Essen wird preußisch

Am 03.08.1802 nahmen 2 preußische Kompanien die geistlichen Besitztümer Essen und Werden in Besitz. Auf Befehl des preußischen Gouverneurs von Münster, Generalleutnant Gebhard Leberecht von Blücher, sollten diese bei der Inbesitznahme mit äußerster Bescheidenheit vorgehen. Die Soldaten entwaffneten die fürstlich-essendische Armee, die aus 11 Männern bestand, und entfernte alle alten Hoheitsabzeichen an öffentlichen Gebäuden und brachte dafür den preußischen Adler an.

Bereits in einer Geheimklausel des Sonderfriedens von Basel im Jahre 1795 wurde Preußen eine Entschädigung für eventuelle endgültige Landverluste auf der linken Rheinseite eine Entschädigung in Aussicht gestellt.

Am 09.02.1801 wurde im Frieden von Lunéville der 1. Koalitionskrieg beendet und die linksrheinischen Gebiete gingen endgültig in französischen Besitz über. Gleichzeitig wurde mit dem Frieden von Lunéville das Ende des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation eingeleitet. Die Entschädigung der weltlichen Herrscher sollte auf Kosten der geistlichen Herrscher erfolgen. Napoleon wollte auf diese Weise auch die Stellung des deutschen Kaisers Franz II. erheblich schwächen. Im Reichsdeputationshauptschuss vom 25.02.1803 wurden bis auf wenige Ausnahmen alle geistlichen Fürstentümer aufgelöst. Den neuen Landesherren war eine Verwertung des kirchlichen Besitzes in ihren neuen Gebieten gestattet mit der Maßgabe, dass aus dem Beschlagnahmten Vermögen der Gottesdienst und die bischöflichen Behörden zu finanzieren seien.

Preußen wurden von den 90.000 Quadratkilometern herrenlosen Landes die Bistümer Hildesheim und Paderborn, die Stadt Münster  mit dem östlichen Teil des Bistums, die Städte Erfurt, Mülhausen, Nordhausen und Goslar sowie die Reichsabteien Herford, Quedlinburg, Elten, Essen und Werden zugesprochen. Von den 600.000 neuen preußischen Untertanen trafen 13.000 auf das Land Essen und 7.300 auf das Land Werden. Von diesen wohnten 3.519 Neu-Preußen in Essen, 2.454 in der Stadt Werden und 1.459 in der Stadt Steele.

Obwohl die Reichsdeputation diese Gebiete erst im Jahre 1803 zusprach, erfolgte die Besitznahme mehrere Monate vor der offiziellen Bekanntgabe der Regensburger Entscheidung. Da die Rechtsgrundlage nach dem Reichsgesetz sehr fragwürdig war, legte der Abt des Reichsstiftes Werden Beda Savels feierlich Protest ein und die Essener Fürstabtissen Maria Kunigunde flüchtete bereits im Jahre 1794 nach Augsburg. Sie lies sich von Preußen eine lebenslange jährliche Abfindung von 6.000 Talern bestätigen.

Am 13.04.1803 wurden die Essener Kapitel der Stiftsdamen und der Kanoniker durch eine preußische Kabinettsordre aufgehoben und die Stiftsgüter der preußischen Kriegs- und Domänenkasse in Hamm unterstellt. In den Allgemeinen politischen Nachrichten war dazu zu lesen:

Essen, den 5, Mai. Unter 2. d. M. wurde von der hier anwesenden Königlichen Spezial-Kommission, zuerst der versammelten gräflichen Domkapitel und hiernächst dem zusammenberufenen Kanonichen-Kapitel, bekannt gemacht, dass des Königs Majestät, in Gemäßheit der Allerhöchst demselben nach dem Reichsfriedensschluss vom 25. Februar zustehenden Disposition, beide Kapitel aufzuheben beschlossen hatten, jedoch dergestalt, dass die jetzigen Mitglieder derselben zeitlebens in dem Genuss ihrer bisherigen Einkommen verbleiben würden.

Die Fürstabtissen von Essen, Prinzessin von Polen und Litauen, Herzogin von Sachsen starb im Alter von 86 Jahren anno 1826 in Dresden.

Der Abt von Werden, der im Jahre 1828 in Düsseldorf verstarb, erhielt eine jährliche Pension von 3.000 Talern und seine Mönche von 350 Talern und gleichzeitig das Recht, weiterhin im Abteigebäude wohnen zu dürfen. Die Grabstätte des letzten Abts von Werden ist leider bis heute nicht bekannt.

Die abteiliche Residenz stand, nachdem die preußische Verwaltung das zum Teil sehr kostbare Inventar versteigert und die kostbarsten Bände der Klosterbibliothek nach Münster brachte, bis zum Jahre 1811 leer. Dann nutzte der preußische Staat das Gebäude für mehr als 100 Jahre als Zuchthaus. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Folkwang-Musikschule in Essen ihren Sitz in der ehemaligen Abteilichen Residenz.

Kaum eine Veränderung, die die neuen Herren in den ehemaligen geistlichen Gebieten durchführten kam bei der Bevölkerung an. So war der Bürgermeister und Magistrat von Essen darüber verärgert, das sie nach dem sehr harten preußischen Reglement zunächst arbeiten mussten. Die fälligen Neuwahlen wurden verweigert und 1804 wurden sie durch preußische Beamte ersetzt.

Große Verärgerung zogen sich die neuen Herren aber auch bei den Gewerken und Knappen des Bergbaus zu. So brachte die Einrichtung eines Bergamtes im Jahre 1803 in Essen und die Verlegung des Oberbergamts von Wetter nach Essen auch die Einführung der preußischen Bergordnung von 1766 mit sich. So beschränkte die preußische Bergordnung das Recht des Unternehmers über die freie Verfügung über die Zechen. Der Staat überwachte den technischen Grubenbetrieb und revidierte das Rechnungswesen. Des weiteren wurde eine Kohlentaxe festgesetzt und die Bergleute mussten eine Abgabe zur Knappschaftsversicherung entrichten. Obwohl die Einführung der Knappschaftsversicherung im Interesse der Bergleute war, stieß diese Veränderung auf Ablehnung und wurde mit Zwang durchgesetzt.

Die einzige Maßnahme, die die Zustimmung der Bevölkerung fand, war die bereits in der Vergangenheit oft angestrebte Anbindung an den Postkurs Wesel - Berlin. Mit den neuen Machthabern wurde diese für die Wirtschaft notwendige Verbesserung verwirklicht.

Die preußische Herrschaft dauerte nicht lange. Bereits am 28.03.1806 endete sie durch die Besetzung der preußischen Territorien Essen und Werden durch französische Truppen unter Befehl Joachim Murats, der die Rohstoffe der Region seinem Großherzogtum Kleve-Berg einverleiben wollte. Dieser Schritt des Großherzogs Joachim I. Murat erfolgte übrigens gegen den Willen Napoleons, der zu diesem Zeitpunkt nach an guten Beziehungen mit Preußen interessiert war.


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