Die Erlebnisse des Friedrich Harkort während der Befreiungskriege

Im Oktober 1813 - nach der Völkerschlacht in Leipzig - zogen sich die Franzosen aus der Mark zurück. So passierte am 30.10.1813 König Jérôme, der Bruder Napoléons, Hagen und Anfang November folgten ihm die Russen. Diese hausten auch auf dem Gut der Unternehmensfamilie Harkort bei Hagen.

Bereits am 09.11.1813 rief Major von Armin zur Aufstellung eines Freiwilligenbataillons auf, Am 23.11.1813 erließ ein Ausschuss unter Vorsitz des Freiherrn von Vincke die näheren Bestimmungen zur Aufstellung dieser Freiwilligenverbände. Diesem Ausschuss gehörte Freiherr  von Vincke als Zivilgouverneur für die besetzten westfälischen Gebiete an, weiterhin gehörten auch Freiherr von Romberg, ehemaliger Marie des Ruhr-Departements an während Major Köhn von Jasky für die organisatorische Aufstellung der Freiwilligen verantwortlich zeichnete.

Die Aufstellung der Einheiten ging sehr rasch. So meldeten sich alleine für das Hagener Bataillon fast 600 Freiwillige und nur wenige Wochen später standen über 3.300 Landwehrmänner bereit.

In Hagen hatten sich bereits die Brüder Friedrich (1793-1880) und Gustav Harkort (1795-1865) freiwillig gemeldet. Da ihre Eltern eine gewisse gesellschaftliche Stellung einnahmen wurden die jungen Männer trotz ihrer fehlenden militärischen Ausbildung als Offiziere eingestellt. Dies war, vorbehaltlich der königliche Genehmigung, in der »Verordnung über die Organisation der Landwehr« vom 17.03.1813 möglich.

Ohne Waffen, aber schon mit Mänteln versehen, marschierte das 1. westf. Landwehrbataillion nach Zütphen. Dort erhielten sie ihre Landwehrmontur. Eine blaue Litewka mit grünen Kragen und Aufschlägen nachgesandt während sie durch englische Substitutsleistungen bewaffnet wurden. Und ohne Ausbildung fanden sie als Belagerungstruppe der Festung Deventer Verwendung, wo die ersten Verluste eintraten. In einen Brief an seine Mutter schrieb  Friedrich Harkort:

Unser Soldatenleben gefällt mir recht gut, obwohl viel Mühe und Arbeit uns täglich begegnen. Einer wird vom anderen geschoren, dies ist ein großer Trost im Dienst; so kann man gemeinschaftlich über kleine Umfälle lachen. Heute mir, morgen Dir.

Bei allem militärischen Aufgaben vergaß Harkort seine anderen Interessen nicht, So bildete er sich im Feld intensiv über die holländische Lohgerberei, Bienenzucht oder Tabakanbau weiter.

Auf dem Rückmarsch und in der Ruhestellung wird Harkorts Abneigung gegen das militärische deutlich. So schrieb er in einem Brief an seine Verlobte, das seine Abneigung gegen alles militärische täglich größer werde. Für den jungen Mann war der Friedenssoldat eine unbedeutende Figur. Vielmehr stünde sein Sinn nach Heimat und Eigentum.

Gerade an dieser Stelle wird deutlich, was nicht nur für den jungen Harkort gilt, sondern für viele ehemalige Freiwillige gelten könnte. Sie zogen nicht aus Freude am Krieg oder Soldatentum ins Feld sondern eher aus einer gewissen bürgerlichen Verpflichtung. Diese Verpflichtung sahen sie durch ihren Kriegseinsatz erfüllt und wollten sich nicht in eine größere Masse einbinden lassen. Vielmehr wären diese eigensinnigen Menschen eher als Freischärler statt Soldaten geeignet.

Am 09.05.1814 zog sich das 1, westfälische Landwehrbataillon zurück und in Kleve paradierte es vor dem Prinzen von Hessen-Homburg, ehe es Anfang Juni für kurze Zeit zur Besatzung von Wesel gehörte. Schon am 23.06.1815 marschierte es von Wesel nach Dortmund, wo es jubelnd begrüßt wurde. Doch die Gebrüder Friedrich und Gustav Harkort wurden noch nicht entlassen und gingen in Altena und Iserlohn in Garnison. Friedrich Harkort genoss das Leben  - als gefeierter Kriegsheld - denn in der Garnison war für die Landwehrmänner nichts zu tun.

Vater Harkort versuchte bei Militärgouverneur von Heise auch - nachdem er für seinen Sohn Georg eine unbefristete Beurlaubung erreichen konnte - dies für Friedrich zu erwirken. Doch bevor dieses Gesuch entschieden wurde, wurden die Männer erneut zu den Waffen gerufen: Napoleon ist von Elba zurückgekehrt und marschierte auf Paris.

Im März 1815 wurde die Brigade Steinmetz, zu der auch Harkorts Kompanie gehörte, nach Wesel kommandiert wo das Regiment am 15.04.1815 über den Rhein ging. Bereits 3 Tage später wurde das Regiment von Blücher besichtigt und traf weitere 9 Tage später in seinem belgischen Bereitstellungsraum bei Chaleroi, dem äußersten rechten Flügel des preussischen Heeres, ein. Am 06.05.1815 schrieb Friedrich Harkort an seinen Vater:

Jeden Augenblick erwarten wir den Befehl zum Aufbruch und zwar mit Freuden, denn es ist ärgerlich, das gelobte Land nicht betreten zu dürfen?

Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn am 24.05.1815 schrieb er seiner Braut Auguste Luise Mohl:

Noch immer tiefste Waffenruhe! Ich liege hier ganz allein auf der äußersten Grenze mit einer halben Kompanie und schreibe aus Langeweile Epigramme. Schon seit länger als 3 Wochen sind wir weder Tag noch Nacht aus den Kleidern gekommen und jede Nacht ist mein Hauptquartier eine Scheune. Sonst viel Dienst, kein Feind, schmale Küche und wenig Geld ? sind das nicht tröstliche Aussichten?

Dieser Zustand hielt noch bis zum 14.06.1815 an, als die preußische Armee durch Kanonenschüsse von der Ankunft Kaiser Napoléons erfuhren. Die Führung um Blücher und Gneisenau dachte noch nicht an einen raschen Angriff. Der Angriff Napoléons erfolgte jedoch schon am kommenden Morgen und richtete sich zunächst gegen die westfälische Landwehr, die bisher noch nicht im feindlichen Kugelhagel gestanden hatte, die der französischen Übermacht weichen musste.

Friedrich Harkort, obwohl selbst durch 2 Kugeln an Brust und Oberschenkel verwundet war, brachte noch die letzten Nachzügler des Bataillons in die Auffangstellung zurück. Doch musste er sich von dort aus in das Lazarett begeben. Vom Schlachtfeld aus wurde der Verwundete von Namur über Maastricht nach Aachen gebracht. Dort wurde er von Freunden und Verwandten unterstützt. So konnte er schon am 29.06.1815 seine Genesung bekanntgeben.

Über den Fall von Paris schrieb der Kriegsverwundete Harkort:

Endlich ist das Ziel unserer Wünsche erreicht und Paris zum zweiten Male in unserer Gewalt. Da nun das Privateigentum gesichert worden, so wird man jetzt hoffentlich nicht allein das Geraubte wieder einpacken, sondern alles, was nagellos ist, dazu. Ein elenderes Possenspiel wie das der Franzosen neuerer Zeit ist wohl nie gesehen worden. Die Helden von Marengo und Austerlitz werden endlich ihren Stolz müssen fahren lassen? Wenn jetzt nur der tausendjährige Frieden seinen Anfang nähme.

Das er keinen Anteil am preußischen Sieg gegen Frankreich mehr nehmen konnte, schmerzte den jungen Friedrich Harkort sehr. Erst im September 1815 konnte er zu seinem Regiment, das an der Belagerung der Festung La Fére teilnahm, zurückkehren. Dieser Dienst, überwiegend Wachdienst, führte zu Konflikten zwischen aktiven und den ungedienten Landwehr-Offizieren. Der Dienst machte ihm keinen Spaß mehr. Einzige Freude war die Freude seiner Soldaten, nach seiner Rückkehr. Ende Oktober 1815 marschierte das Regiment zurück in die Heimat und wurde dort demobilisiert.

Am 31.12.1815 erhielt auch der junge Friedrich Harkort seinen Abschied, blieb jedoch bis 1832 noch als Reserveoffizier der Landwehr aktiv. Im Jahre 1819 wurde er zum Premierleutnant und 1829 erfolgte die Ernennung zum Hauptmann der Landwehr. Nach seinem Ausscheiden aus dem Reserveoffizierskorps der Landwehr wurde ihm das Recht gewährt, weiterhin Uniform tragen zu dürfen.

Für seinen persönlichen Einsatz im Eröffnungsgefecht des Jahres 1815 wurde ihm am 02.10.1815 das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen.

Die Jahre 1813 bis 1815 haben später den Unternehmer und Sozialpolitiker Friedrich Harkort geprägt. So festigte er in dieser Zeit die absolute Treue zum Vaterland und preußischen Königshaus aber auch sein forderndes selbstbewusstes bürgerliches Gedankengut. Jedoch scheiterte auch an diesen Gegensätzen der Politiker Harkort.


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