Rede auf den Untergang des Heiligen Römischen Reiches

vom 07.01.1798.

Bürger!

Noch hat die Sonne, dem nassen Schooße des Meeres entstiegen, nicht sechsmal ihre Toilette gemacht, noch nicht sechsmal ihren gewöhnlichen Halsbrechenden Spaziergang über das Gebälke des Himmesl zurückgelegt, und dann hinter den fernen Gebirgen versteckens gespielt; oder dichterisch zu reden, noch sind keine sechs Tage verflossen, da freuten wir uns noch gemeinschaftlich über den Fall des unüberwindlich geglaubten Maynz’s. Stolz sprachen wir: Maynz ist unser! Maynz ist unser! halte es wider bey Gläserklang; Maynz ist unser! war die hundert und hundertmal getrunkene Gesundheit unserer Gelage. Kein Wölkchen trübte die Zufriedenheit unserer Seele. Wir träumten zusammen den Traum der Reichsintegrität; lachten über die drolligte Figur, die dieses gespenstermässige Wesen darin spielte, lachten über seine zwey Köpfe und 14 Nasen, über sein 400 Morgen Felde großes Gebethbüchlein; lachten über die deutsch spanischen Grandezzas, die in ihrem Jargon wimmernd darinn auftraten, machten uns lustig über den poßierlichen Eifer der bellenden Fürstenbande, die in ihrem Ingrimme den vor Kurzem noch so sklavisch angebeteten Götzen durchzuprügeln drohte, scherzten auf Kosten der armen hungernden und dürstenden Möchen, und beaugenscheinigten mit einem angenehmen Entsetzen die schlotternden Waden und Bäuche der Bedrängten, und sahen mit Achselzucken den lustigen Grimassen und anmuthigen Kabriolen der Pfaffenoorden zu. — Das alles setzte unser Zwergfell in eine heilsame Bewegung; wir waren lustig, und froh und —— glücklich; denn, nie drückt Kummer den Lacher, im Augenblicke des Ausbruches dieser Empfindung. — Aber ach! Diese schönen Tage sind vorübergegangen; sie sind verloren, unwiderbringlich verloren. Die Sonne, die uns damals alle Gegenstände in einem goldenen strahlenden Lichte darstellte, hat sich hinter schwarze unglücksschwangere Wolken versteckt, dicke ägyptische Finsterniß ist an die Stelle des allbelebenden Stoffes getreten; still und düster alles um uns her. Sie sind vorübergegangenm diese Tage des Wohllebens und der Freude; Tage des ‚Schmerzens und der Trauer sind an ihre Stelle getreten. Schreckliche Dinge sind über uns gekommen; die Zuchtrute des Herrn hat uns gestraft um, unserer Frevel willen. Weh über uns! Jenseits das Schicksal segnen, das sie für früher dahin raffte; unsern Kindern werden sich die Haare sträuben, wenn sie an die Unglückszeit zurückdenken, Ha! Und wären die Sterne vom Himmel gefallen, wie Hagel, und hätte unsere Hühner und Gänse erschlagen, und uns selbst mit Beulen die Köpfe gepflastert: unser Schmerz wäre nicht so innig, nicht so gerecht, als er jetzt bey dem Trauerfalle seyn muß, der uns zu Boden drückt. Erschiene auch der Würgengel noch einmal und erschlüge die Erstgeburt aller Schriftsteller; des Seufzens und Weinens, des Haarausraufens und des Händeringens wäre nicht soviel, als dessen jetzt bey dem schrecklichen Unfalle, der uns betroffen hat, seyn wird. Drum, seufzet Bürger und jammert! Verhüllt Euch in Trauerflöre! Weinet bis euern Augen Thränenbäche entquellen, und das ganze linke Rheinufer zu einem salzigen See machen! Laßt eure Weiber und Kinder schreyen und heulen, daß Sibiriens fernste Gebirge es zurückhallen. Töne Trauerglocke, töne! du tönst nicht umsonst Schwermuth in die Seele; rolle dumnpf und hohl, gedämpfte Trommel! Weinet ihr Bäume! Weinet ihr Felsen! wer wird nicht weinen, wenn ganze Völker in Thränen zerfließen; traure Natur! Du hast deinen ersten Zögling verlohren.

Vernehmet Bürger! Die Trauerpost, die ein unglückliches Schicksal Euch anzukündigen mich zwingt. — Thränen ersticken meine Worte, indem ich dieser traurigen Pflicht nachlebe, und Euch die Botschaft mittheile. Doch ich ermanne mich: es sey! Macht euch gefaßt, Bürger! das Schlimmste zu vernehmen.

Am dreysigsten December 1797 am Tage des Übergangs von Maynz, Nachmittags um drey Uhr starb zu Regensburg in den blühenden Alter von 955 Jahren 5 Monaten, 28 Tagen, sanft und seelig an einer gänzlichen Entkräftung, und hinzugekommenen Schlagflusse, bey völligem BEwußtseyn, und mit allen heiligen Sakramenten versehen, das heilige römische Reich, schwerfälligen Andenkens.

Ach Gott! Warum mußtes du dann deinen Zorn zuerst über dies gutmüthige Geschöpf ausgiessen; es graste ja so harmlos und so genügsam au den Weiden seiner Väter, ließ sich so SChaafsmäsig, zehnmal im Jahr die Wolle abscheren: war immer so sanft, so geduldig, wie jene verachtete langöhrige Lastthier des Menschen, das nur dann sich bäumt und ausschlägt, wenn muthwillige Buben ihm mit glühendem Zunder die Ohren versengen, oder mit Terpentinöhl den Hintern besalben. Warum traf dein Blitz nicht lieber eines jener benachbarten Raubthiere, die sich vom Blute derjenigen mästen, die das Unglück haben, schwächer, als sie, zu seyn; die noch jüngst halb Europa auswürgten, und mit Graus und Elend die Erde bedeckten. Doch höchstes Wesen! Du bist unerforschlich; deine Wege sind in Dunkel gehüllt; wir stehen anbethend vor deinem Heiligthum.

Versuchen wir, um unsern Schmerzen lindernden Balsam aufzulegen, mit einigen wenigen Pinselzügen die Lebensgeschichte des Verewigten zu mahlen.

Der Verblichene ward geboren zu Verdun im Juny des Jahres 842 von Christi, unseres gnadenreichen Erlösers Geburt, unter der Regierung Ludwig des Deutschen. Als er das Licht der Welt erblickte, geschahen mehrere auffallende Wunder, die jedermänniglich in Erstaunen setzten. Der ganze Himmel glühte von unzähligen feurigen Drachen und brennenden Kreuzen, ein blutrothes Licht bedeckte den ganzen nördlichen Horizont, im Zenith flammte ein unglückschwangerer Perückenkomet. Die Hebamme wars, die denselben am ersten erblickte. Eine heilige Begeisterung ergriff sie bey dieser Erscheinung, sie tobte und schäumte, bekam Konvulsionen, und sprach endlich in überirdischer Exstaße die prophetischen Worte; »Ein Kindlein unter diesem Gestirne geboren ist kalter und feuchter Natur, liebet den Frieden, ist leidsam, wird derowegen von bösen Menschen verfolgt werden, und das Zeitliche ruhig verlaßen.« Der Junge war übrigens bei der Geburt so wohl bei Leibe, daß alle Umstehenden ihre einzige Freude daran hatten. Er wurde nun am Hofe Karls des Einfältigen, Ludwig des Kindes und ihrer Nachfolger erzogen, in seiner zartesten Jugend statt der Muttermilch mit Heidenblute genähret, und nahm zu, und wuchs sichtbarlich, wie ein Pilz. Sobald der junge Prinz die Kinderschuhe abgelegt hatte, wurden ihm die Päpste zu Hofmeistern gesetzt, und diese bemühten sich, ihn in der gehörigen Gottesfurcht, und allen seinem hohen Stande zukommenden erlaubten Kenntnissen zu üben. Zu den ermüdenden Beschäftigungen des Kriegs und der Waffen, zeigte der Eleve aber wenig Lust; ward er ja einmal zu einem weltlichen Strauße gezwungen, so kehrte er doch immer mit vermehrtem Eckel und Ueberdruße an so blutigen Spielereyen wieder heim, und seine Hofmeister hielten nicht für gut, ihn darinn auf andere Gedanken zu bringen. Die Kopfbrechenden Arbeiten des Antiquars und des Mönchs waren dagegen seine Liebelingsbeschäftigung. Jahrhunderte hindurch saß er anhaltend in Archiven, umgeben von Akten und bestäubten Papieren, aus denen ihn nur allenfalls sein Feuereifer für die Religion und die alleinseligmahende Kirche bei Türkenkriegen und Römerzügen hervorrufen konnte. Aber dann focht er auch wie ein Verzweifelter; Ketzer-. Und Sarazenenblut floß in Strömen um ihn, tausend und tausend warf er hin, den Vögeln des Himmels, und den Thieren des Feldes zur Speise. Stolz sahen die Pädagogen zu Rom auf ihren hoffnungsvollen Zögling, stolz sprachen sie: »Das ist unser Werk, laßt uns dasselbe vollenden und unsern Geist ihm einhauchen.« Sie sprachen’s, und kanonisierten ihn lebendigen Leibes, und es hieß nun das heilige römische Reich. Aber Ach! Indem sie dem Armen die Glorie hingaben, vermochten sie nicht, ihn von den Gebrechen des menschlichen Lebens hinienden zu befreyen. Jener Hang zum sitzenden Leben, verbunden mit seinem leidenschaftlichen Eifer für die Religion, schwächten immer mehr seine ohnehin wankende Gesundheit, sein Kopf ward zusehens schwächer, seine Geisteskräfte nahmen von Tag zu Tag immer mehr ab, der Bewohner des Himmels ward fremd auf unserer Erde, bis er endlich in einem Alter von etwa dritthalb hundert Jahren, zur Zeit der Kreuzzüge, wahnsinnig wurde. Nur starke Aderlässe, und eine strenge Diät, bewirkten seine Herstellung, eine Kur, die aber nur palliativ und nicht radikal war. Daher trat eine starke Hektik an die Stelle des vertriebenen Wahnsinns, und benagte mit scharfem Zahne die Wurzel seines Lebens. Jahrhunderte hindurch schmachtete der Kranke nun sein Leben dahin, abgezehrt zum Schatten, schlich er wie ein Gespenst unter seinen Brüdern umher, aus seinen hohlen Augen grinzte der Tod mit allen seinen Schrecknissen hervor. Die Krankheit stieg in einer so fürchterlichen Progression, daß der Patient in einem Alter von etwa achthalbhudnert Jahren, zur Zeit des dreysigjährigen Krieges, heftige Blutstürze bekam, die halb Europa überschwemmten, und beynahe ein halbes Jahrhundert hindurch dauerten, und von denen er sich kaum wieder erholt hatte, als endlich die leidigen Franzosen hinzukamen, und ein Schlagfluß, der ihn, als er sich wieder einmal in seine Akten vergraben hatte, überraschte, seinen Leiden ein schnelles Ende machte. Sanft und heiter waren die letzten Stunden des Seeligen, eine bessere Zukunft lachte ihm entgegen, und erleichterte ihm den Todeskampf; er sah ohne Grausen in die fürchterliche Kluft, die ihn zu verschlingen sich geöffnet hatte, denn sein Gewissen drückte keine Blutschuld.

Bete für die arme Seele ihr Christen! Damit Gott ihr ihre Sünden vergebe, und sie aus dem Fegefeuer befreye, wenn sie ja dort noch geringere Vergehen abbüßen muß. —

Gewiß Bürger! Theilt ihr mit mir und allen Angehörigen des Verstorbenen den gerechten Schmerz, der uns alle zu Boden drückt, Ach! Er war ein so guter liebevoller Vater, er ertrug mit einer so nachahmungswürdigen Hingebung, mit einer so ächt christlichen Demuth, alle die Verfolgungen, die er sich gefallen lassen mußte, weil seine Kränklichkeit ihn etwas unbehilflich machte. Er verzieh mit so rührendem Langmuth allen denen, die ihn neckten und reizten, die ihm die empfindlichsten Wunden versetzen, die es darauf angelegt hatten, seinen Tod zu bewirken, um sich in seine reiche Erbschaft zu theilen; er vergab allen diesen Todfeinden so gern und so willig; er hielt mit einen so lobenswerthen Eifer auf die alten Gebräuche und Herkommen, bewahrte seine Tugend so rein von den Flecken der Afteraufklärung und des Verderbs; und ach! Diesen Vater haben wir verlohren; auf immer verlohren, er ist in bessere Welten hinüber gegangen, und hat uns als trostlose Waysen zurückgelassen.

Vernehmt Bürger! seinen letzten Willen, vernehmt das Testament, in dem er seinen Edelmuthe und seiner Vertragsamkeit ein unvergängliches Denkmal errichtet, horcht auf die letzten Worte eures hingeschiedenen Wohlthäters.

Sit nomen Domini benedictum!

Im Namen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit, Vaters, Sohns und heiligen Geistes, im Namen der der heiligen Mutter Maria und Anna, der heiligen Ursula mit ihren 11.000 Jungfrauen, im Namen aller Heiligen des Monats Oktober.

Und der Herr sprach zu Sirach: geh und bestelle dein Haus, damit dein Ziel dich nicht unverhofft überrasche.

Da die zunehmende Schwächlichkeiten des Alters, verbunden mit den beunruhigenden Symptomen einer immer weiter um sich fressenden Krankheit, unsere Gesundheit beständig mehr untergraben, uns dem Ziele, das einst alle Menschen erreichen werden, immer näher bringen, und unsern immer dünner werdenden Lebensfaden plötzlich zu zerreißen drohen: wir uns aber auf einen solchen Fall gefaßt machen und vorbereiten wollen, damit unter unsern etwaigen Leibeserben bey unserm gottbeliebigen Ableben kein Streit und Zank über unsre Verlassenschaft entstehe, sondern alles in Frieden und Ruhe und christlicher Vertragsamkeit abgethan werde: so bestimmen wir hiermit, bey völliger Vernunft unsere letzte Willensmeynung, und wollen, daß alles, was darinn enthalten ist, eben so pünktlich und buchstäblich vollzogen werde, als wenn wir selbst bey der Ausführung zugegen wären.

Wir setzen daher fürs erste fest, und ernennen die Fränkische Republik als einzige rechtmäßige Erbinn des ganzen linken Rheinufers, und bitten diese verehrlichte Republik dies kleine, aber gutwillig gegebene Geschenk, als ein Zeichen unserer Hochachtung und Liebe anzunehmen.

Eben so übertragen wir zweytens Salzburg, Passau und einen Theil von Bayern seiner Majestät dem König von Ungarn und Böhmen; Hannover und die Hansestädte, seiner Majestät dem König von Preußen, und das Uebrige unsers Gebietes soll zu einem Mignaturgemählde unserer ganzen Person und Physionomie, in den Tempel der Unsterblichkeit , verwandt werden, nachdem vorher die zehn Reichskreiße durch geschickte Hände eine moderne Façon erhalten haben.

Wir verordnen ferne drittens, daß zur Entschädigung der durch diese Anordnung ihres Eigenthums beraubten Reichsfürsten, die Reichsinsignien unter dieselben und zwar so vertheilt werden sollen: daß der Kurfürst von Trier das Schwerdt Karls des Großen, der Kurfürst von Kölln das des heiligen Mauritius erhält. Die Magistrate von Nürnberg und Frankfurt sollen sich in die Krone, die von Worms und Kölln in den Zepter theilen. Der Herzog von Zweybrücken soll die Stola, der Bischof von Passau die Dalmatika, der von Salzburg die Alba, der Kurfürst von Hannover die Strümpfe, der von Maynz die Handschuhe, der Kurfürst von Bayern den Gürtel, die russische Armee aber die Sandalien erhalten. Der Reichsapfel endlich als Zeichen der Weltherrschaft, soll dem brittischen Minister Pitt vorbehalten seyn.

Die Reichsoperationskasse und die goldene Bulle, viertens, sollen seiner päpstlichen Heiligkeit zufallen; die Erste, um ihre zertrümmerten Finanzen damit wieder herzustellen, die Zweyte, — die goldene Bulle nämlich, — damit selbe ihre eigenen Bullen damit vergolden, und demselben durch die äusserlichen Schimmer, der in unsern verderbten Zeiten notwendig ist, den verlohrnen Kreidit wieder verschaffen können.

Fünftens, die große mittlere, und kleine Reichstitulatur soll einer öffentlichen Versteigerung ausgesetzt, und aus dem Erlöß ein jährlichs Seelenamt gestiftet werden, das jedesmal an dem Jahrestage unseres Hintritts mit aller möglichen Feyerlichkeit gehalten werden soll.

Sechstens, Die Kayserliche Majestätsrechte sollen unter die Reichsbauern vertheilt und patagiert werden.

Siebentens, vermachten wir die jährlichen Einkünfte des Kaysers ad circa 13.000 Florin dem Armenhause zu Regensburg.

Achtens, die Reichsritterschaft soll beritten gemacht, in ein Regiment geformt und dann in Russischen Sold übergeben werden. Die Rheinische, Schwäbische, Prälaten und alle übrigen Reichsbänke sollen die Universität Heidelberg überliefert werden.

Neuntens. Der Reichstag mit allen Prinzipal- und Konkommissionen soll nach vorher gemachtem Inventarium über die vorgefundenen Kurfürsten, Erzbishöffe, Bischöffe, Aebte, Pröbste, Herzoge, Pfalzgrafen, Markgrafen, Landgrafen, Reichsstädte, und Ganerben, geschlossen und versiegelt werden.

Zehntens, Das Reichskammergericht mit seinen Kanzleyverwandten, Generalreichsfiskalen, Fiskaladvokaten, Protonotarien, Fiscalnotarien, Pfennigsmeistern, Taxeinnehmern, Kompletoren, Botenmeistern, Ingrossisten, Kopisten, Pedellen, Holzhackern, Substituten, Supernumerarien etc., soll in den Mond versetzt werden. Eben die Bewandniß soll es mit den Reichshofrathe haben.

Eilftens, die Reichdeputation in Rastadt soll ihre Sitzungen permanent erklären, und sih dann mit Abschluß eines ewigen Friedens beschäftigen; jeder Artikel desselben darf aber in nicht weniger als 50.000 Sitzungen abgethan werden.

Zwölftens, Die Reichsarmee soll dem Landgrafen von Hessenkassel übergeben werden, damit er sie bey erster bester Gelegenheit dem Meistbietenden zuschlagen, und nach England, Amerika, oder Ostindien verhandeln, und an den Mann bringen möge.

Dreyzehntens. Die Römermonate und Kammerzieler sollen künftig nur am Krönungstage, der jedesmal auf den Nimmertag fallen wird, gehoben werden.

Vierzehntes. Das Reichswappen soll auf unserm Grabe aufgehangen, und der darauf befindliche doppelte Adler zu todt gefüttert werden.

Fünfzehntes. Das Reichsarchiv soll ausgestäubt, gesäubert, geordnet, und dann dem hemikern ausgeliefert werden, um englisches Riechsalz für unsere allenfalls ohnmächtig werdenden Erben daraus abzuziehen.

Sechszehntens. Alle Nonnen unseres Gebieths vermachen wir unsern Mönchen, und hoffen, daß beyde Theile sich wohl dabey befinden werden.

Siebzehntes. Alle sich vorfindenden Perücken, Mäntel und übrigen Apparat sollen dem Naturalien Museum zu London übermacht werden, um dort in die große für alle Nationen und Zeiten angelegte Perückensammlung aufgehangen zu werden.

Achtzehntens. Der Status quo soll an den Bischoff von Lüttich, die kayserliche Plenipotenz, aber, an den Groß Mogul fallen.

Endlich ist es unser ernstlicher Wille, daß unser Körper nach unserm gottbeliebigen Ableben, einer Dismembration oder Zergliederung unterworfen; unser Gehirn, wenn sich welches vorfindet, dem Wiener Ministerium, unser Herz aber dem Minister Pitt eben wie oben der Reichsapfel, überantwortet werden soll.

Doch aber soll das alles noch immer dem Riechsherkommen gemäß geschehen und ausgeführt werden.

Zum Exekutor gegenwärtigen Testamentes ernennen wir seine Exellenz den Herrn General Buonaparte, und bitten ihn höflichst diese Bemühung gütigst und gefälligst auf und anzunehmen.

Sollten sich wider Vermuthen unter unsern Kindern und respective Enkeln Welche finden, die sich dieser unserer letzten Willensverordnung wiedersetzen, und etwa gar einen Rechtsstreit darüber anfangen wollen, dann sagen wir ihnen mit Mose Exod. Lib. I. Cap. XX.

»Wo ihr meine Satzungen verwerfet, und mein Recht verachtet, daß ihr das nicht thut, was von mir geordnet ist, sondern meinen Bund vernichtigt, so will ich Euch dies thun: ich will euch urplötzlich mit Armuth heimsuchen, und mit Hitz, die euere Augen verderben soll, und eure Seelen verzehren, vergeblich sollt ihr Saamen säen, er soll von euren Feinden gefressen werden.«

»Ich will mein Angesicht wider Euch setzen, und ihr sollt zu Boden fallen vor euern Feinden, und denen unterworfen werden, die Euch hassen. Ihr sollt fliehen, wenn Euch niemand verfolgt.«

»Ich will Euch den Himmel von oben wie Eisen machen, und die Erde wie Erz.«

»Und ich will das Schwerd über Euch führen, zur Rache meines Bundes, und wenn Ihr in die Städte fliehet, so will ich die Pestilenz mitten unter Euch schicken, und Ihr sollt in die Händ der Feinde übergeben werden.«

»Und ihr sollt essen, und nicht satt werden. Ihr sollt unter den Heyden umkommen, und das Land euerer Feinde soll Euch fressen. Und ich will die Thiere des Feldes unter Euch schicken, die sollen Euch und euer Vieh verderben, und alles weniger machen, und sollen eure Strassen wüst werden. Das alles soll Euch zustoßen, wo ihr Das thut. Amen.«

Dessen zur Urkund haben wir dieser Instrumente mehrere in gleicher Form ausfertigen, und mit unserm anhängenden großen Insiegel bekräftigen, auch jedem der Theilnehmenden eines überantworten lassen.

Gegeben in unserer, und des heiligen Reichs Stadt Regensburg, 8 Tage nach Abschluß des Definitivfriedens, den 25ten Oktobris nach Christi unseres lieben Herrn und Selligmachers Geburt, im 1797sten, unseres Alters in neunhundert fünf und fünfzigsten Jahre.

Das heilige römische Reich

Erkennt Bürger! in dieser rührenden Willenserklärung des Verewigten seine väterliche Zärtlichkeit für seine Kinder; lernt den Verlust einsehn, den ihr an ihm erlitten habt. Weine Germania! weine! Dein Schutzgeist ist von dir gewichen; die Vorsicht hat ihn in höhere Sphären entrückt und er wird nun in den Archiven des Himmels volle Befriedigung für seinen antiquarischen Geist finden. Was wird dich nun vor dem Einbruche des Stromes jener alles zertrümmernden Revolutionswut sichern? wer den Schild vor dich halten, daß die Megäre Aufklärung dich nicht verschlingt? Ach! keine zehn Jahre werden vergehen und du wirst Galliens Schicksal erleeben; wilde Revolutionärs und Freiheitsschwindler werden in deiner Mitte aufstehen und nicht eher ruhen, bis sie auch dir die blutige Freyheitskappe aufgesetzt haben.

Dann, oh des Greuels! Wird man allen Adelichen die Sterne und Ordensbänder abreissen, die Wappenschilder zerbrechen; alle Güter der Kirche werden profanen Händen anheim fallen; alle Mönche werden entkuttet, alle Nonnen entschleiert werden; Räte und Direktoren werden an die Stelle deiner gesalbten Häupter, deiner mildtätigen, gerechten, menschenfreundlichen Fürsten treten. Der Bauer und der Bürger, die die Natur doch eigentlich zum Lasttier bestimmte, werden stolz das Haupt emporheben und nach ihren Menschenrechten fragen; sie werden sich aufbäumen und sprechen: »Wir sind freye Männer, verantwortet euch, Despoten! Warum usurpiertet ihr bisher unsere Befugnisse?« Die Guillotine wird dann schrecklich die Stammbäume dahinmähen und die angesehensten Männer würgen. Herzoge und Grafen werden an ihrem Mordeisen bluten, die Freiheit wird deine schönen Gefilde mit ihrem giftigen Hauche verpesten und Jammer und Elend bey dir herrschen. So traurig sind die Folgen des Hintritts dieser hohen Leiche.

Doch, verbeißen wir unsern Schmerz, Mitbürger! Vergraben wir ihn in das Innerste unserer Seele, um instande zu seyn, das Leichenbegräbnis des Erblichenen um so würdiger zu feyern. Mit aller, der Grösse unserer Nation und der Größe unseres Verlustes angemessenen Pracht soll dies Trauerfest begangen werden. Es soll sich schämen der Deutsche, der nicht durch seine Gegenwart und sein Vermögen sein Scherflein zur Verherrlichung dieses Nationalfestes beiträgt. Acht Kurfrüsten werden die Leiche in vollem Ornate zu Grabe tragen; alle übrigen Kinder, Enkel und Urenkel, lauter gekränte Häupter, weinend und in schwarzen Dominos ihr folgen, 50.000 Flöten werden dabei seufzen, 80.000 Waldhörner stöhnen 90.000 Fagotte wimmern. Hunderttausend Feuerschlünde werden der Unterwelt den Verlust der obern zubrüllen. Die Natur wird nicht säumen, das Himmelsgewölbe schwarzu zu behangen, eine Sonnenfinsternis zu veranstalten und Berge zu spalten. Der Kaiser selbt wird die Leichenrede halten, und der Heilige Vater die Seelenmesse lesen. Deutschlands Töchter, in das Gewand der Unschuld gekleidet, werden die Leiche mit Eichenlaube bekränzen und eine Zypresse auf das Grab pflanzen. Vergißmeinnicht werden dem Boden entsprießen und ein stolzes Marmor folgende in echt lapidarischem Stile und mit dichterischem Feuer verfaßte Grabschrift der Nachwelt überliefern.

Von der Sense des Todes gemäht, atemlos und bleich
Liegt hier das Heilige Römische Reich.
Wanderer schleiche dich leise vorbey, du mögest es wecken,
Und das Erstandene uns dann von neuen mit
Konklusen bedecken
Ach! Wären die Franzosen nicht gewesen,
Es würde nicht unter diesem Steine verwesen.

Requiescat in Pace

Quelle:
Görres, Joseph: Das Rothe Blatt, eine Dekadenschrift.


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