Testament von Charlotte Corday

vom 26.04.1792.

Freunde der Gesetze und des Friedens.

Wie lange noch, o unglückliche Franzosen, wollt ihr in Wirrwarr und Spaltungen fortfahren! Genug und übergenug haben Anführer und Bösewichter das Interesse ihrer Ehrsucht an die Stelle des allgemeinen Interesses gesetzt, warum o unselige, Opfer ihrers Wütens, warum euch selbst umbringen, euch vernichten, um den Bau ihrer Tyrannei auf den Ruinen des verödeten Frankreich zu errichten!

Machenschaften und Parteiungen brechen überall aus; der Berg triumphiert durch Verbrechen und Gewalttat; ein paar Ungeheuer, die sich an eurem Blut vollgetrunken haben, leiten seine abscheulichen Komplotte und führen uns auf tausend verschiedenen Wegen zum Abgrund.

Wir arbeiten an unserem eigenen Untergang mit größerer Energie, als man je an die Eroberung der Freiheit gesetzt hat! O Franzosen, kurze Zeit nur noch, und es wird nichts von euch übrig bleiben als die Erinnerung an euer Dasein!

Schon setzen sich die erzürnten Despartements in Marsch gegen Paris; schon setzt das Feuer der Zwietracht und des Bürgerkriegs die Hälfte dieses weiten Riechs in das Flammen. Noch gibt es ein Mittel, sie zu löschen, aber es tut Eile not, wenn es angewandt werden soll. Schon bringt der ruchloseste der Bösewichte, Marat, desen Name allein das Bild all seiner Verbrechen ins Gedächnis ruft, Marat, der jetzt unter dem Rachestahl fällt, den Berg ins Wanken und lässt Danton und Pobespierre, die anderen Räuber, die auf diesem blutigen Throne sitzen, erbleichen. Da sitzen sie, schon von dem Blitz umzüngelt, dessen Einschlagen die Rachegötter der Menschheit gewiß nur darum noch aufschieben, weil ihr Sturz gewaltiger werden und alle die geschreckt werden sollen, die es gelüsten könnte, ihr Glück auf den Trümmern der betrogenen Völker zu errichten!

Franzosen! Ihr kennt Eure Feinde, erhebt euch! Vorwärts marsch! Der Berg werde vernichtet, auf dass es nur noch Brüder und Freunde gebe! Ich weiß nicht, ob der Himmel uns eine republikanische Regierung bescheren will, aber nur im Übermaß seiner Rache kann er uns einen vom Berge zum Herrn geben.

O Frankreich, deine Ruhe hängt davon ab, dass das Gesetz befolgt wird, ich taste es durchaus nicht an, wenn ich Marat töte, der vom Universum verurteilt ist, er steht außerhalb des Gesetzes.

Welches Tribunal wird mich verurteilen? Wenn ich schuldig bin, war es denn also auch Alcides, als er die Ungeheuer umbrac chte; stieß er aber auf so abscheuliche? O Freunde der Menschheit, ihr werde eine wilde Bestie nicht bedauern, die sich an eurem Blut gemästet hat, und ihr traurigen Aristokraten, die die Revolution nicht gar geschont hat, werde ihn auch nicht bedauern, ihr habt nichts mit ihm gemein.

O mein Vaterland!° Dein Unglück zerreißt mir das Herz, ich kann dir nichts bieten als mein Leben, und ich danke den Himmel, dass ich die Freiheit habe, darüber zu verfügen, niemand wird durch meinen Tod verlieren, ich werde Pâris nicht nachahmen, werde mich nicht töten, ich will, dass mein kurzer Hauch meinem Mitbürgern nützlich sei, dass mein Haupt, wenn es in Paris herumgetragen wird, ein Signal für alle Gesetzesfreunde und das der wankende Berg seinen Untergang in der Schrift meines Blutes lese, dass ich ihr letztes Opfer sei und das das gerächte Universum erkläre, ich habe mich um die Menschheit verdient gemacht. Im übrigen, wenn man mein Verhalten mit anderen Augen betrachten sollte, - ich kümmere mich nicht viel darum.

Lass diese große Tat der schreckensstarren Welt
ein Grauen sein, dem sich Bewunderung gesellt.
Mein Geist, der nicht erwägt, ob Nachruhm ihm gebührt,
Bleibt gegenüber Preis wie Vorwurf ungerührt.
Zufrieden, Bürger stets und immer frei zu sein,
Kenn´ ich nur meine Pflicht, das übrige ist Schein.
Geht, denkt nur noch, wie ihr der Sklaverei entflieht! -

Meine Verwandten und Freunde soll man nicht belästigen, niemand hat meine Pläne gekannt. Ich füge dieser Adresse meinen Taufschein bei, um zu zeigen, was die schwächste Hand vermag, wenn sie von ganzer Hingebung gelenkt wird. Wenn mir mein Unternehmen nicht gelingt, Franzosen, so habe ich euch den Weg gezeigt, ihr kenn eure Feinde, erhebt euch, vorwärts marsch, und schlagt den Feind.

Quelle:
Donath, Friedrich & Markov, Walter: Kampf um Freiheit - Dokumente zur Zeit der nationalen Erhebung 1789 - 1815, Berlin 1954


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