Brief Heinrich Dietrich von Grolmans an seinen Sohn Karl Wilhelm

vom 13.05.1813.

[13 Mai 1813]

Lieber Sohn! Deinen Brief vom 5ten haben wir erst am 10ten erhalten, wir würden um Dich besorgt gewesen sein, wenn wir nicht früher durch Briefe von L. Gerlach erfahren hätten, dass Du wohl wärst. Es ist mir nicht lieb, dass Du in Deinem Briefe der bestellten Ordenskreuze nicht erwähnst, ich weiß also nicht, ob Du sie erhalten hast oder nicht. Vor ungefähr 4 Wochen haben wir sie dem Eduard Wilke mitgegeben, dieser ist bei der Lützow?schen Legion angestellt, und mit dem ebenfalls bei derselben angestellten Professor Jahn nach Dresden abgereist. Jahn ist in Dresden krank geworden u. Wilke hat noch gar nicht an seine Eltern geschrieben. Solltest Du nun die Kreuze nicht erhalten haben, so wird es Dir wohl ein Leichtes sein, Erkundigungen einzuziehen was aus dem Wilke und den Kreuzen geworden ist. Überhaupt ist es ein Mangel in Deinen Briefen, dass Du von dem Schicksal Deiner Bekannten aus Berlin nichts meldest.

Wir haben über den erhaltnen Sieg den Te Deum singen müssen. Andere werden es schwerlich glauben, dass wir gesiegt haben. Der Satz: wer sich zurückzieht, ist geschlagen, ist den Gemütern der Menschen zu tief eingepräget, als dass man sie überzeugen könne, eine Armee, welche nicht etwa bloß eine andre Stellung einnimmt, sondern sich zurückzieht, den Rückzug einige Tage hintereinander fortsetzt u. vielleicht bis diese Stunde noch nicht zum Stillstehen gebracht ist, habe gesiegt. Das Schlimmste ist, dass dieser Gedanke auf Österreich, Sachsen, Deutschland einen nachtheiligen Eindruck machen muss. Ich kann es mir nicht erklären, was den General Bb. bewogen habe, ohnerachtet er keinen Feind gegen sich hatte, vier Wochen untätig zu bleiben, und seine Armee nach Freiberg, Chemnitz, Rochlitz, Altenburg spazieren zu führen. Warum er nicht wenigstens ein Korps gegen Wittenberg geschickt habe, um solches einzunehmen. Auch möchte ich gerne wissen, ob unsere, in der Schlacht untätige, Kavallerie nicht um den Feind herummarschieren und ihn im Rücken hätte angreifen können. Berlin ist seit acht Tagen in beständigem Alarm gewesen. Die erste Nachricht vom sogenannten Siege erhielt man durch Kaufmannsbriefe, aber die offizielle Nachricht blieb aus. Erste Besorgnis; nun kam die offizielle Nachricht, aber verbunden mit dem Rückzug; zweite Besorgnis; Unvermutet erschien der Befehl, auf das schleunigst den Landsturm zu organisieren; vermehrte Besorgnis; demnächst erschien der Befehl des Minister Hardenberg, die Kassen und andre Effekten in Sicherheit zu bringen, wodurch die besagte Gefahr zur Gewissheit gebracht zu werden schien. Endlich erhielt man gestern die Nachricht, die Franzosen hätten Wittenberg entsetzt und wären auf Berlin im Anmarsch. Nun gerät alles in den äußersten Schrecken; Prinzessinnen, Minister, fast alle Staatsbehörden, vermögende Leute, selbst Braunschweig machten zur Abreise Anstalt, und sind auch zum Teil abgereist. Ich bin von den Präsidenten der einzige, der ruhig geblieben ist, und die mehrsten meiner Räte sind meinem Beispiel gefolgt. Ich werde nicht eher weggehen, als bis der Feind wirklich in die Nähe kommt, und der Landsturm ausrücken muss. Mir ist es zwar lieb, dass die furchtsamen Leute sich entfernen, doch macht es auf die Bürger einen nachteiligen Eindruck. Warum sagen sie, sollen wir uns der Gefahr aussetzen, da die Vornehmen und Reichen davonlaufen?

Mit der Bildung der Landwehren geht es, wie ich höre, auf dem Lande und in den kleinen Städten gut; von Berlin kann man das nicht sagen, die mutigen, zum Kriege geneigten jungen Leute sind mit den Freiwilligen ausgezogen, wer zurückgeblieben ist, sucht alle möglichen Einwendungen hervor, sich vom Dienst frei zu machen; daher hat nur erst ein Bataillon marschieren können. Das zweite Bataillon soll Dein Bruder kommandieren, kaum hat er die nötige Anzahl Menschen zusammengebracht, und nun fehlt es an allem, vorzüglich Gewehren. Das Spielwerk mit den Pieken wird keinen Nutzen haben, etwas ist an dem Verzug auch der König schuld, welcher bis jetzt die gewählten Offiziere nicht genehmigt hat. Der Pr. G ist noch schlimm krank. Es würde ein Wunder sein, wenn er genese. Ludwig ist hier; seine beiden Blessuren sind nur Fleischwunden, welche indessen durch den Schenkel und den rechten Arm gegangen sind. Er hoffte in 3 Wochen wieder ganz hergestellt zu sein. Sonst ist hier alles wohl. Sei doch nicht so erstaunend faul im Schreiben.

Berlin 13 Mai 1813 

v. Grolman.

Quelle:
Schweinitz, Anna-Fanziska von: "Briefe aus den Befrieungskriegen - Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl vom 10.07.1807 bis 06.06.1816", o.J., o.O. (Privatdruck)


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