Friedrich Schiller an Immanuel Kant
vom 13.06.1794.
Jena, den 13 Juni [Freitag] 1794.
Aufgefodert von einer, Sie unbegrenzt hochschätzenden, Gesellschaft lege ich Ew. Wohlgebohren beyliegenden Plan einer neuen Zeitschrift und unsre gemeinschaftliche Bitte vor, dieses Unternehmen durch einen, wenn auch noch so kleinen, Antheil befördern zu helfen. Wir würden nicht so unbescheiden seyn, diese Bitte an Sie zu thun, wenn uns nicht die Beyträge, womit Sie den deutschen Merkur und die Berliner Monathschrift beschenkt haben, zu erkennen gäben, daß Sie diesen Weg, Ihre Ideen zu verbreiten, nicht ganz verschmähn. Das hier angekündigte Journal wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch von einem ganz andern Publikum gelesen werden, als dasjenige ist, welches sich vom Geist Ihrer Schriften nähret, und gewiß hat der Verfasser der Kritik auch diesem Publikum manches zu sagen, was nur Er mit diesem Erfolge sagen kann. Möchte es Ihnen gefallen, in einer freien Stunde sich unsrer zu erinnern, und dieser neuen litterarischen Societät, durch welchen sparsamen Antheil es auch seyn mag, das Siegel Ihrer Billigung aufzudrücken.
Ich kann diese Gelegenheit nicht vorbey gehen lassen, ohne Ihnen, verehrungswürdigster Mann, für die Aufmerksamkeit zu danken, deren Sie meine kleine Abhandlung gewürdigt, und für die Nachsicht, mit der Sie mich über meine Zweifel zurecht gewiesen haben. Bloß die Lebhaftigkeit meines Verlangens, die Resultate der von Ihnen gegründeten Sittenlehre einem Theile des Publikums annehmlich zu machen, der bis jetzt noch davor zu fliehen scheint, und der eifrige Wunsch, einen nicht unwürdigen Theil der Menschheit mit der Strenge Ihres Systems auszusöhnen, konnte mir auf einen Augenblick das Ansehen Ihres Gegners geben, wozu ich in der That sehr wenig Geschicklichkeit und noch weniger Neigung habe. Daß Sie die Gesinnung, mit der ich schrieb, nicht mißkannten, habe ich mit unendlicher Freude aus Ihrer Anmerkung ersehen, und dieß ist hinreichend, mich über die Mißdeutung zu trösten, denen ich mich bey andern dadurch ausgesetzt habe.
Nehmen Sie, vortrefflicher Lehrer, schließlich noch die Versicherung meines lebhaftesten Danks für das wohlthätige Licht an, was Sie in meinem Geist angezündet haben; eines Danks, der wie das Geschenk, auf das er sich gründet, ohne Grenzen und unvergänglich ist.
Ihr
aufrichtiger Verehrer
Fr. Schiller.
Quelle:
Preußische Akademie der Wissenschaften (Hg): Kants gesammelte Schriften, Bd. XI. Briefe 1789-1794, Berlin 1900