Schreiben von Marian Koller an H.C. Schumacher

vom 18.05.1830

Ich mache mir die Freiheit, Ihnen den schmerzlichen Verlust zu melden, den unsere Sternwarte durch den am 29. April d.J. erfolgten Tod ihres Vorstehers Bonifaz Schwarzenbrunner erlitten. Da sie in näherer wissenschaftlicher Verbindung mit dem Verstorbenen standen, und viele seiner Beobachtungen und Berechnungen in ihre astronom. Nachrichten aufzunehmen die Güte hatten, so hoffe ich Ihrem eigenen Wunsche zu entsprechen, wenn ich einen kurzen Umriß seines Lebens hier beifüge.

Der Verblichene war in Garsten (nächst der Stadt Steyr, im Traunkreise, Oesterreich ob der Ems) den 25. Jäner 1790 geboren. Nachdem er sowohl die deutsche und Gymnasialklasse als auch die philosophischen Studien an den hiesigen Lehranstalten mit ausgezeichneten Fortschritten zurückgelegt hatte, trat er in unser Stift, und stand den 17. Jäner 1813 als neugeweihter Priester vor dem Altar. Noch ehe er die Priesterweihe empfangen, übertrug ihm der Stiftsvorsteher, die Talente des jungen Mannes gehörig würdigend, das Lehramt der Mathematik und der griechischen Sprache am hiesigen Gymnasium. Ueber seinen Eifer und seine Geschicklichkeit, die er in dieser Stelle zeigte, herrscht nur eine Stimme. Die besondere Vorliebe zu den mathematischen und verwandten Wissenschaften, die er schon früh, wie seine hinterlassenen Papiere zeigen, gefaßt hatte, berief ihn bald zu einem höheren Wirkungskreise. Mit dem Studienjahre 1816 wurde ihm die Lehrkanzel der Physik und Naturgeschichte an der hiesigen philosophischen Lehranstalt übertragen, die er bis 1825 inclusive, also durch 10 Jahre mit eben so vieler Liebe als Gemeinnützigkeit bekleidete. Nach dem am 18. April 1824 erfolgten Tode unseres verehrten Studienprodirectors und Astronomen Thaddaeus Derflinger zum Vorsteher der Sternwarte und Astronomen ernannt, sah er ein neues Feld des Forschens vor seinen Blicken sich entfalten, das seinem unermüdet thätigen Geiste reichliche Nahrung darboth. Was er in dieser Wirkungsspähre geleistet, können Sie besser beurtheilen und würdigen, als ich es zu thun im Stande wäre. Doch mitten unter seinen ehrenvollen Streben und Wirken überraschte ihn der Tod. Den 24. d.J. von einer heftigen Gehirnentzündung ergriffen ging er, ohngeachtet aller angewandten ärztlichen Hilfe, am obbenannten Tage, um halb ein Uhr morgens, in eine bessere Welt über. Schmerzlich fühlen wir alle den Verlust dieses Mannes, der durch seinen ausgezeichneten rechtlichen Sinn und edle Gemüthsart nicht nur die ehrenvolle Achtung aller genoß, die ihn kannten, sondern auch bei seinen unermüdeten Fleiße, seinen bisherigen Leistungen mit einem blühenden Alter verbunden zu großen Hoffnungen berechtigte.

Der Antrag, die Geschäfte der Sternwarte zu besorgen, ist nunmehr an mich und meinen Collegen Wolfgang Danner, Professor der Mathematik an hiesiger philos. Lehrantstalt, ergangen, und wir entschlossen uns dem Wunsche und Willen unsers Stiftsoberen zu entsprechen.

Marian Koller,
Astronom und Professor derPhysik

Quelle:
Astronomische Nachrichten Nr. 184, S. 315, Jg. 1830.


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