Ludwig van Beethoven an Johann Baptist Bach

vom 27.10.1819.

Vien am 27ten Okt. 1819

Euer wohlgebohrn!
Sie werden schon die Schrift der F.[rau] J.[ohanna] Beethow. erhalten haben, die Person ist zu sehr unter aller moralischen Würde als daß ich die Anfechtungen gegen mich widerlegen sollte, Sr. kais. Hoheit Eminenz u. Cardinal, die mich als Freund u. nicht als Diener behandeln, würden ungesaümt ein Zeugniß ausstellen sowohl über meine Moralität als über das Gewäsche von ollmütz, wo kein wort von wahr ist, so viel man weiß u. S. H. selbst, werden sellbe alle Jahre höchstens 6 wochen dort zu bringen, jedoch Es wäre zu viel Ehre einer solchen beynahe Gesezlosen Person, welche nach dem § 191, da Sie beym criminal war, gar keiner vormund.[schaft] fähig ist; < – >noch Beweise von der Nichtigkeit ihrer Verleumdungen beyzubringen. –

Die Hauptpunkte sind, daß man mich sogleich als alleinigen Vormund anerkennt, keinen Mitvormund nehme ich an, eben so ist die Mutter Von dem Umgang mit ihrem Sohne im Institut aus geschloßen, weil für ihre Unmoralität nicht genug wächter dort seyn können, u. Sie den Erzieher verwirrt macht durch ihre falschen Angaben u. Lügen, die sie ihm auftischt, ebenfalls ihren sohn zu abscheuligen Lügen u. aussagen gegen mich verführt, selbst auch Anklagen gegen mich schmiedet, indem ich ihm bald zu viel bald zuwenig soll geben oder gegeben haben, +alle diese behauptungen kann ich durch Zeugen beweisen. – + damit aber die Menschlichkeit hiebey nicht aus den Augen gesezt werde, so kann selbe ihren Sohn zuweilen bey mir in Gegenwart des Erziehers u. anderer ausgezeichneten Menschen [sehen] –

die L.[and]R.[echte] erließen sehr weißlich hierüber an Hr. Giannattasio, wo er damals sich im Institut befand, eine Verordnung im allgemeinen, Es kam unterdeßen so weit, daß selber sie durchaus nicht bey sich im Hause sehn wollte, sondern Sie, um ihrensohnzusehen, zu mir kommen muste, wo Hr. G. selben zu mir daswegen begleitete. – in dem Institute vor diesem, wußte sie ihren sohn zu bereden, daß er machen muste, in die <3>2te oder 3te Klaße bey der Prüfung zu kommen, damit Es heißen sollte, als hätte ich schlecht für ihn gesorgt, hiedurch wurde er um ein ganzes Jahr in seinen Studien zurückgesezt, der damalige von mir eingesezte Vormund M.[agistrats] R.[at] Tuscher erließ ein ReScript an den instituteur, wo der sohn war, daß er sie nicht mehr zu ihrem sohn laßen solle – allein was alles darnach vorgegangen ist schrecklich – ich bin der Meynung, daß sie fest u. unverbrüchlich draufhalten, daß ich alleiniger Vormund bin, daß diese Unnatürliche Mutter ihren Sohn nie anders als bey mir sehen soll, meine bekannte Humanität u. Bildung wie meine mir gewöhnliche Menschlichkeit<,> verbürgt, daß mein Betragen gegen Sie nicht minder edel als gegen ihren sohn seyn werde, übrigens glaube ich solle man alles in Kürze u. wo möglich das appellationsGericht zur VormundschaftsBehörde zu erhalten suchen, da ich meinen Neffen <schon>Unter <in>eine höhere Kategorie gebracht, so gehört weder er noch ich nicht <dahin> an den M.[agistrat] indem unter eine solche vorm. nur wirthe schuster u. Schneider gehören. –

Was seinen jezigen Unterhalt betrift, so lange ich lebe, ist u. wird dafür gesorgt, für die Zukunft hat er 7000 fl. w.w., wovon seine Mutter <jez>so lange Sie lebt die nuznießung hat, alsdenn 2000 fl. (oder noch etwas darüber, da ich ihm diese umgesezt,) wovon ihm die Intereßen gehören, u. 4000 fl. in Silber liegen in der Bank von mir, da er mich ganz erbt, so gehören sie zu seinem Kapital, sie sehn, daß bey seinem großen Talent, welches freylich beym v.[iener] M.[agistrat] nicht in Anschlag kommt, da er nicht gleich den Nährstand ergreifen kann, überflüßig für ihn schon jezt, im Falle ich früher sterben würde, gesorgt ist, <alles dieses> die 2000 fl. ihm zu erringen kostete viel Geld, die Konfusionen dieses elenden M. haben die auslagen nur noch größer gemacht, diese Menschen sind gar nicht im stande diese wichtige Sache zu faßen, noch viel weniger dafür oder darnach zu handeln. –

Da das Testament <gelogen> eben nicht vortheilhaft für den Sohn war, u. die L.[and]r.[echte] ebenfalls bestimmten, daß der sohn nie bey seiner Mutter solle, so machte ich alles so billig als möglich, obschon sie schon bey der inventur in Verdacht gerieth bey den L.r. Unterschleife gemacht zu haben, mir war nur um seine Seele zuthun, daher überließ man ihr den ganzen Nachlaß jure crediti , ohne zu Untersuchen, ob die angegebnen schulden ihre Richtigkeit hätten, wobey denn wenig für den sohn heraus kamm, nemlich die obenangegebnen 2000 fl. w.w. ist alles, was man erhalten konnte nebst der Nuznießung d.s. für ihn, selbe sezte ich um in <Silb>lotterie loose, welches eine große Summe kostete, so daß die Intereßen beträchtlicher für ihn ausfallen, sodann half ich ihr zu der Pension, wo sie <nebst> denn die Hälfte selber für den ganzen Nachlaß jure crediti <...?>abgetreten, jedoch schon vor 1816 Sorgte ich für meinen Neffen u. alles auf meinen eigenen Kosten, (da ihr schlechter Karakter es nicht anders zuließ, als <ihr>sie <alles>zu allem durch die Gerichte zu zwingen, so können sie leicht die Summen denken, die der Knabe kostete,) wie gesagt schon vor 1816 gieng alles auf meine Kosten (bey der damaligen Theurung kostete sein Aufenthalt im Institute große Summen,) dies dauerte bis 1818, wo aber Fr. Beeth., da sie ihre Pension zuerst erhielte, nichts hergeben wollte, sie muste also gerichtlich hiezu gezwungen werden, der spaß kostete über 180 fl. w.w. –

was ich daher erhalten für die Erziehung ist bald berechnet, von 1818 im May angefangen, nun habe ich seit 9 Monathen keinen Heller von der Pension erhalten, da sie selbe mit Fleiß nicht abhohlt, in dem wahn mich dadurch in Verlegenheit zu sezen, da ich selbe nicht eher empfangen kann, bis Sie sie selbst abhohlt, so habe ich immer noch obendrein ein halbes Jahr zu wenig; – noch nie hat es ihm an etwas gefehlt, ja es würde noch mehr geschehen wenn nur diese obervorm. Plage ein Ende hätte, nichts hat mich abgehalten keine Chikane kein Hinderniß immer gleich für ihn sorge zu tragen selbst unter einem andern vorm.[und] wo die Sorgen nur noch größer, +ja selbst bey den Aufwieglungen der Mutter des Knabenwider mich!!!+ bin ich immer derselbe geblieben, erst gestern troz aller Erniedrigung habe ich dem Erzieher geschrieben, wo ich ihn ebenfalls selbst hingebracht, daß ich fortfahre für meinen Neffen zu sorgen, u. daß er ihn durchaus nicht diesem elenden Mag. in die Hände geben solle –

Urtheilen sie nun ob ich nicht allein verdiene Vormund zu seyn, sondern in vollem Sinne des wortes mir der vaternahmen <verdiene> <nicht> zukomme, um so mehr, da ich seinem unglücklichen vater durch Seine abscheuliche Ehegattin mehrere Jahre durch meine reichliche Unterstüzungen das Leben rettete < – >u. Verlängerte. – ich habe geglaubt, Es sey nicht unnüz, ihnen mit einige[n] Daten in dieser Sache an die Hand zu gehen, verzeihen sie meine weitlaüfigkeit, sie ist der Kürze der Zeit zuzuschreiben, denn schon Cicero entschuldigte sich, daß er um kurz zu seyn zu wenig Zeit gehabt hatte – dabey ist die sache so aüßerst unangenehm an sich selbst –

indem ich ihnen in meiner Angelegenheit die meines mir theuren Neffen auf's beste emphele
bin ich mit ausgezeichneter Hochachtung ihr ergebenster

Beethoven

Nachschrift.
Die Absicht der Mutter ist ihrenSohn bey sich zu haben, um die Pension ganz genießen zu können, sie hat in dieser rücksicht noch überall Wo der sohn war kabalirt sey's bey mir oder im Institut, wie ich denke, können sie daraus ersehen, daß ich vernünftige Männer um Rath gefragt habe, ob ich ihr diese hälfte der Pension zu ihrem besten ganz überlaßen, u. dem sohn pflichtmäßig Sie aus meinem Sacke wieder ersezen soll, das resultat war nein, da sie das Geld nur zu schlecht anbringen würde, ich habe daher beschloßen mit der Zeit diese Summe meinem Neffen zurückzulegen, übrigens sehn sie hier noch, wie unvernünftig der M. handelt, meinen Neffen gänzlich von mir loßreißen zu wollen, da, wenn sie stirbt, der Knabe diesen Theil der Pension verliert, u. ohne meine Hülfe u. unterstüzung höchst dürftig

Quelle:
Beethoven Gesamtausgabe, Brief 1348


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