Die Belagerung von Cosel 1807
von Dr. Frank Bauer
Die Ereignisse vom 26.02. bis 08.03.1807
Am 26.02.1806 begann das Schießen um 03:00 Uhr morgens und dauerte 2 Stunden. Eine Bombe schlug im Minoritenkloster ein, das als Lazarett diente. Sie drang durch das Gewölbe in eine Zelle, wo sich 4 Kranke und 1 Wärter befanden, blieb dort auf der Diele liegen. Die Leute sahen, wie der Zünder brannte, aber nur der Wärter konnte den Raum rasch verlassen ehe diese explodierte. Das Geschoß zerschmetterte Ofen, Tür und Fenster und riß acht Löcher in die Wand. Wie durch ein Wunder blieben die Kranken unverletzt. Ein anders Geschoß traf 04:00 Uhr das Haus des Töpfermeisters Tellmann und tötete eine Person. In der Kobelwitzer Redoute wurde der Kommandant, Hauptmann von Wostrowski, von einer Granate zu Boden gerissen, trug aber nur starke Prellungen davon.
Die preußische Artillerie schoß fast den ganzen Tag. Zur Unterstützung der Artilleristen, die mit ihren viel zu wenigen Soldaten schwersten Dienst verrichten mußten und die kaum von den Wällen herunterkamen, hatte der Kommandant 50 »Eisbauern« beordert. Zeitgleich wurde an der Ausbesserung der Schäden an den Werken gearbeitet.
Am 27.02.1806 dauerte der feindliche Beschuß von früh 02:00 Uhr bis mittags 12:00 Uhr mit nur 1 Stunde Pause dazwischen. Um 16:00 Uhr begann er erneut bis 22.00 Uhr. Besonders litten an diesem Tag die Reinschdorfer Bastion, wo Oberst von Neumann seine Unterkunft hatte, das Ratiborer Tor und die Kobelwitzer Redoute. In dieser wurden 3 Geschütze zerstört. Wieder gab es 2 Tote und zahlreiche Verwundete.
Am 28.02.1806 dauerte das Bombardement von 02:00 Uhr bis 05:00 Uhr morgens. Aufflammende Brände konnten rasch gelöscht werden. Auf der Wiegschützer Redoute wurde 1 Mann getötet. Gegen 11.00 Uhr erschienen vor dem Ratiborer Tor zwei Parlamentäre, die man zur Wiegschützer Barriere umleitete. Es waren der bayerische Generalmajor Raglowich und der französische Rittmeister Duponton. Der erkrankte Oberst von Neumann schickte 2 Offiziere. Die Parlamentäre aber verlangten den Kommandanten oder den ältesten Stabsoffizier zu sprechen. Daraufhin wurde Major du Thon geschickt. Die Parlamentäre durften die Stadt nicht betreten und übergaben die Kapitulationsaufforderung Deroys an die Preußen. Bis 10:00 Uhr am folgenden Tag sollte eine Antwort erfolgen. Major Thon aber erklärte schon jetzt, daß man nicht kapitulieren werde und die Feindseligkeiten fortsetze, was auch die Gegner tun sollten. Die Preußen schossen weiter, während die feindlichen Geschütze an diesem Tag schwiegen, da sie wieder mit steigendem Hochwasser zu kämpfen hatten. Erst am folgenden Tag früh gegen 03:00 Uhr begannen sie erneut mit ihrem Beschuß. Noch in der Nacht formulierte der kranke Oberst von Neumann die Ablehnung des Kapitulationsangebotes, das dann dem Gegner übermittelt wurde. General Deroy unterließ dann weitere Kapitulationsaufforderungen.
Als die beiden Überbringer der Antwort wieder zurück waren, begann gegen 12:00 Uhr erneut die gegenseitige Kanonade. Bis zum 01.03.1806 waren weitere 35 Mann desertiert. 310 Militärangehörige und 56 Eisbauern waren krank. Gestorben waren bis zu diesem Tag 35 Mann.
Am 02.03.1806 begann der Beschuß gegen 01:00 Uhr nachts und dauerte bis 05:00 Uhr. Nach 2 ½ Stunden wurde er bis 14:30 Uhr fortgesetzt. Gegen Morgen fiel eine Bombe ins Minoritenkloster, richtete aber nur Sachschaden an. In der Stadt gab es kein Haus, das nicht beschädigt war; viele waren bereits eingestürzt.
Am schlimmsten für die Verteidiger war der Mangel an Artilleristen. Diese hatten kaum eine Minute Schlaf. Damit sie die ungeheuren Anstrengungen einigermaßen aushielten, bekamen sie doppelte Portionen. Oberst von Neumann befahl außerdem, daß 320 Infanteristen für den Artilleriedienst angelernt werden sollten. Als Anreiz erhielten auch sie doppelte Portionen.
An diesem Tag lag die Kobelwitzer Redoute im Kreuzfeuer von 3 feindlichen Batterien, der 2., 6. und 8. Um sich dagegen zu schützen, hatte Hauptmann von Wostrowski schon früher 120 Arbeiter aus der Stadt herangezogen, die Traversen und Schutzdämme errichteten. Da die 8. Batterie des Feindes an diesem Tag unter Wasser stand, konnte er das Feuer seiner Geschütze auf die 6. und 2. Batterie des Feindes konzentrieren. Es gelang den Preußen in der 6. Batterie 5 Geschütze zu demontieren und in der 2. zwei Schießscharten zu zerstören.
Am 03.03.1807 gab es wieder Frost. Das Wasser war in der Nacht gesunken, so dass der Feind die Batterie Nr. 8 wieder besetzen konnte. In der 6. arbeitete man fieberhaft, um sie wieder kampffähig zu machen. Die Preußen beschossen sie, um dies zu verhindern. Daraufhin eröffneten alle feindlichen Batterien das Feuer, das bis 18:00 Uhr dauerte.
In der Nacht vom 03. zum 04.03.1807 wurde in Cosel eine Verschwörung unter der Besatzung entdeckt. 200 bis 300 Mann hatten sich in der Nacht zuvor, als der Feind nicht schoß, aus ihren Batterien entfernt und sich über Desertion und gewaltsamen Ausbruch beraten, der in der nächsten Nacht versucht werden sollte. Ein Teil sollte das Odertor aufbrechen. Als man dort die Aktion begann, wurden sie entdeckt, die Wachen gaben Feuer. Die Verschwörer liefen zurück und zerstreuten sich. Einige wurden aber überführt und arretiert.
Am 04.03.1807 dauerte die Beschießung von 02:00 Uhr bis 06:00 Uhr früh. In der Stadt fingen 3 Häuser, die bereits starke Beschussspuren hatten, Feuer und brannten völlig nieder. Sie gehörten dem Major von Erdmann, dem Zeughausleutnant Holzmann und dem Nagelschmied Aulich. Eine Bombe fiel in das alte Schloß und tötete einen Arbeiter. Drei andere wurden verwundet und 30 so betäubt, daß sie erkrankten. Sie sollen bald darauf verstorben sein. An diesem Tag konnten die Feinde auch einen neuen Durchstich am Wiegschützer Damm machen.
Da die Krankheiten in der Festung, vor allem unter den Eisbauern, in erschreckender Weise zunahmen, ließ man in der nächsten Nacht 32 entfliehen. Damit sie aber vom Feind als Deserteure anerkannt wurden, schoß man blind hinter ihnen her.
Die nach dem Fluchtversuch arretierten Artilleristen wurden verhört. Es stellte sich heraus, daß fast alle Artilleristen und Handlanger an dem Fluchtversuch beteiligt waren. Die Untersuchung ging nur langsam voran, da man die Artilleristen in den Morgenstunden des 04.03.1807 wegen des feindlichen Bombardements auf den Wällen brauchte. Man musste sowieso die meisten Schuldigen auf den Wällen lassen. Nur die Anführer wurden abgeführt. 22:00 Uhr wurde dann festgestellt, dass fast die ganze Garnison vom Fluchtversuch wusste. Oberst von Puttkammer, der anstelle des erkrankten Oberst von Neumann die Untersuchung leitete und der für die Nacht einen Ausbruch befürchtete, ließ sofort den Ingenieurhauptmann Keibel und noch 2 andere Offiziere zu einem Kriegsrat herbeiholen. Es wurde beschlossen, dass die 16 berittenen Kavalleristen, die noch vorhanden waren und wahrscheinlich nicht am Komplott beteiligt waren, die ganze Nacht patrouillieren sollten, dass jede Kasematte durch die wenigen sicheren Leute streng überwacht und alle Gewehre unter Aufsicht genommen werden sollten. An der Ratiborer und Odertorwache wurde auf der Stadtinnenseite je eine 6pfündige Kanone aufgestellt und mit Kartätschen geladen. Einige Artilleristen, die treu geblieben waren, wurden mit brennender Lunte daneben aufgestellt. Sie hatten den Befehl, im Notfall ohne Rücksichten zu feuern.
Kaum hatte man diese Vorbereitungen getroffen, hörte man vom Fort Wilhelm her heftiges Gewehrfeuer. Beim Brückenkopf und auf der Insel gab es Lärm und gewaltsame Bewegungen. Aber in der Stadt musste man tatenlos zu sehen und abwarten, was geschehen war und was sich entwickeln würde. Man wagte nicht, die Tore zu öffnen und eine Patrouille zu schicken.
Am Morgen des 06.03.1807 musste man feststellen, das Komplotte schlimmster Art zum Ausbruch gekommen waren und nur durch das rasche und entschlossene Eingreifen des Kommandanten der Kobelwitzer Redoute und des Forts unterdrückt worden waren. Hauptmann von Wostrowski hatte erfahren, dass alle seine Truppen, mit Ausnahme der Unteroffiziere, zweier Artilleristen und der Jäger sich verabredet hatten, ihn selber zu töten, die anderen Offiziere bei Widerstand ins Wasser zu werfen, die Kanonen zu vernageln und dann zum Feind überzugehen. Wer von den Mannschaften sich nicht anschliessen wollte, sollte ebenfalls getötet werden. Schnell entschlossen sich nun Wostrowski und die Jäger und Unteroffiziere alle Gewehre einzusammeln, dann besetzte er mit diesen wenigen Getreuen alle Türen und Fenster der Kasematten und gab den Befehl, jeden, der heraus wollte, zu erschießen. Dann ritt er eilig zur Klodnitzer Redoute und zum Brückenkopf, holte sich dort 150 Mann und arretierte mit diesen die meuternde Besatzung. Dann stellte er Verhöre an, machte dann dem Kommandanten Meldung. Dieser entschied, dass die drei Anführer, Artilleristen vom Bataillon Sanitz, sofort standrechtlich erschossen, ein vierter von der Nationalkompanie begnadigt werden sollte. Um 08:00 Uhr morgens wurden die Urteile vollstreckt.
Als der Kommandant Hauptmann Wostrowski fragte, ob er mit dieser unzuverlässigen Mannschaft weiter seinen Posten behaupten wolle, bejahte dieser. Er versammelte alle Arretierten um sich und hielt eine kurze Ansprache. Da warfen sich alle Soldaten vor ihm nieder und gelobten, als redliche und treue Soldaten unter ihm zu dienen.
Ähnlich war es im Fort Wilhelm zugegangen. Dort war Hauptmann von Brixen Kommandant. Hier hatten Soldaten um Mitternacht die Brücke des Forts heruntergelassen. Die Offiziere und Unteroffiziere waren mit dem Gewehr in der Hand zwischen die nach draußen drängenden Soldaten getreten und konnten einen Teil zurückhalten. 55 waren aber desertiert. Als man nach ihnen schoss, musste man feststellen, dass die Kugeln aus den Patronen ausgebrochen waren.
Am 06.03.1807 musste dann noch ein Kanonier wegen Anstiftung zu einem Komplott erschossen werden, ebenso am 09.03.1807 zwei Mann vom Nationalbataillon wegen versuchter Desertion. Als Ursache für diese Meutereien ergab sich der Unwille über den sehr anstrengenden Dienst und die totale Überanstrengung. Dies war vor allem die Folge des zu geringen Mannschaftsbestandes. Krankheit und Verwundungen hatte die Zahl der Verwendungsfähigen noch mehr herabgesetzt. Vor allem wütete der Typhus. 15 Offiziere und 412 Mann waren Anfang März krank, davon galten 11 Fälle als hoffnungslos. 80 Genesende blieben dienstuntauglich.
Die Schreckennacht des 05.03.1807 war zugleich das Ende der Beschießung. Nach der Schlacht bei Preußisch-Eylau, wo Napoleons Truppen ungeheure Verluste erlitten hatten, befahl der Kaiser seinem Bruder Jérôme, alle verfügbaren Truppen aus Schlesien zu seinem Heer stoßen zu lassen. Jérôme hatte sich von Kapitän Duponton über die Lage vor Cosel unterrichten lassen. Als dieser meldete, dass 10.000-12.000 Mann und eine bedeutende Vermehrung der Artillerie nötig sei, um die Festung einzunehmen, ordnete er am 04.03.1807 die Aufgabe der Belagerung und die Umwandlung in eine bloße Einschließung an. Nur die Brigade Raglowich und das leichte Bataillon Braun blieben zur Blockade zurück.
Schon in der Nacht zum 05.03.1807 begann der Feind mit der Herausziehung der Geschütze aus den Stellungen. Von der Festung aus sah man wenige feindliche Soldaten, aber viele Landleute, die die Geschütze zurückführen sollten. Das Feuer der Festungskanonen zerstreute sie immer wieder, sie wurden aber von den bayrischen Soldaten zurückgetrieben.
Aufgrund der Unzuverlässigkeit seiner Soldaten konnte Oberst von Neumann nur unter großer Vorsicht an einen Ausfall denken. Am 07.03.1807 setzte Leutnant Lippa mit 40 Mann über die Oder, um den Feind zu beobachten. Dabei konnte ein feindliches Geschütz nach der Kobelwitzer Redoute geschafft werden.
Da das Feuer der Festung nicht erwidert wurde, und man nicht wusste, ob der Feind völlig abgezogen war, wurden für den 8. März zwei neue Ausfälle geplant. Major Hahn erhielt die Aufgabe, die Batterien vor Reinschdorf zu zerstören, die Laufgräben dort und am Dembowaer Damm von den Feinden zu säubern und Reinschdorf anzuzünden, um dem Feind Deckung und Unterkunft zu entreißen. Die Vorhut bestand aus 12 Kavalleristen unter Wachtmeister Bongard und 30 Freiwilligen des Bataillons v. Pelchrzim unter Hauptmann Römer. Ihnen folgten 2 Kompanien des Nationalbataillons Hahn mit 160 Mann und 60 Mann des Bataillons Sanitz unter Leutnant v. König. Sie waren teilweise mit Hacken und Spaten für die Zerstörung der Batterien ausgerüstet.