Die Geschehnisse im Rheinbogen bei Ehingen 1794 - 1817

Geschichtliche Erinnerung und Notizen des Heern Karl Baasel

1794/95

Einzelne Zeitgeschichten enthalten:

Die merkwürdigsten Begebenheiten, welche sich in dem Dorfe Mündelheim und umliegender Ortschaften in den letzten 6 Jahren des 18. Jahrhunderts zugetragen sowie noch einige Begebenheiten, welche sich in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts ereigneten.

Nicht ganze Länder oder Kriegsgeschichten bin ich hier gesonnen niederzuschreiben, sondern nur einzelne Geschichten, nebst Begebenheiten umliegender Gegend und zwar beginnend seit dem Jahre 1794, in welchem die kaiserlichen Truppen über den Rhein zurückgegangen und hier angekommen sind.

Den darauf erfolgten Eisgang, die nachher gemachten Übergangs- und Verteidigungsanstalten der Franzosen und Kaiserlichen, deren Erpressungen, abermaliges Zufrieren des Rheines nebst großer Wassernot, ungeheuere Stürme, Teuerung, endlich Frieden und Abzug der Franzosen.

Im Jahre 1794, den 9. Oktober ging die kaiserliche Armee nach langen und blutigen Schlagen zu Köln über den Rhein zurück und dehnten sich zugleich längs des Rheines aus, worauf wir den ersten Sonntag im Oktober die ersten kaiserlichen Truppen ins Quartier bekamen.

Den 5. erschienen die Franzosen am Rhein, fingen sogleich das Bombardement der Stadt Düsseldorf an, welches 5 Stunden dauerte, wodurch das Schloß und viele Hauser in die Asche gelegt wurden, welches die Einwohner in Schrecken versetzte, daß sie alle sowie auch die pfälzische Besatzung, die Stadt verließen, bei welcher Gelegenheit sich die Kaiserlichen vieler Sachen der Einwohner bemächtigten und wegraubten. Morgens bei Tagesanbruch stellten die Franzosen das Feuer ein und die Einwohner kehrten zum Teil wieder in die Stadt zurück.

Da nun hier in Mündelheim wegen dem Laufe des Rheines die beste Position war, wo die Franzosen einen Übergang über den Rhein wagen konnten, so wurden hier von Kaiserlichen alle Verteidigungsanstalten getroffen. Man fing an Batterien aufzuwerfen, wozu die hiesigen und umliegenden Einwohner, u.a. aus Ehingen, in Beschlag genommen wurden. Erst wurden von beiden Seiten des Dammhauses Batterien in den Gang gegraben, desgleichen wurden deren in den Schlechten, auf dem Grund und auf den Gansackern aufgeworfen.

So wurde auch ein Laufgraben von den sogenannten Dammkaulen über den Hasselberg, längs der Ehinger Heide, der Kämpges und Baumgarten, uber das Ortgen bis an dem Reimel aufgeworfen. Ebenso eine Batterie auf dem Hasselberg, eine auf dem Ellerhofs Hofacker, eine in Schwarzenbergskämpchen und eine in der Spitze des Hahnenbaumgarten.

Dort wo der Laufgraben durch den neuen Weg verlauft, den Fischerpfad und den Sandweg, wurden Spanische Reiter aufgestellt, welche, anstatt einer Barriere, zur Abwehr der Kavallerie dienten.

Nachgehend fingen die Kaiserlichen an, alle Weiden und Ballweidenbäume in den Peschen und Schlechten, abzuhauen und zwar alle ein Paar Fuß über der Erde sowie auch desgleichen alle um die Peschen und dem Reimel sich befindenden Dornenhecke, weil nach ihrem Befinden solche in ihren Stellungen hinderlich waren und kein Schußfeld boten.

Es war ein phantaler Anblick, wenn man zusehen mußte, dass die Baume, welche die Einwohner in einem Zeitraum von langen Jahren hatten suchen emporzubringen, jetzt auf einmal und zwar so unnötig zugrunde gerichtet wurden. Jedoch man sagt es ist Krieg und im Krieg muß es verdorben sein.

Allein man war noch nicht am Ende und die Zeit lehrte uns, daß der leidige Krieg noch andere Übel mit sich führte, denn während der Zeit waren die Hauser entsetzlich mit Einquartierung. Belästigt, so daß anfangs die Häuser mit vier oder fünf Mann, später, wie auch unser Hof, mit 25 bis 30 Mann belegt waren. Man war ihnen gegenüber, wie es hieß, nichts. als Feuer und Licht schuldig. Wer aber alle Tage keinen Krieg in seinen Häusern haben wollte, der sah sich wohl genotigt, ihnen täglich Essen zu geben.

Da im Herbst die Arbeit immer stärker fortgesetzt wurde, ,so ward das Dorf auch noch immer mehr mit Soldaten angefüllt, so daß in verschiedenen Häusern, so geräumiger Platz war, mit 0 bis 100 Mann belegt. So lagen z.B. auf Reuters Hof 150 Mann.

Nun fing es den 20. Dezember an zu frieren und es war eine bittere Kälte bis zum Ende des Jahres.

Am 9. Januar 1795 war der Rhein zugefroren und stand bis zum 28. Januar.

Als dann taute es auf, das Wasser lief ins Feld und machte dem Unwesen der Kaiserlichen einstweilen ein Ende, welche auch nach langem Aufschieben endlich selbst von hier räumen mußten, nachdem das Wasser schon so hoch stand, dass man sie mit Karren herausführen mußte.

Da das Wasser ins Feld laufen konnte, hatte Sich der Rhein wieder gesetzt und gestanden bis den 8. Februar. Als dann ist er losgegangen. Das Wasser hat so hoch gestanden, daß es eine Stunde lang über den Kamm gelaufen, viel Schaden in Feld und Wiesen angerichtet und die abgehauenen Wald- und Weidenbäume, welche man wegen so häufigem Vorspann für die Kaiserlichen nicht hatte nach Hause führen können, wurden alle von dem Eis mit fortgerissen.

Nach Ablauf des Wassers hat die Einquartierung wieder fortgedauert. Den Winter hindurch regierte hier eine furchtbare ansteckende Seuche, daß mehr denn 40 Junge und Alte weggerissen wurden.

Im Frühjahr stiegen die Preise der Frucht auf einen außerordentlichen Preis, so daß das Malter Hafer im Monat Mai schon 14 Reichstaler kostete, das Malter Weizen 30 Reichstaler, der Roggen 24 Reichstaler, das Malter Kartoffel 17 Reichstaler und 2000 Pfund Heu 60 Reichstaler. Ein 14pfündiges Brot kostete einen Reichstaler und 15 Stüber.

Die Einquartierung dauerte noch immer fort. Die Felder waren durch die hier liegende Kavallerie entsetzlich abfouragiert. Im Juli wurde von den Kaiserlichen auf dem Ehinger Berg ein Lager von etwa 1000 Mann bezogen. In Ehingen selbst lagen verbündete Truppen in den Häusern.

Im August wurde im Kalkumer Feld ein Lager von 10.000 Mann bezogen, worunter 2 Regimenter Kavallerie waren. Das Lager auf dem Ehinger Berg wurde noch verstärkt mit 1000 Mann, welche eine Linie von dem Buschweg über den Ehinger Berg bis an den Lindenweg formierte.

Inzwischen war der Vorspann für die Truppen ungemein stark , so daß verschiedene Tage 15 bis 20 Pferde hier aus dem Dorf im Einsatz waren, wobei öfters die Knechte noch Prügel bekamen.

Es mußten auch täglich eine ungeheuere Menge Holz aus dem Busch nach denen am Rhein stehenden Picketwachen sowie auch nach dem Lager geführt werden.

Wir haben als dreimal in einem Tage nach dem Lintorfer Gemark fahren müssen, um Holz ins Lager zu fahren.

Wollte man sich in die Keller flüchten, so mußte man befürchten, darin zu ersticken. Wollte man aus dem Dorfe fliehen, so stand Gefahr, auf dem Feld erschossen zu werden, in dem die Batterien, welche gegen Rheinheim und Ehingen lagen, das Dorf gänzlich überkreuzten. Es war nichts mehr übrig als sich dem Willen dessen zu ergeben, der es über uns so verhängt hatte und der es dabei sonderlich fügte, daß kein Haus in Brand geriet und auch keine Menschenseele ums Leben kam.

Ungeachtet dessen, daß die Kugeln in viele Hauser fielen und verschiedenes Vieh blessierten. So wurde das Dämmhaus von mehr als 100 Kugeln durchlöchert, desgleichen der Hof auf dem Grund, wobei 2 Pferde getötet wurden. An dem Klosterhof wurde auch ein Pferd von einer im Stall gesprengten Haubitze stark blessiert.

Im Pastorat wurde ein Schwein wie auch hier auf dem Heisterhof eins getötet.

In unserer. Scheune fiel eine Haubitze nieder und zerplatzte unter Korn und Hafer auseinander und hatte einen großen Raum schwarz darunter verbrannt. Die Vorsehung Gottes und die naß eingescheuerte Frucht hatten zum Gluck das Feuer erstickt.

Die Kirche, worauf nach Aussage französischer  Artillerieoffiziere allein 50 Schüsse aus einer Kanone auf der Drapinsel abgefeuert wurden, erhielt nur einen Treffer durch eine 4-pftündige Kugel, die am Fenster des Schiffes einschlug.

Nach Eingeständnis der Franzosen sollen deren 1200 Kugeln herübergeschossen worden sein.

Während dieser Kanonade setzen die Franzosen gegen Uerdingen mit kleinen Pontons über und durch das diesseitige Gewehrfeuer der Kaiserlichen zurückgewiesen.

Viele Pontons wurden durch das diesseitige Kanonenfeuer in den Grund gebohrt, wobei viele Franzosen - im Rhein ersaufen mußten.

Inzwischen, da dieses vorging, hatten die Franzosen des abends 10 Uhr eine Division yon 1.800 Mann am Eichelskamp mit Pontons und anderen Fahrzeugen hinüber gesetzt, welchen Posten die Kaiserlichen nicht besetzt hatten, indem die Preußen dafür garantiert hatten, diese Stelle zu besetzen. Die Franzosen wurden verräterischer Weise und zwar, wie es hieße, für eine große Summe Geld, durchgelassen.

Die Franzosen, welche im Gebüsch waren, hielten sich anfangs geheim bis sie um 2 Uhr morgens, nachdem hier das Kanonenfeuer immer noch dauerte, die 300 Mann die an der Spicken (Steinernes Kreuz in Huckingen) stehenden Kaiserlichen, anzugreifen.

Man konnte hier das Gewehrfeuer deutlich hören. Die Kaiserlichen wehrten sich tapfer und schlugen die Franzosen in den Wald zurück, wobei deren viele getöet und blessiert wurden.

Wenn sie stark genug gewesen waren, sie zu verfolgen, würden sie die Franzosen in den Rhein gesprengt haben. Die Franzosen fingen als dann an durch den Wald aufwärts zu marschieren und die ganze kaiserliche Armee zu umgehen, wodurch die Kaiserlichen sich genötigt sahen, zu retirieren.

Dieses geschah durch Huckingen bis an den Kesselberg, wo sie sich wieder setzten, bis sie all hier am Rhein stehenden Truppen davon benachrichtigt hatten und den Befehl erhielten, sich zurückzuziehen.

Die Franzosen setzten allhier die Kanonade bis des morgens um 6 Uhr fort und schon sah man die Franzosen in breiter Front über den Ehinger Berg anrücken, die einzeln hier ins Dorf kamen. Immer noch feuerten die von der anderen Seite herüber, bis die Franzosen einen Tambour an den Rhein schickten, welcher das Zeichen zum Aufhören gab.

Die am Rhein stehenden Kroaten zogen Sich in aller Eile längs dem Damm hinauf zurück. Die Franzosen waren schon in den Dongen und rückten auf Serm vor. Bald erschien ein Detachement kaiserlicher Ulanen diesseits Serm, worauf sich die Franzosen eilends auf den Ehinger Berg retirierten.

Als dann rückten die Franzosen bis ins Wittlaerer Feld vor, wo sie auch die Nacht campierten.

Die Franzosen gingen nun auch gegen Uerdingen vor, wobei sie in alle Hauser fielen und alles plünderten, was sie fanden. Solches dauerte 2 bis 3 Tage, bis alle Häuser leer waren.

Nach 3 Tagen war eine stehende Brücke von großen holländischen Schiffen gegen Uerdingen fertig, worüber Infanterie und Kavallerie marschierten.

Da die Franzosen des nämlichen Tages, wie sie herüber gekommen waren, auch über Düsseldorf einmarschierten und diese Stadt des morgens um 3 Uhr besetzt hatten, so sehen die Kaiserlichen sich genötigt, eilends zu retirieren, wobei ihnen die Franzosen immer auf dem Fuße nachsetzten.

Die nahmen mit, was sie kriegen konnten und an verschiedenen Stellen dergestalt hausten, daß mancher genötigt war, sein Haus und Hof zu verlassen.

Die Pferde wurden überall mitgenommen und-zum Anspann und Reiten gebraucht, wobei aus Mündelheim 16 Pferde ausblieben und verloren gingen.

Es mußten auch dreimal alle Pferde aus dem Amt nach Ratingen gebracht werden, wo sie gemustert und vor die Kanonen gespannt wurden. Aus unserem Dorf konnten keine geschickt werden, weil alle Pferde in Anspann waren.

Des dritten Tages nach dem Übergang wurde hier eine Kompanie Franzosen einquartiert und anfingen, die von den Kaiserlichen gemachten Batterien wieder einzuwerfen, wozu das Amt die Leute zur Arbeit hergeben mußte.

Auf diese Art wurden alle Verschanzungen, zum Glück der hiesigen Bewohner, wieder alle gleich gemacht.

Nun fingen die Franzosen an, Kontributionen und Requisitionen aufzuschlagen. So muße die Honschaft Mündelheim-Ehingen liefern: 5 Kühe, 7 Schafe, 31 Ltr. Weizen, 31 Ltr. Roggen, 31 Ltr. Gerste, 26 Ltr. Hafer sowie Heu und Stroh.

Dies war nun der Willkommensgruß nebst einer Kontribution von 509 Reichstaler auf die hiesige Honschaft, welches sofort bezahlt werden mußte. Zusätzlich mußten 5 Kühe, 6 Schafe, 3 Malter Hafer, 300 Rationen Heu ebenso Stroh und Brot nach Gerresheim abgeliefert werden.

Am 1. November kam das Gerücht, daß die Kaiserlichen nicht weit entfernt seien. Die Franzosen gerieten in solcher Bestürzung, daß sie die hier gegen Uerdingen stehende Brücke in aller Eile abtrugen und die darunter liegenden Schiffe nach Holland schickten.

Die Franzosen, welche bis Mainz vorgerückt waren, wurden von den Kaiserlichen geschlagen, die Hals über Kopf bis Düsseldorf liefen, wo die Armee über den Rhein zurück ging und nur Düsseldorf besetzt hielten. Die Kaiserlichen rückten jedoch nicht nach und blieben oben zu Mündelheim stehen.

Da die Franzosen nun sahen, daß für sie keine Gefahr mehr bestand, kamen wiederum nach diesseits, besetzten Düsseldorf stärker und fingen an, es stärker zu befestigen, wozu die Honschaft täglich 10 Mann stellen mußte.

Nun fingen sie auch neue Erpressungen an, es mußten z.B. wiederum eine Kontribution von 600.000 Livres gezahlt werden, wovon Mündelheim 509 Reichstaler abzuführen hatte sowie auch 8 Kühe, 1.000 Rationen Heu und einige Malter Hafer.

Bis zum Ausgang des Jahres wurde alsdann ein Waffenstillstand geschlossen, welcher bis den letzten Mai festgesetzt wurde.