Aufklärung und Revolutionsbegeisterung

von Dr. Jörg Schweigard

Politische Zeugen: Stammbucheinträge Mainzer Studenten

Wer etwas über das Leben und Denken der Studenten am Ende des 18. Jahrhunderts erfahren möchte, sollte sich auch die Stammbücher dieser Zeit ansehen, die uns Heutigen viel über die studentische Mentalität verraten. Diese Stammbucher gehörten damals zur Standardausstattung eines Studenten und waren meist im Octavformat gehaltene gebunden Bücher mit leeren Seiten, auf denen sich die Kommilitonen mit Freundschaftsbezeugungen eintragen konnten. Die Einträge sind nach dem gleichen Prinzip aufgebaut und bestehen aus einem Text und einem kurzen Motto (Symbolum) ergänzt um den Eintragungsort, das Datum, dem Namen, Studiengang und Heimatort.

Politische Einträge konnten dem Verfasser und eventuell auch noch dem Stammbuchbesitzer erhebliche Schwierigkeiten bereiten, wenn sie in die Hände der Obrigkeit gerieten. In Gießen beispielsweise verlor ein Dozent seine Stellung, da ihm anhand seiner Stammbucheinträge seine revolutionäre Haltung nachgewiesen wurde.

Im Folgenden seien nur einige Beispiele solcher Einträge Mainzer Studenten genannt:

Bereits in den 1780er Jahren klangen freiheitsfordernde Töne aus den Stammbüchern, wo früher noch Tugend, Religion und Jenseitshoffnungen zu finden waren. Der Medizinstudent Gerh[ard] Schwarz zum Beispiel wünschte sich ein Leben ohne einen Monarchen. Er überschreibt seinen Eintrag vom 31. März 1787 mit einem Zitat aus Voltaires »Candide«: »Dreimal glücklich der Mann, der fern von seinem Monarchen seine Tage verlebt!« Sein Kommilitone, der Medizinstudent G. L. Gladbach stimmte ebenfalls das hohe Lied der politischen Freiheit an und schrieb im März 1788 »Freiheit ist das Leben der Menschen, Zwang ihr Tod!«


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03