Abschiedsgesuch des Lützower Jägers Friedrich Ludwig Jahn

vom 16.06.1814.

Frankfurt am Main, den 16.Juni 1814.

 

 

In meinem heutigen Dienstschreiben habe ich mich zum Abschied gemeldet und das zur wirklichen Ausfertigung desselben um Urlaub nach Berlin gebeten. In diesen freundschaftlichen Briefe wiederhole ich beide Gesuche als dringende Bitten. Es ist wider meine wahre Bestimmung, bei Friedenszeiten in Kriegsdiensten zu bleiben. Ich kann in jeder anderen Wirksamkeit dem Vaterlande nützlicher werden. Auch ist ja noch niemals ein Frieden ewig gehalten und nur eine Auszeit zu neuem Kriege geworden.

Ich will mich wieder der Jugendbildung annehmen, wie zuvor und sehen, ob ich nicht Lehrer ziehen kann. wie vorher Schüler. Wir erleben doch noch mehr, als einen Aufruf zur Landwehr. Darin ist der Pariser Friede gut, dass er alles wach und lebendig erhält, keinen einschlafen lässt, weil niemand mit ihm zufrieden ist. Du hast mein früheres Leben gekannt, ich will es der Zeit gemäß wiederholen. Dazu kannst Du mir mit schneller Gewährung meiner zwei Bitten helfen.

Ich muss so ziemlich ganz von vorne anfangen. In meiner äußerlichen Lage bin ich wieder gerade so weit, wie am Ende des Jahres 1809, als ich zum Heimkehrfest unseres Königs in Berlin einwanderte. Auch damals wusste ich nichts über mein Unterkommen und Auskommen. So ist mir jetzt nicht im Mindesten wegen meines Fortkommens bange. Allein bin ich immer mehr wert als in Gemeinschaft, da werde ich schwach und nichtsnützig, sobald ich nicht verstanden werde, was doch [...] zu oft der Fall gewesen. Den Abend in [...] abgerechnet, habe ich im Korps wenige erhebende Augenblicke genossen. Es ist nicht Deine und meine Schuld. Aber dennoch ist mir bei aller Misshandlung und Verfolgung nie eingefallen, Dich zu verlassen. Ich habe blendende Anträge abgewiesen. Jetzt, da unsere Dienstverhältnisse aufhören, und uns nur Freundschaftsbande künftighin verknüpfen, will ich es sagen. Und wenn ich Dich einmal in Berlin spreche, sollst Du noch mehr hören, dass Du Dich wundern wirst. Hätte ich nur augenblicklich der beleidigenden Ehre, der gestörten Wirksamkeit Gehör geben wollen, so hätte ich mich vor langer - langer Zeit vom Korps trennen müssen. Hätte ich an mich selbst gedacht und an die Zukunft denken wollen, so hätte ich bei der ersten Anfeindung und Ränkespinnung einiger Tonangeber um meine Versetzung anhalten müssen. Ich habe ausgehalten und Dir wenigstens meinen Namen in der Liste gelassen, da ich nicht bei Dir sein konnte.

Ich gehe nach Berlin, um in dem großen Lebensgewühl [...] den Gram durch Tätigkeit zu verbannen und mit der Jugend noch einmal wieder zur Jugend aufzuleben. Ich gehe und sehe sauren Tagen entgegen, und freue mich darauf. Meine Wohlwoller sind versetzt und können für meine Bestrebungen nichts tun. Dagegen haben mehrere, so meiner früheren Tätigkeit äußerst abgeneigt waren, die Leitung der Behörden, welche darüber, dafür und dawider entscheiden können.

Andere Mitwirker leben anderswo in anderen Verhältnissen und die Gegenstreber haben Ihre Plätze, Posten und Stellungen eingenommen. Mein treusten Gehilfen und Zöglinge sind gefallen. Manche andere hat die Zeit entfremdet. Einige vergehen in der kriegerischen Äußerlichkeit und spielen sich um Leben und Liebe. Friesen ist tot.

Mir bleibt sein Gedächnis und die Pflicht, den Versuch zu wagen, das Leben meiner gefallenen Lieben mit einzuleben. Ich habe einen schweren Stand. Die Umbildung der Erziehung, die Begründung einer wahren Volkserziehung will ich durchführen. Mein früheres Wirken abgerechnet, so hat von 1810 an jeder Augenblick dem Vaterlande gehört. Die Menge im In- und Auslande, selber der Erzfeind, haben meine Bemühungen anerkannt, nur zu einer öffentlichen Würdigung von Staatswegen ist es nicht gekommen. Auch ist dazu jetzt noch weniger Hoffnung, als sonst. Rhein- und Mainfreunde haben trefflich verstanden, das zu zerstören, was ich mühsam baute. Und da ich nur eine lang ununterbrochene Reihe von einer kleinen nicht hervorstechenden Geschäftigkeit für mich habe, und keine einzelne auffallende Tat , so behalten sie noch eine Zeitlang Recht vor der Welt.

Jetzt muss ich mir einen neuen Weg für meine bürgerliche Wirksamkeit bahnen. Die alten Zeiten sind nicht mehr. In dem Mittelzustande von Nichtstunkönnen möchte ich nicht gern lange verharren. Darum betreibe meine schnelle Verabschiedung, und wenn sich diese verzögert, so schicke mir den Urlaubspass. Aber sieh selbst darauf. Schreiber sind oft Neider, Schrift oft ein Gift. Die Feder macht uns zu oft faul, falsch und frech.

Lebe Wohl. Mit Glauben, Liebe Hoffnung

Friedrich Ludwig Jahn

Quelle:
Jahn, Friedrich Ludwig: Die Briefe  F. J.  Jahns,  Dresden 1930


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