Die Belagerung von Cosel 1807
von Dr. Frank Bauer
Nach der Niederlage von Jena und Auerstädt
Nach den Schlachten von Jena/Auerstedt und den feigen Kapitulationen wichtiger preußischer Festungen wie Erfurt, Minden, Küstrin oder Magdeburg lag Preußen faktisch schutzlos vor Napoleon. Ohne nennenswerten Widerstand zu finden ergossen sich die französischen Armeen bis an die Ufer der Weichsel, wo sich die Russen mit den restlichen preußischen Truppen vereinigen sollten.
Schlesien blieb zunächst auf dem rechten Flügel der Feinde unbeachtet. Durch 8 Festungen und das Gebirge geschützt, konnte es mit seinen reichen Hilfsmitteln und seiner königstreuen Bevölkerung aber leicht zur Gefahr für die vorrückenden napoleonischen Truppen werden. Aber auch hier war nur wenig an Kriegsvorbereitungen geschehen. Noch nicht einmal 20.000 Mann standen in den 8 Festungen, davon die meisten Soldaten, die jede Gelegenheit nutzten, um zu desertieren. Nur auf wenige war Verlass. Die Festungen selber waren meistens in schlechtem Zustand. Die Werke waren teilweise verfallen, die Ausrüstung mit Geschützen unvollständig, Lebensmittel nur unzureichend vorhanden. Die Depots und Montierungskammern waren in den offenen Städten geblieben, denn niemand hatte damit gerechnet, dass die Feinde bis nach Schlesien vordringen könnten.
Theoretisch wäre bei einem raschen und energischen Handeln ein Nachholen des Versäumten möglich gewesen. Aber es fehlte an einer entsprechenden energischen Führung. Die damaligen Männer an der Spitze Schlesiens versagten fast alle. König Friedrich Wilhelm III. hatte am 25. 10. 1806 befohlen, die Festungen unverzüglich instand zu setzen. Aber Generalmajor von Lindener als Brigadier der schlesischen Festungen versagte.
Von Breslau eilte Götzen dann nach Neiße, um hier die Aufstellung von Reservetruppen zu leiten und die Verproviantierung der Festungen anzuordnen. Dann kehrte er nach Cosel zurück, wohin er eine Versammlung der Landstände und Steuerräte einberufen hatte. Ihnen erläuterte er seine Maßnahmen und fand volles Verständnis. Von Cosel aus gab er den Befehl über drei neugebildete Kavallerieabteilungen an Major von Rumpf mit dem Auftrag, das rechte Oderufer vor den Streifzügen der polnischen Insurgenten zu schützen, was in kurzer Zeit auch gelang.
Napoléon erkannte die ihm von Schlesien drohende Gefahr für seine rechte Flanke und beauftragte seinen Bruder Jerome und später den General Vandamme mit der Eroberung dieser preußischen Provinz. Bereits am 06.11.1806 rückten die Feinde in Schlesien ein.
Auf die Nachricht hiervon floh der Minister von Hoym aus Breslau nach Oberschlesien. Ganz anders zwei Brüder, die Freiherrn Heinrich und Ernst von Lüttwitz, die zum König eilten und ihn auf die Bedeutung Schlesiens hinwiesen. Daraufhin wurde der Fürst Ferdinand zu Anhalt-Pleß zum Generalgouverneur von Schlesien ernannt und ihm Graf von Götzen zur Unterstützung beigegeben. Ein Schreiben Friedrich Wilhelms III. vom 24.11.1806 rief alle Kommandeure der schlesischen Festungen zum ausdauernden Widerstand auf.
Nun begann eine energische und planvolle Tätigkeit, um noch zu retten, was zu retten war. Die Seele des Widerstandes war Graf von Götzen, der im Mai 1807 selber zum Generalgouverneur ernannt wurde. Auf Umwegen, um den vom polnischen Aufstand erfaßten Gebieten zu umgehen, war er am 01.12.1806 in Cosel eingetroffen. Hier erhielt er vom Kommandeur der Festung, Oberst von Neumann, eine genaue Darstellung vom Zustand der Provinz Schlesien: Die Festungen wären nur notdürftig mit Lebensmitteln versehen, nur gegen einen Handstreich gesichert und kaum die nötigen Gelder für eine nachhaltige Verbesserung dieser Situation vorhanden. Es fehle an Geschützmaterial und Munition. Der Patriotismus der Schlesier sei auf jede Art niedergedrückt worden, die Rekruten wären entlassen, die Versprengten des Heeres abgewiesen worden. Die Kavalleriedepots liefen ohne jede Anweisung, nur durch Gerüchte erschreckt, im Lande umher und hätten das rechte Oderufer ganz verlassen und dadurch Schlesien bis an die mährische Grenze den Plünderungen unbedeutender bayerischer und polnischer Insurgententrupps preisgegeben.
Graf von Götzen befahl nun, dass alle Kavallerie-, Train- und Artilleriepferde, die sich östlich der Oder befanden, in die Nähe von Cosel zu bringen seien, um dort die brauchbaren auszusuchen. Er ordnete die Aushebung und Ausrüstung von Rekruten an. Dann ging er nach Breslau, um von dort aus weiter zu handeln und rief alle Schlesier in einem Aufruf zum energischen Widerstand auf.
Inzwischen rückten die Franzosen in Schlesien vor. Glogau, damals Sitz der Regierung, hatte als Übergangspunkt über die Oder zwar starke Befestigungen, fiel aber nach drei Wochen Widerstand bereits am 3.12.1806. Breslau ergab sich kurz danach am 5.1.1807, trotzdem Götzen einen Entsatzversuch unternommen hatte. Wenige Tage später fiel am 16.1.1807 die Festung Brieg. Am 23.1.1807 standen die Feinde vor Cosel. Zur gleichen Zeit wurden Schweidnitz und Neiße eingeschlossen.