August Neidhardt von Gneisenau an seine Gattin Karoline
vom 27.02.1813.
Kolberg, den 27. Februar 1813.
Vorgestern abends bin ich hier bei meinen alten Freunden unvermutet angelangt. Gewöhnlich ist in dieser Jahreszeit das Baltische Meer nicht schiffbar, aber im Vertrauen auf das Glück machte ich mich mit einigen Gefährten auf, und wir fanden die schwedische sowohl als deutsche Küste ganz frei vom Eise, so daß selbst Kauffarteischiffe hin- und hergingen. Das Schiff, worauf ich mich befand, war übrigens ein sehr festes englisches Kriegsschiff, das mir die britische Regierung bewilligt hatte, und so liefen wir noch weniger Gefahr als die kleinen Kauffahrer, die um geringen Gewinnes wegen hin- und hergehen.
Hier verweile ich nun, bis die Begebenheiten sich etwas mehr entwickeln und mir Befehle über meine weitere Bestimmung zukommen. Unter Umständen, die Du Dir denken kannst, gehe ich nach Berlin, und unter diesen eingetretenen Umständen richte dann Deine Antwort dorthin unter Adresse des Herrn Kammergerichtsrat Eichhorn. Dein Brief vom 29. September ist der letzte, den ich von Dir erhalten habe.
In Betreff Augusts ist Dir meine Aufforderung von einer oder der anderen Seite wohl schon zugekommen. Selbige mag Dich etwas beunruhigen und ich verdenke Dir dies nicht, aber bedenke, wie so manche andre Mutter in demselben Falle ist und nicht dieselbe Aussicht hat wie Du, ihren Sohn unter väterlicher Fürsorge zu wissen. Ich selbst bin hierüber entschlossener geworden, nachdem ich in England gesehen habe, wie zarte Kinder der ersten Familien des Landes, erzogen in aller Pracht der hohen Geburt, von ihren Müttern genommen und auf Kriegsschiffe getan werden, wo sie bei rauher Kost, Sturm, Kälte und fast sklavischer Behandlung erwachsen, eine Lebensart, zu der ich mich nie entschließen würde, nachdem ich sie näher kennengelernt habe, und wo man, selbst in der besten Zeit, weder Tag und Nacht Ruhe hat. Zu einem solchen Leben August zu bestimmen, dazu würde es mir an Entschlossenheit fehlen. Aber, daß er einige Jahre seines Lebens der Befreiung seines Vaterlandes weihe, ist eine Pflicht, von der ich ihn nicht entbinden kann noch werde. Daß er diese Pflicht aber auf eine leichtere und dabei für seine Sitten und Bildung ersprießliche Weise erfülle, dafür will ich sorgen, solange ich am Leben oder dienstfähig bin. Ob August etwa das Fohlen reiten könnte? Es ist nun drei Jahre alt und kann seinen leichten Körper gewiß tragen. Wäre es zu boshaft geworden, so müßte es gewallacht werden. Doch möchte ich dies letztere nicht gern.
Grüße mir die Kinder tausendmal. Meine kleinen vorläufigen Geschenke werden in einigen Tagen nachfolgen. Ob mir das Glück werden werde, Euch zu sehen, weiß ich jetzt noch nicht. Zu einer Reise nach Berlin würde ich gern die Kosten hergeben, aber ich möchte nicht gern eine Lücke in den Unterricht der Mädchen bringen. Besser daher, daß ich mir diese Freude versage. August sage, daß ich ihm einen Säbel und ein paar Pistolen mitgebracht habe.
Grüße Mutter, Verwandte und Freunde. Gott nehme Euch in seinen Schutz.
Quelle:
Gneisenau, Neidhardt von: Briefe 1813