Die astronomischen Grundlagen des französischen Revolutionskalenders

von Prof. Dr. Peter Aufgebauer

Schaltweise

Während der alte ägyptische Kalender, an den man sich hinsichtlich der Jahrform angelehnt hatte, keine Schaltung kannte und dementsprechend zu einer, astronomisch betrachtet, falschen Jahreslänge führte, war vom französischen Kalenderkomitee im 10. Artikel des Dekrets festgelegt worden, daß in der Regel alle vier Jahre ein sechster Zusatztag, „jour de la Revolution“ genannt, einzuschalten sei, „um die Übereinstimmung des bürgerlichen Jahres mit den Himmelserscheinungen zu wahren“.[1]

Eine tatsächliche, etwa derjenigen im Gregorianischen Kalender vergleichbare Schaltregel war damit freilich nicht gegeben. Vor dem Konvent betonte Romme in seinem Bericht, die Übereinstimmung mit dem Sonnenjahr solle gewährleistet warden „durch Korrektionen, die nach und nach zur Geltung kommen, sobald die kleinen Differenzen auf einen Tag angewachsen sein werden“; der Schalttag sei dann an diejenige Stelle zu setzen, „welche die Lage des Äquinoktiums ihm zuweist“[2]

Die Folge davon war zunächst, daß die Schaltjahre mit denjenigen des Gregorianischen Kalenders nicht zusammenfielen. In der Praxis wurde nach dem Revolutionsklalender ein Schalttag immer dann erforderlich, wenn das Herbstäquinoktium ohne ihn auf den zweiten Tag des Jahres gefallen wäre. Dies war in der Regel alle vier Jahre so. Ausnahmsweise konnte die Einschaltung jedoch erst nach fünf Jahren erforderlich werden, und zwar dann, wenn das Äquinoktium in einem auf ein Schaltjahr folgenden Jahr unmittelbar nach Mitternacht eintrat, weil dann die Differenz von 5h 48m 46s zwischen dem tropischen und dem gemeinen bürgerlichen Jahr erst nach fünf Jahren den Unterschied von einem Tag ergab.[3] In solchen Fällen allerdings konnte noch eine besondere Schwierigkeit auftreten, auf die zeitgenössische Astronomen hinwiesen: Wenn das Äquinoktium direkt auf Mitternacht fiel oder die Differenz zwischen Äquinoktium und Mitternacht geringer war als die - noch erheblichen - Fehlergrenzen der astronomischen Tabellen oder der Beobachtungen, dann ließ sich gar nicht mit Sicherheit angeben, welcher Tag als der des Äquinoktiums zu rechnen war und wann folglich das entsprechende Schaltjahr lag.[4]

Hier wird wohl hinreichend deutlich, daß die Dekretsbestimmungen keine leicht faßliche Schaltregel erlaubten. In einer ausführlichen Untersuchung unternahm es Delambre, mathematische Regeln herzuleiten, nach denen die Schaltjahre im voraus berechnet werden konnten und regte an, den astronomischen Tafelwerken entsprechende Tabellen anzufügen.[5]

Als die beste Lösung freilich erschien auch ihm die Einführung eines mittleren Jahres und einer festen Schaltregel. Zu diesem Zweck unterbreitete er drei unterschiedliche Vorschläge: 1. Man solle die gregorianische Schaltregel übernehmen und sie wegen der dort um einen geringen Betrag zu groß angenommenen Jahreslänge lediglich dahin abändern, daß „der Schalttag des Jahres 3600 und seiner Vielfachen“ ausgelassen würden. 2. Man solle eine vierjährige Schaltperiode einführen, bei den Jahrhundert- zahlen jedoch abwechselnd alle 400 bzw. 500 Jahre einen Tag auslassen, so zum Bei- spiel in den Jahren 400, 900, 1300, 1800 und so fort. 3. Man solle im Jahre 4000 und seinen Vielfachen einen Tag auslassen, „aber das würde in 400 000 Jahren den Fehler von einem Tag ergeben; um ihn auszuschlleßen wäre es nötig, das Jahr 400 000 und seine Vielfachen zu 364 Tagen zu rechnen“[6] - typisch Delambre, möchte man sagen, angesichts dieser Art, mit „astronomischen“ Zahlen umzugehen!

Über diese Berechnungen und Verbesserungsvorschläge beriet ein Sachverständigen- gremium, in dem auch

, Lalande, Laplace, Messier und

Pingré</a>

vertreten waren.[7] Einhellig befürworteten sie eine feste Schaltregel nach Art der gregorianischen, freilich ohne Erfolg. Die von de

n Astronomen angeregte Modifikation des Dekrets kam nach #Rommes Tod nicht mehr zustande.</p>

[1] »... afin de maintenir la coïncidence de l’année civile avec les mouvements célestes.« - Villain (1885), S. 748.

[2] Villain (1885), S.642.

[3] VEGA (1801), S. 129.

[4] Montucla/Lalande (1802), S. 331; Delambre (1814), S. 696.

[5] Delambre (1798-99).

[6] ebd., S. 347.

[7] Villain (1885), S. 331.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03