Kapitulation der preußischen Festung Brieg

vom 16.01.1807.

Kapitulation von Brieg,

abgeschlossen zwischen dem Hrn. Generallieutenant v. Deroi, im Dienste Sr. Majestät des Königs von Baiern, kommandierenden General der Isten baierischen Division vom 9ten Korps der großen Armee, Großkreuz des baierischen militärischen Max. Joseph-Ordens, und Großkreuz der Ehrenlegion, und dem Hr. Brigadegeneral Lefebvre-Desmoéttes, Kommandant einer baierischen Kavalleriebrigrade, Oberstallmeister Sr. Kaiserl. Hoheit, des Prinzen Jérôme Napoléon, Kommandant der Ehrenlegion und Großkreuz des Ordens de la Fidelité, beide mit Vollmachten versehen von Sr. Kaiserl. Hoheit dem Prinzen Jérôme Napoléon, Kommandant en Chef des 9. Korps der großen Armee Sr. Majestät des Kaisers Napoléon des Großen, einerseits und H. Generalmajor v. Cornurut, Festungskommandant von Brieg, und Hrn. De Bourdet, Ingenieurmajor und Vizekommandant, andrerseits.

Art. 1. Die Festung Brieg soll morgen, den 17. Des l. M. dem verbündeten Truppen Sr. Majestät des Kaisers Napoléon des Großen übergeben werden.

Art. 2. Alles, was zur Festung gehört, Artillerie, Kriegsmunition, Waffen, Plane und Magazine aller Art, soll getreulich in die Hände des Offiziers übergeben werden, den Se. Kaiserl. Hoheit der Prinz Jérôme Napoléon ernennen wird, um Besitz davon zu nehmen, und ein Protokoll darüber auszustellen.

Art. 3. Die Besatzung ist kriegsgefangen; sie zieht vor den baierischen Belagerungstruppen den 17. Um 1 Uhr Nachmittags mit fliegenden Fahnen und brennenden Lunten vorbei, und legt die Waffen vor denselben nieder. Die Unteroffiziers und Soldaten behalten ihre Tornister.

Art. 4. Die Förster und Jägerbürsche, die aufgefordert worden sind, in der Festung Dienst zu machen, erhalten die Erlaubniß nach Haus zu kehren, mit der Bedingniß jedoch, daß sie schwören sollen, wider die Truppen Sr. Majestät des Kaisers und seiner Verbündeten nicht mehr die Waffen zu führen. Die Aufseher der zum Festungsbau gebrauchten Arbeitsleute bleiben provisorisch auf ihren Stellen.

Art. 5. Die Offiziere behalten ihre Degen, Pferde und Bagage, und steht ihnen frei, sich hin zu verfügen, wo es ihnen beliebt, doch nur, wenn sie ihr Ehrenwort mittelst eigener Unterschrift verbürgt haben, gegen die Truppen Sr. Majestät des Kaisers Napoléon des Großen und seiner Verbündeten bis zum erfolgten Frieden oder ihrer Auswechslung nicht zu dienen. Die nehmliche Begünstigung wird den Feldwebels, Fahnenjunkers und Wachtmeistern der Kavallerie zugestanden. Dabei wird noch jedem Offizier ein Soldat als Aufpasser bewilliget: kurz, sie werden in Allen wie die in der Garnison von Magdeburg begriffenen Offiziers behandelt werden.

Art. 6. Die verheirateten Unteroffiziere und Soldaten, so wie die Invaliden, erhalten die Erlaubniß, mit ihren Familien in ihre Heimath zurückzukehren, und werden ebenfalls nach dem 8ten Artikel der Kapitulation von Magdeburg behandelt.

Art. 7. Se. Kaiserl. Hoheit der Prinz Jérôme Napoléon verspricht im Namen seines Souverains jeder Art von Religion, wozu sich die Einwohner von Brieg bekennen, Schutz und völlige Sicherheit für die Personen und das PRivaeigenthum.

Art. 8. Die Herren Regierungsbeamten in Oberschlesien, die Magistratspersonen und Beamten der Gerichtsbezirke, der königl. Domainen und sonstigen beim Civil Angestellten bleiben provisorisch in ihren bisherigen Geschäftsverrichtungen; sollten sie aber ihre Entlassung begehren, so bleibt es ihnen frei gestellt, in der Stadt zu blebien, oder sich dahin zu begeben, wohin sie es für gut halten, und im letztern Falle werden ihnen die nöthigsten Pässe gegeben werden, um mit ihren Familien und Effeckten in Sicherheit zu reisen.

Art. 9. Die königl. Kassen werden demjenigen Militär- oder Civilbeamten, den Se. Kaiserl. Hoheit der Prinz Jérôme Napoléon bestimmen, übergeben. Dieser Beamte hat hierüber eine Bescheinigung auszustellen. Die Summen, welche Privaten gehören, bleiben unter Verwahrung des Magistrats.

Art. 10. Die Verwundeten und Kranken werden sorgfältig verpflegt werden, und die Wundärzte, die sie bis hierher  behandelt haben, können bei ihnen bleiben.

Art. 11. Die geistlichen und milden Stiftungen, von welchem Glaubensbekenntniß sie immer seyn mögen, behalten ihre Privilegien, und werden geschützt werden. Die Kassen, worin sich Waisen- und Pupillengelder befinden, werden ebenfalls respektiert.

Art. 12. Se, kaiserl. Hoheit der Prinz Jérôme Napoléon verspricht dem Lyzeum zu Brieg seinen Schutz.

Art. 13. Der Hr. Kommandant wird den beiden Staabsoffiziers des Geniekorps und der Artillerie, welche von Sr. Kaiserl. Hoheit dem Prinzen Jérôme Napoléon bestimmt werden, erlauben, den 16. Des Abends in die Stadt zu gehen, um in Verein mit den Offiziers des Geniekorps und der Artillerie des Platzes über die Zeughäuser und alle Effekten, die zur Festung gehören, ein Protokoll abzuhalten.

Art. 14. Das Breslauer und Neisser Thor werden den 16. Um 4 Uhr Nachmittags dem königl. Baierischen Truppen übergeben.

Art. 15. Da die Stadt in vergangenen Jahre durch eine Feuersbrunst, und gegenwärtig durch das Bombardement sehr gelitten hat, so werden Se. Kaiserl. Hoheit der Prinz Jérôme Napoléon gebeten,m die Besatzungsmannschaft so viel als möglich zu vermindern.

Art. 16. Dem Hr. Platzkommandanten wird auf Verlangen ein Paß für einen Offizier, vom Grade eines Lieutenants, der nicht als Kriegsgefangener betrachtet wird, bewilliget, um gegenwärtige Kapitulation Sr. Majestät dem König von Preußen zu überbringen.

Art. 17. Für alle zweifelhafte Punkte, oder welche eine zweifelhafte Deutung haben können, kann sich der Hr. Commandant vollkommen auf die Großmuth und die allgemein gekannte Gerechtigkeit Sr. Kaiserl. Hoheit des Prinzen Jérôme Napoléon verlassen.

Zweifach ausgefertigt in Brieg, den 16. Jan. 1807.

(Unterschrift)

v. Deroi                                                                                             v. Cornerut
Lefebvre-Desnoettes                                                                  de Bourdet

Quelle:
Anonym: Die Feldzüge von 1806 und 1807. In einer Historisch-politischen-militärischen Darstellung., 2 Bd., 1807-1809


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