Brief Heinrich Dietrich von Grolmans an seinen Sohn Karl Wilhelm
vom 04.06.1808.
4 Juni 1809.
Lieber Sohn! Ob Du gleich Vater, Schwiegereltern, Brüder und Schwestern ganz vergessen hast, so können wir doch Deiner nicht vergessen. Ich muss Dich daher bitten, uns zu melden, ob Du noch lebst, wie es Dir geht, und ob Du Aussicht hast, bald nach Berlin zu kommen. Die Berliner beschäftigen sich viel mit Dir, sie unterhalten sich mit Erzählungen, bald dass Du in Arrest gesetzt bist, bald dass Du Kommandant in Glatz geworden bist, bald dass Du Deinen Abschied gefordert hast, bald, dass Du mit nach Petersburg gehst; es ist unangenehm, wenn ich auf das viele Fragen der Leute immer antworten muss: ich weiß nicht, mein Sohn schreibt nicht. Du kannst unmöglich so viel zu tun haben, dass Du nicht zuweilen ein paar Worte von Dir melden könntest. An Stoff kann es Dir bei den vielen Neuerungen, die man in Königsberg vornimmt, nicht fehlen, diese Neuerungen erwecken hier viel Missvergnügen. Ich urteile nicht darüber, weil ich das Ganze noch nicht übersehen kann. Soviel scheint mir jedoch klar zu sein, dass der Krieg nicht weniger einen unglücklichen Ausgang gehabt haben würde, wenngleich die Kammern vor 3 Jahren Regierungen und die geheimen Finanzräte geheime Staaträte geheißen hätten. Der Grund des Unglücks muss an einem ganz andern Ort gesucht werden; und hier verliere ich beinah die Hoffnung, dass demselben unter der jetzigen Regierung werde abgeholfen werden.
Die Freude, womit der Schill hier aufgenommen ist, wirst Du aus den Zeitungen gelesen haben, zum Teil wird sie übertrieben und fällt ins Lächerliche. Wo er sich in einer Gesellschaft sehen lässt, wird er von einem Schwarm Menschen , besonders dem weiblichen Geschlecht umgeben und angestaunt. Die Mädchen sind stolz darauf, wenn er mit ihnen getanzt hat. Hätte er den Staat von den Franzosen befreit, oder eine große Schlacht gewonnen, man könnte es nicht weiter treiben. Ich bleibe stets
Dein treuer Vater
v. Grolman
Berlin 4 Juni 1809.
Quelle:
Schweinitz, Anna-Fanziska von: "Briefe aus den Befrieungskriegen - Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl vom 10.07.1807 bis 06.06.1816", o.J., o.O. (Privatdruck)