Brief Heinrich Dietrich von Grolmans an seinen Sohn Karl Wilhelm
vom 24.06.1815.
24 Juni 1815.
Lieber Sohn! Deinen Brief vom 17ten habe ich gestern erhalten. Wir danken Gott, dass Du, Dein Bruder und die Gerlach's die mörderische Schlacht unverletzt überstanden habt. Aber die Nachricht, dass die Schlacht verloren, ist sehr unangenehm. Nun wird den Franzosen der Kamm wieder recht wachsen, und Preußens Neider werden in's Fäustchen lachen. Bei der Langsamkeit, womit die Verbündeten, Preußen mit eingeschlossen, gehandelt haben, habe ich es beständig erwartet, dass Napoleon zuerst losbrechen, und auf einen oder den andern Punkt mit Übermacht fallen würde. Aber dass das Preußen zuerst treffen sollte, habe ich nicht geglaubt. Ein Fehler scheint es auch von Eurer Seite zu sein, dass Ihr Euch habt angreifen lassen. Man muss die Franzosen schlechterdings angreifen, kann man dies nicht, so muss man der Schlacht ausweichen. 80.000 Preußen sollten auch billig 120.000 Franzosen schlagen. Der Schaden wird wohl aus zu bessern sein, aber auf den Feldzug hat es immer einen nachtheiligen Einfluss. Gar leicht können wir jetzt in einen langwierigen Festungskrieg verwickelt werden. Einen langwierigen Krieg müssen wir aber zu vermeiden suchen, weil zuletzt der Feind Gelegenheit findet, einen oder den andern Bundesgenossen abtrünnig zu machen. Hätten wir vor zwei Monaten den Krieg angefangen, so hätten wir die französischen Festungskette durchbrochen, und den Krieg in das Herz von Frankreich spielen können. Aber unsre Fürsten haben dem Napoleon lieber Zeit lassen wollen, sich zu rüsten, uns zuvor zu kommen, und in unsre Länder einzubrechen. Man trägt sich hier mit vorteilhaften Gefechten, die am 18ten stattgefunden haben sollen; Ein abgedroschner Kunstgriff, der wenig Rücksicht verdient. Doch scheinen nach einigen Briefen auch Gefechte mit den Belgiern vorgefallen zu sein. Dass Deine Schwägerin von einer Tochter, Deine Schwester von einem Sohn glücklich entbunden sind, wirst Du aus den Zeitungen gesehen haben. Minette hat ihren Sohn selbst nähren wollen, aber aus Mangel an Milch nicht gekonnt. Mutter und Kinder, wie überhaupt alle sind gesund. Die Einbeck und die Arnim erwarten täglich ihre Niederkunft. Seit dem 13 April habe ich keinen Brief von Dir, und auch den darin erwähnten Brief noch gar nicht erhalten; ich habe ihn, wie ich immer tue, gleich beantwortet, weiß aber nicht, ob Du meine Antwort erhalten hast. Ich erwarte bald von Dir bessere Nachricht. Unterlass doch nicht, fleißig zu schreiben. Bin ich gleich alt, so ist es mir doch unmöglich gleichgültig zu bleiben. Das Wohl des Staates und Euer Wohl liegt mir zu sehr am Herzen.
Im Augenblick, heute Morgen um 7 Uhr kommt der G. R. Heym zu mir u. meldet mir, Kraft wäre von Dir mit der frohen Nachricht abgeschickt, dass am 18ten Napoleon durch Deine Bemühungen Totaliter geschlagen wäre. Ist das wahr, so kann das Vaterland Dir nicht genug dafür danken. Er hat Hardenberg, Beyme, nicht aus dem Bett treiben können, und ist deswegen bei Heim eingekehrt.
Berlin 24 Juni 1815.
Quelle:
Schweinitz, Anna-Fanziska von: "Briefe aus den Befrieungskriegen - Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl vom 10.07.1807 bis 06.06.1816", o.J., o.O. (Privatdruck)