang.

Es schwieg die Frau, weil sanft ein lauer Regen
Benetzt der Bäume lieblich schimmernd Grün,
Die sich im milden Sonnenschein bewegen,
So daß die Tropfen in dem Strahl erglühn,
Und wie Geschmeid' an jeden Zweig sich legen,
Dann rauscht der Wind durch ihre Wipfel kühn,
Und zwingt die Bäume weit hin zu verstreu'n
Den Schmuck, so erst der Himmel wollte leih'n.

Der Ritter seufzt: ein traurig Bild des Lebens
Will uns des Tages schneller Wechsel zeigen,
Drum fürchten wir die Hoffnung sei vergebens,
Die freundlich wollte zu uns nieder steigen.
Denn oftmals schien erreicht das Ziel des Strebens,
Und plötzlich sah' Gespenster man sich zeigen,
Die furchtbar schon errung'nes Glück verjagen,
Wie uns belehren Octavianus Klagen.

Ruht nicht Felicitas in süßer Liebe
An seiner Brust, umspielt mit holdem Scherzen
Liebkosend den Gemahl; doch wilde Triebe
Der Eifersucht erregt in seinem Herzen
Der bösen Mutter Wort; daß nichts ihm bliebe,
Er einsam traure in den wilden Schmerzen,
Ihm nichts vermag die bitt're Qual zu lindern,
Verbannt er selbst sein Weib mit seinen Kindern.

Und ach! der Bosheit muß die Fürstin weichen,
Wie müde irrt sie einsam durch den Wald,
Sie glaubt der Schlaf will tröstend zu ihr schleichen,
Und überläßt sich willig der Gewalt;
Doch ist ihr Schlaf nur ihres Unglücks Zeichen.
Wie laut, wie schmerzlich nun ihr Klagen hallt,
Als sie die Kinder nicht mehr bei sich findet,
Nachdem der kurze Schlummer bald entschwindet.

Und Florens ward ihr vielgeliebter Sohn,
Um Gold verhandelt an des Meeres Strande.
Es kauft ihn, der geboren für den Thron,
Ein Pilger kommend aus dem heil'gen Lande.
So spricht das Schicksal oft der Liebe Hohn;
Der edle Prinz muß nun im niedern Stande
Befehl und Droh'n vom Bürger oft vernehmen,
Den kühnen Geist nach dessen Sinn bequemen.

Die Frau sprach lächelnd: dürft ihr ihn beklagen,
Der in Paris der Ehre Preis errang?
Die schönste Beute kühn hofft zu erjagen,
Als er in Marzibillas Lager drang,
Nachdem er kaum den Riesen hat erschlagen.
Ob sein Geschick ihn feindlich wohl bezwang
Daß ihr als Kind den Prinzen mögt betrauern,
So könnt ihr ihn als Jüngling nicht bedauern.

Winkt ihm nicht Huld aus brauner Augen Glanz,
Die den Franzosen drohten zornig wild,
Nicht mehr reizt nun die Fürstin Krieges Glanz,
Der weißen Hand entsinkt der gold'ne Schild,
Und sie entsagt dem frischen Lorbeerkranz.
Nun ist ihr Herz im schönen Busen mild,
Der Zorn erstirbt in sanfter Minne Gluten
Als sie mit ihm durchschifft der Seine Fluten.

Und er fühlt sich von hoher Lust durchdringen,
Zum neuen Leben ist sein Herz erwacht;
Spät werden noch entzückte Dichter singen,
Wie wonnevoll ihr Aug' ihm einst gelacht,
Und wenn die Reime lieblich tönend klingen
In stiller lauer mondbeglänzter Nacht,
Dann wird im Wald der Liebe Tempel seyn,
Und der Gesang manch' edles Herz erfreu'n.

So große Huld gewährt ihm schon die Minne,
Eh' er sich kannt' als Sproß vom Kaiserstamme,
Liebend beherrscht er Marzibillas Sinne,
Gleich brennt in ihr, so wie in ihm, die Flamme.
Doch daß auch endlich Reue Trost gewinne,
Und Liebe ohn' Erbarmen nicht verdamme,
So wird auch Octavianus noch beglückt,
Als Söhn' und Weib er an den Busen drückt.

Laßt als des Lebens wechselnd schönes Bild,
Drum diesen Tag euch im Gedächtniß bleiben,
Mich dünkt, daß sich jetzt Liebesworte mild
Am Himmelsblau mit gold'nen Ziffern schreiben.
Ach! bleibt wohl ein Gedanke roh und wild,
Den sanfte Winde nicht im Spiel vertreiben,
Die vor der Sonne das Gewölk verjagen,
Das sie uns wollte zu verdunkeln wagen.

Seht Erd' und Himmel liebend jetzt durchdrungen,
In farb'ger Glut den Bogen sich ausspannen,
Der Himmel hält die Erde nun umschlungen.
Was seel'ge Herzen liebend sich ersannen,
Ist zu der Erde liebevoll gedrungen.
Und Schmerzen die wir liebend erst gewannen,
Nun uns erblüht der lichte Friedensbogen,
Sind sie hinweg aus unsrer Brust gezogen.

Ach! erst die Tropfen so am Grase funkeln,
Sie schimmerten dem inn'ren Aug' als Wellen,
Wann sich die Blicke thränenschwer umdunkeln,
Dann hört der Geist die Wasser brausend schwellen
Bis sie der Blumen lichten Schein verdunkeln;
Doch endlich muß sich Finsterniß erhellen,
In seel'ger Freude wird es dann erkannt,
Weß Hand den Bogen tröstend aufgespannt.

Drum ist so seelig unser Herz im Weinen,
Es hat der Schmerz die Lieb' herabgezogen,
Die spielend will in unsre Thränen scheinen,
Ihr sanfter Strahl hat küssend sie gesogen.
Wenn Lieb' und Thränen innig sich vereinen,
Erglüht ein blühend Paradies im Bogen,
Dann fühlen wir der süßen Wehmuth Schmerz
Die wahre Heimath ahndet unser Herz.

Doch was mir jetzt so glühn'de Sehnsucht regt,
Vermag ein Laut den süßen Schmerz zu klagen?
Was unser Busen zärtlich liebend hegt
Kann nur das Auge, nie ein Wort euch sagen.
Drum soll von dem was innig euch bewegt
Der Mund vor euch nicht mehr zu stammeln wagen;
Und eh' die Nacht in Dunkel hüllt die Flur,
Vollenden wir von Flor' und Blanscheflur.

Stumm saß der Fürst in seines Hofes Mitten
Und jeder rief: es ist der Gnade Zeit,
Laß endlich, Herr, dein edles Herz erbitten.
Der Ameral, noch mit sich selbst entzweit,
In dessen Brust noch Haß und Liebe stritten,
Sprach endlich: »Sagt, weß Hülf euch war bereit,
»Wer hat um euch die Treue mir gebrochen?
»Dies sagt, dann sey Verzeihung euch versprochen.

»Viel lieber will ich zwiefach schmählich sterben,
»Sprach Flor', als daß ich meine Treu' so bräche,
»Daß ich um meine Freunde zu verderben,
»Nun schändlich treulos ihren Namen spräche;
»Es wäre dann ich könnte Huld erwerben,
»Daß mir dein Mund es, hoher Herr, verspräche:
»Du wollest nicht aus deiner Huld verstoßen,
»Die freundlich mir des Himmels Thor erschlossen.«

Im Zorne wendet sich der Ameral,
Und schon ergreift sein Volk ein neues Leid;
Doch Mitleids Thränen sieht er überall,
So Volk als Adel kränkt der lange Streit.
Da nähert sich ein würdiger Vasall,
Ihn schmerzte längst des Fürsten Grausamkeit,
Ein Bischoff wagt's sich an den Herrn zu wenden,
Hofft durch sein Wort die lange Qual zu enden.

»Laß dir die Red' in Gnaden, Herr, gefallen,
»Sprach er: daß sie die Treu' nicht wollen brechen
»Muß an den zarten Kindern dir gefallen;
»Drum straf' nicht ihre Tugend gleich Verbrechen,
»Laß nicht umsonst mein flehend Wort erschallen,
»Du hörst durch mich all' deine Völker sprechen;
»Laß mild der Kinder Schicksal sich entscheiden,
»Und nicht den Tod für Treue sie erleiden.«

Der Herzog welcher Florens Ring gefunden,
Naht sich, und sprach: »Des Zornes letzte Glut
»Sei durch die Gnade völlig überwunden.
»Die Liebe gab den Kindern Heldenmuth
»In jeder Pein die schon ihr Herz empfunden;
»Du kannst nun nicht verströmen mehr ihr Blut,
»Da wir dein Aug' in Thränen schon gesehen,
»Solch Wunder ist durch Lieb' und Treu geschehen.

»Doch recht fragst du, und weislich, wer es sei?
»Der Floren von dem Herzenskummer schied,
»Sprich nur, es sei von jeder Strafe frei,
»Wer ihm den Weg zum festen Thurm verrieth.
»Dann hören wir, ob ihm durch Zauberei,
»Ob ihm durch List der kühne Plan gerieth,
»Und wissen wir, wie er erschlossen ward,
»So wird der Thurm in Zukunft wohl bewahrt.«

Nun endlich spricht der Fürst der Gnade Wort,
Damit der Prinz nur länger nicht verschweigt,
Weß List ihm half, daß er den Zauberort
So kühn und schlau, und so geheim erreicht.
Lang setzt der Freude lauter Ruf sich fort,
Der jubelnd auf zum blauen Himmel steigt.
Da nun in Freude sich gewandelt Klagen,
Muß auch der Jüngling sein Geheimniß sagen.

Gern sprach er nun, wie erst der Pförtner arg,
Ihn drohend wollte von dem Thurme scheuchen;
Doch, sagt er, wußt' ich wie sein Herz so karg,
Drum konnt' ich leicht mir seine Gunst erschleichen,
Daß er zuletzt mich gern in Rosen barg.
So half er mir der Sehnsucht Ziel erreichen;
Mit rothen Rosen deckt er leicht mich nur,
Und sandte mich der holden Blanscheflur.

Ach! wie war uns nun Tag und Nacht so süße,
Nun durften wir in Blicken uns vertiefen,
Nun stammelten wir tausend Liebesgrüße,
Die Seufzer zärtlich aus dem Herzen riefen;
Und uns berauschten wonnigliche Küsse,
So kam's daß wir die beiden Morgen schliefen,
Und vor dem Ameral die Furcht vergaßen,
Wir hatten ganz der Minn' uns überlassen.

Als dies der Knabe sagt mit glühnden Wangen,
Umschwebt ein Lächeln auch den strengsten Mund,
Ja selbst der Fürst, der erst ihn hielt gefangen,
Sah lächelnd wie sein junger Busen wund,
Durchglüht von innigbrünstigem Verlangen,
Das Flore gab in voller Unschuld kund.
Nun dünkt der Kinder Minn' ihm holder Scherz
Und allzuhart ihr schon erlitt'ner Schmerz.

Vor ihm sinkt Flore zierlich auf ein Knie
Und sprach: »Nun such' ich Gnade meines Herrn,
»Macht' daß mein Leid vor eurem Hauch entflieh';
»Da Zorn entwich von eurem Herzen fern,
»So werb' ich nun mit dreistem Muth um sie:
»Bewilligt meine Seeligkeit nun gern,
»Und gebt mir frei die süßeste Freundinne,
»Mein eigen ist sie längst durch Huld der Minne.«

Der Ameral verwandelt im Gemüthe,
Hört sanft des Prinzen inniges Verlangen,
Hob dann ihn auf mit königlicher Güte,
Winkt Blanscheflur, küßt sie auf beide Wangen;
So war der Zorn, der erst sein Herz durchglühte,
Besiegt durch Liebe unter nun gegangen,
Daß er die Hand des Jünglings und der Schönen
Vereint, um ihren Liebesbund zu krönen.

Ein lautes Jauchzen, freudenreicher Schall
Erhob sich mächtig, wogend in der Luft.
Wohl tausend Stimmen riefen Wiederhall
Aus tiefem Schlummer in bemoster Kluft.
Posaunenton verkündigt's überall:
Die zu verschlingen drohte erst die Gruft,
Sie haben Gnade vor dem Herrn gefunden,
Durch Liebe ward die Härte überwunden.

So süße Lust fühlt Flore sich umwehn,
Da frei er darf die Hand der Freundin nehmen,
Daß ihm die Sinn' im Taumel fast vergehn,
Entzücken droht die Seel' ihm zu entnehmen.
Nun riefen viele: »Wie konnt' es geschehn,
»Dies möchten wir durch eure Huld vernehmen,
»Daß ihr so früh in Trübsal seid gekommen,
»Und schon so jung von eurer Heimath kommen?«

Der Prinz ist willig gern es zu berichten,
Welch Band ihn hielt und Blanscheflur umschlungen,
Er spricht, entzückt von zärtlichen Gedichten,
Worin schon früh die Liebe süß erklungen,
Und mancher Greis hört lächelnd die Geschichten.
In manche Brust ist sanfter Schmerz gedrungen,
Als er bewegt sein innig Trauern klagt,
Da man sie todt im Wundergrabe sagt.

Und als er schildert wie ihn überwand
Die Minne, daß der Mutter Stimme Ton
Ihn nicht zurück hielt in des Vaters Land,
Wie er erreicht das stolze Babilon;
Hier väterlich gesinnt Daries fand,
Deß Weisheit rieth, wie er durch goldnen Lohn,
Und kluges Spiel den Pförtner sich gewinne,
Auf daß durch ihn sein schmerzlich Leid entrinne.

Als Flore kaum mit dem Bericht zu Ende,
Sah er den Wächter und Daries stehn;
Dem Pförtner bot er freundlich beide Hände,
Und sprach: »vergebt, was euch zur Angst geschehn,
Wofür ich gern noch reiche Gab' euch sende.«
Doch als er will zum würd'gen Greise gehn,
Daries dankend in die Arme schließen,
Da muß die Lieb' in Thränen überfließen.

Bewältigt von der Seele mächt'gem Triebe
Wirft er sich weinend an des Greises Herz,
»Euch biet' ich nichts als meine inn'ge Liebe
»Rief er in Thränen zwischen Lust und Schmerz,
»Womit ich gern, mein Vater, bei euch bliebe.«
Daries drückt ihn zärtlich an sein Herz,
Sprach dann so mild, wie zu dem eig'nen Sohn,
»Genießt nun froh der Lieb' und Treue Lohn.

Der Ameral hat alles wohl vernommen,
Liebt inn'ger drum noch Flor' und Blanscheflur,
Er sprach zum Prinzen: »Da ihr seid gekommen
»Zu mir, so weit von eurer Heimath Flur,
»Zum Zeichen, daß ihr freundlich aufgenommen,
»Verlaßt als Ritter meinen Hof ihr nur.
»Die Edlen auch so euch begleitend kamen,
»Entlaß' ich nur mit diesem Ehrennamen.«

Man rief die Herren, wie der Fürst befohlen,
Jedweden Schmuck der ritterlichen Zier
Eilt man geschäftig dann herbeyzuholen,
Und als nicht mangelt mehr die kleinste Zier,
Schmückt man sie reich vom Haupte zu den Sohlen.
Und ehrt so Flore, daß voll Ruhmbegier
Ein Ritter längst durch Waffenthat bekannt
An keinem Hof noch größ're Ehre fand.

Mit reichen Teppichen hieß man belegen
Den Boden, und die Fürsten sich bereiten,
Damit der Prinz vom Ameral den Degen
Empfing, wohin zwei Könige ihn leiten.
Es gab der Herr so Schwerdt als Rittersegen,
Gebot für Recht und Ehre nur zu streiten;
Worauf die Fürsten zu des Prinzen Ehren,
Dann gleiche Huld den Dienern auch gewähren.

Nun sprach der Ameral: »Da ich belohnt
»So Lieb' als Treu' will ich Vergehn auch strafen.
»Daß zwanzig Tag' ihr habt im Thurm gewohnt,
»Und zwanzig Nächt' an ihrer Brust verschlafen,
»In deren Herz als König ihr gethront,
»Soll ihr Beschämung, Rache mir verschaffen.
»So roth wie jetzt noch ihre Wangen blühn,
»Soll nun der Bach durch ihre Schuld erglühn.

»Drum sei gewohnte Prob' ihr nicht erlassen,
»Ich führe selbst sie zu des Bachs Kristallen.
»Steht sie am Rande zitternd auf den nassen,
»Bethauten Gräsern, sieht ihn silbern Wallen,
»Und muß beschämt dann ihre Wang' erblassen,
»So mög' es ihr um süße Schuld gefallen,
»Daß ihr Geheimniß in den Wogen klingt,
»Und ros'ge Glut den kleinen Bach durchdringt.«

Und Blanscheflur stand schüchtern an der Quelle,
Sah still das Bächlein hin durch Blumen gleiten,
Nachdem sie sich gespiegelt in der Welle,
Muß sie das schmale Wasser überschreiten.
Sanft murmelnd fließt die Woge silberhelle;
Um höchsten Preis der Jungfrau zu bereiten
Ertönt im Wasser wonniglicher Klang
Als sie zurück zum andern Ufer sprang.

Gesang nun jubeln Nachtigall'n vom Throne,
So hoch errichtet auf dem Wunderbaum,
Daß jede Ehre Blanscheflur belohne.
Als in der Luft die Kläng' erbebt noch kaum,
Rührt linder Wind des Baumes ros'ge Krone,
Pflückt so die Blüten, haucht sie durch den Raum,
Und senkt sie wirbelnd auf das Haupt der Schönen,
In ihr den Ruhm von allen Frau'n zu krönen.

Nun scheint es neigt sich jeder Baum mit Rauschen;
Den Fuß netzt ihr die Woge sie zu grüßen;
In grünen Zelten zarte Vög'lein tauschen
Gesänge, ihr die Glorie zu versüßen;
Die Winde fühlt sie lieblich sich umrauschen,
Ihr linde kühlend Wang' und Mund zu küssen.
So steht die Jungfrau behend an der Quelle,
Und senkt den glüh'nden Blick zur kühlen Welle.

Erstaunen hält die Zungen lang gebunden,
Es stört kein Wort das Jauchzen der Natur,
Doch als die Sprache endlich ward gefunden,
Tönt in der Luft nur Flor' und Blanscheflur.
Holdseelig lächelnd hielt er sie umwunden,
Sie lehnt an ihn, zwei Blumen auf der Flur,
Sie schmiegen sich so lieblich nicht zusammen,
Als beide in unschuld'ger Liebe Flammen.

Es sprach der Fürst: »Ein Wunder ward verkündet,
»Und dessen Kraft verwandelt mein Gemüthe,
»Du holdes Kind, in Minne Glut entzündet,
»Indeß dein Freund in gleicher Flamm' erglühte;
»Und beide ihr so innig nah verbündet
»Verletztet nie der Keuschheit zarte Blüte.
»Verwirrt, beschämt muß ich all' dies vernehmen
»Und mich vergang'ner Grausamkeiten schämen.

»Stets wird die Liebe über Zauber siegen,
»Vergeblich ward der Thurm so fest erbaut;
»Doch will ein Weib sich zärtlich an uns schmiegen,
»Ist thöricht auch, wer ihr dann nicht vertraut.
»Drum soll die Liebe Grausamkeit besiegen
»Damit ihr heut das größte Wunder schaut,
»So sei des Thurmes hohe Pfort' erschlossen,
»Und keine Jungfrau bleibe drin verschlossen.

»Es übt mein Wort befehlend nicht mehr Zwang.
»Auch soll kein Weib die mich beglückt mehr sterben,
»Gemildert sei der rauhen Stimme Klang,
»Der Zunge lehr' ich zärtlich schmeichelnd werben,
»Dasselbe Glück, so himmlisch euch umschlang,
»Möcht' ich als Lohn im Dienst der Minn' erwerben;
»Gefürchtet nicht, geliebt möcht' ich mich sehn,
»Aus Lieb' erhört mein inn'ges Liebe-Flehn.

»Und so steig' ich von meinem Thron hernieder,
»Und will mich dir, o schöne Klaris, nah'n
»Du schlägst die Augen ängstlich nieder,
»Willst du mit Huld des Königs Huld empfah'n?
»O flieh' mich nicht, ein schüchtern bang Gefieder,
»Gieb auf im Herzen Mißtrau'n, Furcht und Wahn;
»Und um den Glanz der Krone zu verschönen,
»Vergönn' es mir dein Haupt damit zu krönen.«

Klaris hob still die treuen Augen auf,
Und sah ihn an mit Innigkeit der Liebe,
Doch ungehemmt strömt bald der Thränen Lauf.
»Nicht zweifle länger an der Macht der Liebe,
»Sprach mild der Fürst, gieb deine Sorgen auf,
»In mir getödtet sind die wilden Triebe;
»Willst du dich zärtlich mir vereinen nun,
»Will ich stets treu an deinem Busen ruhn.«

Der letzte Grund des Kummers war zerronnen,
Es dankt dem Ameral sein Volk zu Füßen,
Weil das Gesetz so greulich wild ersonnen,
Nicht kurzen Glanz durch Tod mehr zwingt zu büßen.
Nun war der Muth zur höchsten Lust gewonnen,
Man eilt herbei die Fürstin zu begrüßen,
Und sieht mit lauter Freude Jubeltönen
Als Herrin nun die schöne Klaris krönen.

In aller Augen leuchtet freud'ge Glut
Als aller Stimmen segnend sich erheben.
So mild und fröhlich war des Fürsten Muth;
Er hieß sein Gold als Lohn dem dankend geben,
Deß Kunst erhöht der Freude Uebermuth;
Drum sah man eifrig nach dem Pallast streben,
Mit anderm, auch Gesang und Harfenspiel,
Und jeder Gast wählt Lust so ihm gefiel.

Es schwärmten viel' durch Babiloniens Gassen,
Und sangen ihre Freude laut in Chören,
Es hat die Schwachheit jeden Greis verlassen,
Der Schmerz schien nicht die Kranken mehr zu stören;
Man sah sie lächelnd bei der Hand sich fassen
Und selber jubelnd andrer Freude hören.
So hat die Lust ins Freie all' getrieben,
In stillen Häusern ist kein Mensch geblieben.

Im Pallast saßen andere beisammen,
Die ihre Kunst im edlen Schach erproben,
Obgleich der Knab' entbrannt in Liebes-Flammen
Ist seine Kunst im Schache doch zu loben:
Dies sprachen diese lächelnd hier mitsammen,
Indeß gelinde auf und ab gehoben,
Im Tanze andre, auf melod'schen Wogen,
Die süße Lust der Freude eingesogen.

Im Hofe wollten andere turnieren,
Und Flore auch sich dort als Ritter zeigen,
Zierlich geschickt weiß er den Speer zu führen,
Und jeder muß sich überwunden neigen.
Wie könnt' er auch ein einzig Spiel verlieren?
So holder Liebreiz war dem Jüngling eigen,
Daß jeder gern den Blicken unterliegt
Den seine Hand im Kampfe nicht besiegt.

Als sich ins Meer die Sonne will versenken,
Da hört man laut Trompetenton erschallen,
Und große Schaaren sieht den Schritt man lenken
Zum Garten hin, aus dem die Tön' erhallen,
Dort sind bereit so Truchsesse als Schenken,
Der Fürst sieht ihren Dienst mit Wohlgefallen,
Weil höflich sie mit Speis' und Trank empfingen
So viel nur mochten in den Garten dringen.

Der Ameral saß an der Tafel oben,
Zur Rechten Klaris, links ihm Blanscheflur,
Die hörte nicht der lauten Freude Toben,
Mit Flore flüsternd Liebesworte nur.
Ach! beide sind zur Seeligkeit erhoben,
Zu glücklich sind sie, daß den Liebes-Schwur
Sie offen nun sich wiederholen dürfen,
Und süßen Nektar von den Lippen schlürfen.

Es sah der Hof ihr kindisches Entzücken,
Und lächelnd sprach zu Floren mancher Mund:
»Wie sehr der Minne Gaben euch beglücken,
»Gebt ihr zu offen, junger Herr, uns kund.
»Ihr mögt euch nicht an ird'scher Speis' erquicken,
»Und für den Schmerz wovon das Herz euch wund,
»Wollt ihr, daß eure Lippen nur und Augen
»Den Balsam von der schönsten Blüte saugen.«

Doch Flore hört nicht wie die Wort' erklingen,
Obwohl umschwebt von Freud' und lauten Scherzen,
Kann diese Lust die Seel' ihm nicht durchdringen;
Doch bebend fühlt er seel'ge Glut im Herzen,
Wenn seine Arme Blanscheflur umschlingen.
So saßen sie im Garten, wo der Kerzen
Zahllose Strahlen, Licht verbreitend flimmern,
Und Sternen gleich durch Laub und Blüten schimmern.

Und nun erhob von Harfen, Zittern, Geigen,
Ein süßer Klang sich der die Luft erfüllt,
Es zwingt der Ton den lauten Scherz zum Schweigen,
Weil zärtlich Weh' in jeder Brust nun quillt,
Daß wie die Töne auf und nieder steigen,
Sich bald erregt, und bald sich wieder stillt.
So herrschte lieblich der harmon'sche Klang,
Der jedes Herz mit süßer Lust bezwang.

Es schweigt das Saitenspiel, Gesang will preisen
Der Liebe Macht durch himmlisch süße Klänge,
Die Muse wollte Orpheus unterweisen,
Daß Harmonie die ganze Welt durchdränge.
So tönt Gesang; drum lehrt sie ihm die Weisen
Der lieblichsten, der zärtlichsten Gesänge,
Entzündend in der Brust ein himmlisch Feuer,
Und selbst Apoll reicht ihm die gold'ne Leier.

Er schlug die Töne und der Winde Sausen
Gefesselt darf die Harmonie nicht stören,
Der wilden Wasser furchtbar lautes Brausen
Verstummt, in Demuth den Gesang zu hören,
Was sich entzweit, gefloh'n in bangem Grausen
Vereinigt sich zu liebevollen Chören.
Wenn seiner Leier Wunderton erklingt,
Wenn sein Gesang die milde Luft durchdringt.

Zwar wollt' die Muse selber ihn erziehn;
Zwar lehrt der Gott ihm selbst der Leier Töne
Doch wär' ihm nicht die Wunderkraft verliehn,
Durchzitterten nicht himmlisch süße Töne
Sein eignes Herz, die auf als Lieder blühn,
Und huld'gend zeigen, daß die lieblich schöne
Euridice, ihm thront in Herz und Sinne,
Daß ihn begeistert seel'ge Glut der Minne.

Ach! wenn sie wandelt auf den frischen Auen,
Und sucht in Blumen ihrer Liebe Spur,
Läßt er die Töne schmelzend niederthauen
Und frischer lacht, neu glänzend die Natur.
So huldigt er der schönsten aller Frauen,
So wandelt sie still seelig durch die Flur,
Wo ihren Fuß der Schlange Biß durchdringt,
Und sie hinab zum finstern Orkus zwingt.

Der Sänger, in verzweiflungsvollen Klagen
Eilt selbst hinab zu Plutos dunkeln Reichen;
Sein Saitenspiel mit Wunderkraft geschlagen,
Zwingt von der Pforte Cerberus zu weichen,
Es öffnet sich das Thor der Nacht und Klagen,
Befremdet fühlt der Fürst sein Herz erweichen,
Als schwellend eindringt wunderbarer Klang,
Sein Ohr berührt der süßeste Gesang.

Durch diese Töne scheint die Nacht zu schmelzen,
Licht zu erblüh'n in grauenvollen Dunkeln,
Und Sysiphus hört auf den Stein zu wälzen;
Es ruht, indeß die Lichter ihn umfunkeln,
Die Last, gehalten oben auf dem Felsen;
Die Danaiden sehn die Schimmer funkeln,
Und lehnen sinnend still sich an die Fässer,
Nicht schöpfend mehr entschlüpfende Gewässer.

Die Liebe ist zum Tartarus gedrungen,
Drum hören auf die Strafen und die Qualen.
Als kaum die süßen Wundertön' erklungen,
Scheint Wärm' und Licht den Orkus zu durchstrahlen.
Der finstre Gott, zu Thränen fast gezwungen,
Sprach: Wandle nicht den Ort der herben Qualen,
»Laß Wonnelaut im Orkus nicht mehr beben
»Ich will zurück dir die Geliebte geben.«

Kunstreich vereint von lieblich süßen Stimmen,
Die zärtlich mild in lauer Luft erklungen,
Indeß die Stern' am Firmamente glimmen,
Ward so der Tön' und Liebe Macht besungen;
Wie in der Luft die holden Töne schwimmen,
Fühlt sich das Herz von Seeligkeit durchdrungen,
Und als verhallt sind des Gesanges Worte
Schleicht träumend jeder durch des Gartens Pforte.

In höchster Pracht war das Gemach bereitet,
Das nun der Fürst mit seiner Braut betrat,
Wo süßer Duft sich schwellend um sie breitet.
Wie zärtlich er um Minne nun auch hat,
Ward doch sein Herz nicht von dem Trieb geleitet,
Der Florens Brust seelig entzündet hat;
Stets irdisch bleibt des Amerales Streben,
Fühlt er sein Herz in Lust und Wonn' auch beben.

Und Flore ward zu dem Gemach geführt,
Das heimlich ihn schon hegte manche Nacht,
Wie zärtlich ward sein junges Herz gerührt,
Welch inn'ge Glut im Busen angefacht,
Als er nun hier der Freundin Hand berührt,
Ihr himmlisch Aug' ihm hold entgegen lacht;
In dem Entzücken, kaum sich selbst bewußt,
Umschlingt er sie, und preßt sie an die Brust.

Berauscht in Wonne schließen sie die Augen,
Und nahen zärtlich küssend sich dem Munde,
Den holden Balsam dürstend einzusaugen
Für ihres Herzens lieblich süße Wunde.
Ach! fleht der Jüngling, laß mich schau'n die Augen,
Daß mich ihr Strahl erhell' in dieser Stunde,
Und ich vermag in Ehrfurcht zu erwägen:
Uns mangle noch der Kirche heil'ger Seegen.

Als sie die Augen zärtlich aufgeschlagen,
Fühlt er sich fast vom lichten Glanz geblendet;
Ihm dünkt daß Wolken die Geliebte tragen,
Die Glanz und Duft rings um sie her gespendet,
Daß Kund' ihm von des Himmels Freuden sagen,
Die Blicke liebreich zu ihm hingewendet;
Daß in dem Auge dessen Strahl er trinkt,
Ein Engel ihn hinauf zum Himmel winkt.

In seel'ger Freude war die Nacht verschwunden,
Der Ameral hat jede Lust getrunken,
Die wilder sonst sein stolzes Herz empfunden.
Flor' ist in Wonne träumend noch versunken,
Das sanfte Glück in stiller Nacht gefunden,
Ruht in der Brust ihm wie ein Himmelsfunken;
Und als er naht mit Blanscheflur dem Saal,
Verletzt ihn fast der lauten Freude Schall.

Nun meldet man, daß Boten sind gekommen
In fremder Tracht, am Hofe unbekannt.
Es sprach der Fürst: »Heißt freundlich sie willkommen,
»Und führt sie her, auf daß wer sie gesandt,
»Und weshalb sie die Reise unternommen,
»Uns schleunig sei durch ihren Mund bekannt.«
»Der Marschall that wie ihm der Herr geboten,
»Und führt herbei die adelichen Boten.

»Die ließen höflich auf ein Knie sich nieder,
»Und sprachen: »Herr, wir nahen deinem Thron,
»Und bitten, gieb uns unsern Prinzen wieder,
»Verwaist ist Spanien allzulange schon;
»Es schloß der Tod des Königs Augenlieder,
»Und hier verweilt der ein'ge Erb und Sohn,
»Der Spaniens Krone längst nun hat erworben,
»Weil vor sechs Monden Felix schon gestorben.

»Die Kön'gin sandte uns ihn aufzufinden,
»Und wir erforschten seiner Reise Spur,
»Vertrauten uns dem Meer und günst'gen Winden,
»Treu übend der Vasallen Pflichten nur.
»Hier fühlen wir des Kummers Last entschwinden,
»Er steht vor uns, und mit ihm Blanscheflur.
»Der Mutter Auftrag treulich auszurichten,
»Erlaub' uns nun das Wort an ihn zu richten.«

Zu Flore sprachen sie: »Ihr säumt zu lange,
»Es klagt um euch das väterliche Land;
»Daß nicht in Sorgen mehr die Mutter bange,
»Weil ihr in euch, deß Lebens Trost entschwand.
»Daß eure Hand das Scepter nun empfange,
»Und euer Erbrecht werde anerkannt,
»Dürft ihr nicht länger ruhig hier mehr säumen,
»Müßt Babilon schon morgen mit uns räumen.«

Es kann der Prinz nicht gleich drauf Antwort sagen,
Die Rede hemmend fließen Schmerzeszähren,
Womit er muß des Vaters Tod beklagen.
Und Blanscheflur spricht: »Woll es mir gewähren,
»Laß nicht dein Herz in seinem Leid verzagen.
»Sie will ihn trösten, und muß selber ehren
»Des Königs Tod durch Schmerz, der zärtlich weint
»Und mit dem Leid des Freundes sich vereint.


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