Aufklärung und Revolutionsbegeisterung
von Dr. Jörg Schweigard
Zusammenfassung
Die wenigen angeführten Beispiele haben uns gezeigt, dass die hohe Beteiligung von Professoren und Studenten an der Mainzer Republik die Folge einer früheren Politisierung war.
Die eingeschränkte Freiheit der Lehre, die Zensurmaßnahmen, Untersuchungen und Spitzeleien führten bei einem Teil der Aufklärer zu einer zunehmend deutlicheren Ablehnung des kurfürstlichen Regimes. In den geheimen Gesellschaften wie dem »Popagandaklub«, in privaten Zirkeln und auch in der öffentlichen Lesegesellschaft diskutierten die Aufklärer die politischen Ideen der Französischen Revolution.
Die Professoren übten in ihren Vorlesungen und Publikationen aber auch in der Auseinandersetzung mit der Obrigkeit und andersdenkenden Kollegen einen starken Einfluss auf die Studenten aus. – Und diese Studenten sympathisierten teilweise offen mit der Französischen Revolution. Kennzeichnend hierfür waren etwa gewaltsame Konflikte mit dem Adel oder den französischen Emigranten, öffentliche Bekundungen oder äußerliche Revolutionssymbole wie Kokarden oder Kleidung im Stil der Revolution.
Die Stammbucheinträge belegen ebenso wie die Aktivitäten in den Zirkeln, dass sich im studentischen Milieu ein verstärktes Bedürfnis nach gesellschaftlicher Freiheit, rechtlicher Sicherheit, Widerstandsrecht und politischen Veränderungen ausbildete. Philosophen wie Kant, Voltaire oder Montesquieu wurden als Referenzen zitiert und nach dem Revolutionskalender, Sinnbild der neuen Zeiten, datiert.
Unmittelbar vor Ankunft der Franzosen zeigte sich die politische Haltung in der Bereitschaft zur Spionage, dem parteiergreifenden Kokardentragen oder in der offen gezeigten Begeisterung bei der Ankunft der Revolutionstruppen.
In jeweils getrennten Gesellschaften setzten sich die Professoren und die Studenten mit politischen Fragen auseinander, welche die Aufklärung und die Französische Revolution aufgeworfen hatten. Beide Gruppen arbeiteten schon am Vorabend der Mainzer Republik am politischen Wandel und bereiteten dadurch das Feld, als es möglich wurde, sich öffentlich am politischen Prozess zu beteiligen.
Die Haltung der Mainzer Studenten reiht sich in eine deutschlandweite Bewegung ein. An vielen deutschen Universitäten, in Jena, Kiel, Tübingen oder Würzburg politisierten sich in den 1790er Jahren die Studenten. Die Mainzer jedoch waren die ersten, die sich derart engagiert für eine neue Gesellschaftsordnung in Deutschland einsetzten und gingen damit noch dem späteren Zentrum der deutschen Studentenbewegung an der Universität Jena voran.
Die Mainzer Republik indessen blieb nach ihrem Scheitern für die Studenten anderer Hochschulen ein Symbol ihrer politischen Ideale: Im Juni 1793 benannte sich eine Würzburger Gruppe in einem Flugblatt nach dem Mainzer Jakobinerklub. 1795 versuchten Studenten mehrerer Hochschulen ein Studentenkorps zu bilden, um sich gemeinsam mit den Franzosen an der Wiedereroberung von Mainz zu beteiligen. Mainz wurde zum Symbol für die Republik. Pathetisch hieß es in einem Flugblatt
»So gewiß der Tag, der Ostern heißt, kommen wird, so gewiß wird Mainz bald in Republikanerhänden sein.«
Als Mainz Ende 1797 wieder französisch wurde schrieben sich die aus Mainz stammenden Studenten wie etwa der in Jena studierende Georg Adam Düring (am 27. August 1798) nicht nur mit der Revolutionsparole »Liberté, Egalité, Fraternité« in die Stammbücher ein, sondern unterzeichneten dies auch stolz als Landsmann »aus Mainz, der Hauptstadt d[es] Departements Donnersberg.«