Das Treffen von Spinges im April 1797
Im März des Jahres 1797 erreichten die Truppen der französischen Republik auch das bisher friedliche Tirol. Entsprechend der alten Tiroler Landlibells aus dem Jahre 1511 wurden nun die Schützen bei Gefahr für die Tiroler Heimat aufgerufen sich dem Landsturm anzuschließen.
So trat auch der Landsturm des Inntales auf diesen Ruf hin unter dem Befehl des Schützenhauptmanns Philipp von Wörndle zusammen.
Die Schützen marschierten zunächst nach Scherzing um dann ihren beschwerlichen Weg durch Schluchten und über Gebirge hinweg fortzusetzen. Dieser Marsch in Richtung des Pustertals wurde jedoch durch die ungünstigen Witterungsbedingen wie Nebel und Schneefall erschwert.
Ziel der Schützen war es, den französischen Truppenverband der unter Befehl des Generals Joubert aus Südtirol heranrückte, im Pustertal den Vormarsch des Feindes zu stoppen und ein weiteres Vorrücken nach Nordtirol zu verhindern. Zeitgleich marschierten österreichische Truppenverbände in das Etschatal ein und schnitten General Jouberts Truppen den Nachschub ab.
Die Landsturmmänner des Vinschgau, aus dem Burggrafenamt und dem Etschtal sammelten sich in den Bergen rund um Bozen und erhellten mit ihren Wachfeuern die Nacht. Die Haller Schützen überstiegen gemeinsam mit den Schützen aus Thaurern das Penserjoch. Dort vereinigten sich die Schützen mit den Sarmtalern. Diese rückten gemeinsam gegen das Dorf Schalders und Bahn vor während die Pustertaler Schützen auf die Mühlbacher Klause zumarschierten. Die Truppen des Feldmarschall-Leutnants Kerpen rückten von Sterzing kommend vor. So zeichnete sich am Vorabend des Gefechts von Spinges die militärische Situation in Tirol ab.
Am Morgen des 02.04.1797 marschierten die Schützen Wörndle von den Höhen um Spinges kommend auf das Dorf zu. Zunächst konnte man die französischen Soldaten aus den Wäldern vertreiben. Doch konnten die Tiroler Schützen das Dauerfeuer nicht lange aufrecht erhalten, da ihnen die notwendige Munition fehlte. Die Franzosen erkannten ihre Chance und pflanzten die Seitengewehre auf um dann zu einem Bajonettangriff überzugehen.
Der Schützenmajor erkannte die drohende Gefahr rechtzeitig und er entriss einen Landstürmer das Gewehr um unter den Ruf »Zuschlagen! Zuschlagen!« auf den Gegner zuzustürmen. Die Tiroler Bauern folgten dem Beispiel und kämpften nun mit den umgekehrten Stutzen gegen den Feind. Das Herunterschmettern der Kolben sowie das Geschrei der getroffenen und verwundeten Franzosen waren weithin vernehmbar. In einem dreistündigen Ringen Mann gegen Mann gelang es den Tiroler Landesverteidigern den Gegner in die Felder um Springes zurückzudrängen.
Gegen 1 Uhr in der Mittagszeit rückten etwa 2.000 französische Soldaten aus Richtung Mühlbach an. Zunächst vermutete der Schützenhauptmann Wörndle hier eine Unterstützung der Pustertaler Landsturms, die ihm zu Hilfe eilten. So feuerte er seine Leute zu einem weiteren Kampf an.
Über die Kämpfe an diesem Tage ist auch noch in der Innsbrucker Chronik der Brüder Putsch zu lesen, die noch im April 1797 diese Zeilen niederschrieben:
Die vorderste Truppe Bauern warf sich in den dortigen Kirchhof. Am heftigsten wütete da die wechselseitige Erbitterung. Von den Mauern wurden die Feinde mit Sensen, Gewehrkolben und Heugabeln zurückgestoßen. Die Bewohner von Spinges labten die Stürmer und fochten an ihrer Seite. Ein Bauernmädchen zeichnete sich hier als Heldin aus, sie stieß drei stürmende Franzosen mit einer Heugabel von der bereits erklimmten Mauer hinab."
Hier fällt insbesondere die Erwähnung eines Bauernmädchens auf, die mit einer Mistgabel in der Hand mehrere anstürmende Franzosen von der Mauer stieß.
Hierüber berichtete auch der Schützenhauptmann Wörndle in seinem Gefechtsbericht, den er im Winter 1797/98 verfasste mit wenigenWorten:
Man sah hier unter anderen eine Bauernmagd aus Spinges, die, mit zusammengegürtetem Unterkleide und fliegenden Haaren auf der Friedhofsmauer stehend, die anstürmenden Feinde mit ihrer kräftig geführten Heugabel hinunterstieß.
Diese Bauernmagd von der hier die Rede ist, war die aus St. Vigil stammende Katharina Lanz (1771-1854), deren Identität erst im Jahre 1870 gelüftet wurde.
Aber auch andere Landsturmmänner kämpften an diesem Tag mit vollem Einsatz. So hatten viele der gefallenen Landstürmer noch vor ihrem Tode versucht, soviel Schaden unter den angreifenden Franzosen anzurichten, wie es nur möglich war.
Da war Georg Fagschlinger, der aus Arams stammte, und neben sieben erschlagenen Franzosen auf dem Schlachtfelde zurückgeblieben war. Seine Brust war von elf Bajonettstichen getroffen worden.
Der Kompaniehauptmann Anton Reinsch, der lange Sensenschmied von Volders, der eine eigenhändig angefertigte zweischneidige Sense führte, stürzte sich ebenfalls allein auf den Gegner. Erst nachdem er schon 15 feindliche Soldaten mit seiner Sense niederstreckte, brach auch er von Bajonettstichen tödlich getroffen zusammen.
Aber auch Veit Erler aus Vögelsberg, die Brüder Joseph und Johann Burggasser aus Innsbruck sowie Hans Kapferer aus Lisens oder auch Stubayer Johann Volderauer blieben auf dem Schlachtfelde und ihre Körper waren von französischen Bajonetten durchstoßen worden.
Ein Trupp Bauern konnte sich dreimal eines französischen Sturmangriffes in Bataillonsstärke in der steinernen Kirche des Dorfes erwehren.
Nachdem sie den Feind bei Spinges erfolgreich zurückgeschlagen hatten, bemerkten die Tiroler Landesverteidiger gegen 4 Uhr nachmittags etwa 1.000 französische Soldaten, die über den Bergrücken von Aicha vorrückten um ihnen den Rückweg abzuschneiden. Diese Gefahr erkennend entschlossen sich die Schützen, den Gegner anzugreifen und in die Ebene herunterzutreiben. Als die Franzosen sich in ihrer Fluchtbewegung in einer Quermulde verschanzen wollten, stürzten sich die Schützen ebenfalls in den Graben und verjagten den Gegner im Zweikampf.
Bei der anschließenden Verfolgung mussten die Tiroler Schützen jedoch größere Verluste verzeichnen. So fielen von den 500 Angehörigen des Rettenberger Schützenaufgebots alleine 20 Mann. Insgesamt musste man auf Seiten der Schützen 103 Tote und 85 Verwundete sowie 32 in Gefangenschaft geratene Schützen verzeichnen.
An diesem Tage erlebten die französischen Soldaten erstmals die erbitterte und wilde Kampfart der Tiroler Schützen kennen.
Erst am folgenden Tag führte der österreichische Generalmajor Laudon einen Angriff gegen die Franzosen, der sie in Richtung Bozen zurückdrängte. Leutnant Neipperg vernichtete die französischen Posten und Magazine um Bozen herum.