Johann Peter Hebel an Gustave Fecht

vom 14.12.1791.

Karlsruhe, den 14. Dec. [1791]

Allerwertheste Jungfer Gustave,

So nenn ich Sie denn iezt, — soviel ich mich erinnern kan ists das erstemal wieder, seit ich einst an einem Sontag Nachts in H. Pror[ektors] Haus beim Blindmausspiel war, und mit Schneeballen gerieben wurde, und den andern Tag etwas hörte, was ich niemand sage. Ists nicht recht daß ich Sie so nenne, so ist weit weg, gut für den Schuß. Die schlimmste Rache, die Sie dafür nehmen könten, ist die daß Sie mich dafür H.[err] Hans Peter, oder wenn Sie recht bös sind, Hans Peter schlechtweg nennen. Nennen Sie mich droben so — mir ohne Verdruß, ich hör's ia nicht. Schreiben Sie mir aber so, ey nun, so müssen Sie mir denn doch wenigstens ein Briefchen schreiben, oder zu dem Brief Ihrer Frau Mama einen Anhang machen und diese Straffe soll mich verdriessen gerade so wie den Krebs, den derSchneidermeister zu Hirschbruck vor Zorn in das Wasser warf — doch nichts für Ungut, daß ich [Sie] iezt gewissermasen noch gar mit einem Schneidermeister in Vergleichung setze, mach ich mirs doch selber nicht besser, da ich mich sogar mit einem unvernünftigen Thiere vergleiche, und bin doch wahrlich auch kein Krebs, so bin ich, wie wohl meine rothen Scheeren den ganzen Winter hindurch und der fatale Umstand, daß es mit mir leider immer rückwärts geht, mich zu einem ziemlich Krebsartigen Wesen machen.

Was ich aber eigentlich sagen wollte. Am Sontag hab ich meine erste Predigt gehalten. Hören und Sehen vergieng mir, als ich mich so von einem Meere von Hauben und Frisuren umfluthet sah. Die Leute sehn alle so kennerisch aus, unter den Hauben und Frisuren; Uebrigens war es keine Antrittspredigt. Mauritii sagte, da ich keine Seelsorge bekomme, so werd ich nicht presentirt, und da ich nicht presentirt werde, so sei keine Antrittspredigt nöthig — das halten Sie für eine Ausflucht. Aber sehen Sie iezt einmal wie Unrecht Sie mir thun. Ich werde die Predigt doch schiken in den Ferien, wenn ich Zeit habe sie abzuschreiben. O ich hab mich in dem Stück ganz geändert. Ich bin so stolz, daß die Karlsruher Kenner so zimlich zufriden waren, und kaum die Hälfte Zuhörer, höchstens 2 oder 3 mehr, einschlieffen, so stolz, daß ich die Predigt in die ganze Welt schiken möchte, und Sie mir keinen größern Verdruß anthun könnten, als wenn Sie mich wissen ließen, daß Sie dieselbe nur aus Spaß verlangt hätten. Aber ein Karlsruher Diakonus lasst nicht mit sich spaßen. Sie müssen sie iezt haben, und sollten Sie nur Baumwollen drauf spinnen, oder ihre blonden Haare damit aufwikeln; Bis dorthin ists ohnehin eine alte Predigt und was kann eine alte, und noch dazu eine schlechte Predigt für einen schönern Tod pretendiren, als einen solchen.

Und das wollt ich auch noch sagen, daß der Zucker gar süß war in der neuen Zuckerbüchse, und daß ich mich recht schön dafür bedanke, vermutlich war er ia von Ihnen. Wenn er doch gar vom Hans Jerg gewesen wäre und ich hätte mir ihn so süß vorkommen lassen, das wäre eine rechte Narrheit von mir gewesen. Und noch für eins mus ich Ihnen danken vermöge eines unwiderstehlichen Dranges meines Herzens, so ungern ich es um Ihretwillen thue, für alles Gute und Angenehme, für alle Freude die ich in Ihrer Nähe empfand, wenn ich auch nur still in einer Ecke saß und Ihre guten frommen Gesinnungen bewunderte, und mich an Ihren sanften Tugenden ergözte. Doch ich erinnere mich, daß ich auch eine edle Bescheidenheit an Ihnen entdekte, also kein Wort weiter. Seyen Sie meines Danks und meiner Hochachtung versichert.

Möge der Himmel alle guten Wünsche wahr machen, die mein Herz für Sie hat, so oft ich Ihrer gedenke. Leben Sie wohl und gönnen Sie bisweilen einen müssigen Augenblik dem Andenken

Ihres gehorsamsten D[iene]rs Hebel

 

Quelle:
Zentner, Wilhelm (Hg): Johann Peter Hebel: Briefe; ausgewählt und eingeleitet von Wilhelm Zentner, Ebenhausen bei München, 1976


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