Die Geschehnisse im Rheinbogen bei Ehingen 1794 - 1817

Geschichtliche Erinnerung und Notizen des Heern Karl Baasel

1800

Den 2. Januar ist das Wetter aufgetaut, und da der Damm noch ganz offen war, so war alles wieder in banger Erwartung. Jedermann glaubte, daß die nämliche Gefahr wie im vorigen Jahre vorhanden sei, es wurden auch alle Anstalten zur Rettung des Viehs usw. getroffen.

Die Nacht vom 5. auf den 6. Januar ging der Rhein los und Jedermann war in Schrecken. Allein wie groß war die Freude, da man sah, daß das Eis in aller Stille davon trieb und das so äußerst klein gewesene Wasser stieg nicht einmal 1 bis 2 Fuß empor.

Die Witterung, welche Anfang des Jahres warm, war bis in den späten Sommer sehr kalt. Den 17. Juni ist eine so kalte Nacht gewesen, daß der Buchweizen alle erfroren und wenig davon übriggeblieben ist.

Die Erdäpfel, Bohnen und sonstige Gartengemüse sind auch zum Teil erfroren. In den Gegenden von Lintorf waren sogar die Kornähren erfroren.

Von Ostern bis den 20. August ist eine große Dürre gewesen, so daß alles vertrocknet ist. Es war überall Mangel an Wasser sowie auch an Fourage für das Vieh, so daß man im August genötigt war, Stroh für die Kühe zu füttern.

Das Jahr hindurch mußten die monatlichen Gelder und Lieferungen noch immer abgeführt werden.

Von Einquartierung waren wir frei, außer einigen kleinen Abteilungen von Franzosen, welche, die die Ausfuhr der Frucht hemmten. Von der Frucht war der Weizen besonders teuer und überall außerordentlich geraten, so daß der Morgen fünf bis sieben Malter beibrachte. Er kostete 15 Reichstaler, da jedoch das Korn nur 9 Reichstaler und die Haber 3 1/3 Reichstaler gekostet, da die Franzosen das ganze Jahr hindurch die Ausfuhr immer steuerten, so mußte immer Schleichhandel getrieben werden. Der Weizen wurde auch dem Preußischen geführt und von da in Schiffen nach England transportiert. Die Frucht mußte meistenteils bei der Nacht und zwar per Abgaben an die Franzosen, über die Grenzen geführt werden, wodurch die Franzosen unendlich viel Geld zogen. Sie arretierten auch alle den Rhein hinunterfahrenden Schiffe, welche Getreide geladen hatten.

Alle Elemente schienen sich der Weltuntergang miteinander verschworen zu haben, denn noch sieht man überall die deutlichen Spuren, der so oft nacheinander folgenden Wassergängen, welches die Menschen in so große Furcht und Schrecken setzte. In anderen Gegenden wütete das Feuer, besonders in Oberdeutschland, wo Mars seine Frevel übte, ganze Dörfer abgebrannt wurden und die Menschen zu 10 und 20.000 in einem Tag geschlachtet wurden.

Allein hiermit noch nicht genug, der Sturm wollte auch einmal spucken, um die äußerst verkehrte Menschheit völlig in Schrecken zu setzen und dies erfolgte am 9. November 1800.

Es war gegen 2 Uhr nachmittags, als sich ein Westwind erhob, welcher je langer je starker, so daß in kurzem die mehrsten Ziegel oder Pfannen von den Dächern gerissen waren. Gegen Abend brauste der Wind so grausam, daß den Menschen die Haare zu Berge standen, ganze Dächer mit den Sparren wurden heruntergerissen, das Stroh von den Strohdächern flog in die hohe Luft, die Pfannen taumelten zu Tausenden herunter, die Baume rissen entzwei oder mit den Wurzeln aus der Erde, alle. Gebäude schwankten und verschiedene stürzten ein.

So stürzte z.B. die Scheuer auf dem Garreshofe gänzlich ein, und dergleichen mehrere. Mit jedem Augenblick glaubte man, der Sturm würde sich legen, allein mit jedem Augenblick erhob er Sich noch schrecklicher, so dass man glaubte, das das Ende der Welt nicht fern sei. Erst nach Mitternacht legte der Wind sich endlich und erst den folgenden Tag sah man. die gräßlichen Spuren dieses Sturmes. Von allen Seiten hörte man, daß Häuser eingestürzt, alle Dächer waren offen, die Pfannen zu 1.000 und 100.000 heruntergeworfen, die Bäume mit den Wurzeln aus der Erde gerissen, so daß es gräulich anzusehen war.

So waren z.B. auf Huckinger Gemark allein bei 1.000 Bäume mit den Wurzeln aus der Erde gerissen. Diese Bäume wurden auf einen Wert von 6.000 Reichstaler geschätzt.

Es wurde ein Vertrag zwischen den Erben und dem Holzgrafen Spee geschlossen, nach welchem ihm der vierte Teil des gefallenen Holzes für sein Gerechtsam in Betreff der Windschläge zuerkannt wurde, die übrigen 3 Teile wurden den Erben zuerkannt.

Die Frucht kam dieses Jahr auf einen hohen Preis. Es wurde eine ungeheuere Menge Frucht zu Wasser und Land nach Holland geschafft und von dort nach England verschifft.

Der Weizen, der anfangs 12 Reichstaler kostete, wurde nachher zu 20 Reichstaler verkauft.

Das Land war aber so hart von den Franzosen gesperrt, daß auch kein Malter ohne Abgaben ausgeführt werden konnte.

Mit Schluß des Jahres 1800 kam endlich der Friede mit den Franzosen zu Stande und zwar den letzten Tag des Jahres. Den Franzosen blieb der Rhein zur Grenze bestimmt und fingen vor ihrem Abzug die Schleifung der Festung Düsseldorfs an. Aus Mündelheim und Ehingen mußten täglich 10 Mann nach Düsseldorf arbeiten gehen. 

So endigte sich mit dem 18. Jahrhundert endlich ein Krieg und Revolution, worüber die Nachwelt erstaunen wird und welcher mehreren 10.000 Menschen das Leben gekostet und durch dessen Greuel mehreren 1.000 um Hab und Gut gekommen sind.