Ausstellung »Napoleon - Genie oder Despot« im Warleberger Hof

Nach Berlin, Hannover und Oberhausen wird die Ausstellung »Napoleon - Genie oder Despot. Kunst und Karikatur um 1800« in Kiel gezeigt.

Bewundert und gefürchtet, geliebt und gehasst – in diesem Spannungsfeld, das bis heute die Auseinandersetzung mit Napoleon prägt, bewegt sich auch die Ausstellung im Kieler Stadtmuseum. Sie zeigt selten in der Öffentlichkeit präsentierte prachtvolle Gemälde, Skulpturen und Devotionalien aus dem Besitz der Familie Bonaparte. Diese idealisierten Herrscherbildnisse treffen auf 130 Karikaturen, die in ihrer beißenden Satire den leidenschaftlichen Bilderkampf gegen den machthungrigen Eroberer erkennen lassen. Zum ersten Mal treffen diese entgegengesetzten Sichtweisen in einer Ausstellung aufeinander und vermitteln einen faszinierenden Eindruck von der widersprüchlichen Persönlichkeit Napoleons und von der Widersprüchlichkeit dieser bewegten und bewegenden Epoche.

Napoleon fasziniert und polarisiert bis heute: Für die Einen ist er das Genie, das Europa aufrüttelte und die Ideen der Menschenrechte auf dem ganzen Kontinent verbreitete. Für die Anderen ist er der machtbesessene Despot, der die ganze Welt seinen Ideen unterwerfen wollte. Die Ausstellung zeigt diese Widersprüchlichkeit. Sie verfolgt den Aufstieg Napoleons zur Macht - vom Revolutionsgeneral über den Ersten Konsul zum Kaiser der Franzosen. Sie zeigt die politischen und militärischen Kampffelder Napoleons - die Feindschaft mit England, die Kriege mit Spanien und Preußen, den verhängnisvollen Feldzug nach Russland. Und sie widmet sich dem dramatischen letzten Kapitel der Ära Napoleon, das mit den Befreiungskriegen in Deutschland eingeleitet wurde, mit der Abdankung und dem Exil auf der Insel Elba 1814 aber noch nicht zu Ende war. Napoleon kehrte für 100 Tage an die Macht zurück, wurde in der Schlacht von Waterloo endgültig besiegt und 1815 auf die Atlantikinsel St. Helena verbannt, wo er 1821 starb.

Die prächtigen Gemälde, Porträtbüsten und Devotionalien der Ausstellung, die den von Napoleon meisterhaft inszenierten Herrscherkult beleuchten, kommen aus dem schweizerischen Napoleonmuseum Schloss Arenenberg am Bodensee. Seit 1817 war dieses Schloss Domizil der kaiserlich französischen Familie. Königin Hortense (1783-1837), Tochter der Kaiserin Joséphine und Stieftochter sowie Schwägerin von Napoleon, lebte dort mit ihrem Sohn, dem späteren Napoleon III. (1808-1873). Sie war während der 100 Tage Herrschaft Napoleons die First Lady Frankreichs und pflegte Napoleons Andenken, indem sie ihr »kleines Königreich« Arenenberg zu einem Treffpunkt der bedeutenden Persönlichkeiten des beginnenden 19. Jahrhunderts machte. Im Jahre 1906 dann schenkte Kaiserin Eugénie, Ehefrau Napoleons III., das Schloss dem Kanton Thurgau mit der Auflage, dort ein Museum einzurichten.

Für diese Ausstellung hat das Napoleonmuseum Arenenberg zum ersten Mal Leihgaben aus seinem kostbaren Besitz gewährt. Dieser stammt zum überwiegenden Teil aus kaiserlich französischem Besitz und gehörte als persönliche Einrichtungs- oder Gebrauchsgegenstände einst Kaiser Napoleon III. beziehungsweise seiner Mutter Hortense sowie seiner Großmutter Kaiserin Joséphine. Entsprechend exklusiv ist die Provenienz der Stücke und ihr Wert. Einige Exponate - beispielsweise Napoleons Totenmaske, das Fläschchen mit Quellwasser vom Grab Napoleons und einige Büsten - gelangten erst 1978 als Schenkung des Hauses Bonaparte an das Museum. Andere Stücke - das Gemälde »Tod Napoleons auf St. Helena« von Karl-August von Steuben - konnten auf dem Kunstmarkt für das Napoleonmuseum erworben werden.

Die Gemälde bieten die ideale Folie, vor der das satirische Zerrbild erst verständlich wird. Im 19. Jahrhundert ist keine andere Person so häufig karikiert worden wie Napoleon. Zwischen 1797 und 1815 sind weit über 2000 Karikaturen erschienen. Die in der Ausstellung gezeigten Karikaturen werden als Leihgabe der Stiftung Niedersachsen im Wilhelm-Busch-Museum aufbewahrt.

Aus der über 700 Blätter umfassenden Sammlung sind 136 für die Ausstellung ausgewählt worden. Sie sind bis 1813 jedoch fast ausschließlich in England entstanden. Dort hatte sich nach Einführung der konstitutionellen Monarchie 1689 ein liberaler Umgang mit Presse- und Meinungsfreiheit etabliert, wie er in den anderen europäischen Ländern zu dieser Zeit nicht einmal denkbar war. Das englische Königshaus, die Mitglieder des Hofes, Minister und Parlamentarier - sie alle standen unter öffentlicher Beobachtung und wurden gegebenenfalls auch kritisiert. Das englische Volk war so über alle Standesgrenzen hinweg vergleichsweise gut informiert und entwickelte ein entsprechendes Interesse an Politik. In diesem günstigen Klima etablierte sich im 18. Jahrhundert die Karikatur als Form der politischen Meinungsäußerung und erreichte zum Ende des Jahrhunderts eine weithin ausstrahlende künstlerische Qualität und Dichte.

Die Karikaturen der bis heute berühmtesten Künstler James Gillray, Thomas Rowlandson oder Vater und Sohn Isaac und George Cruikshank waren wie die ihrer zahlreichen Kollegen täglich präsent in den Auslagen ihrer Londoner Verleger. Je nach finanziellem Vermögen konnten schwarzweiße oder kolorierte Versionen der Karikaturen gekauft und sogar abonniert werden. Und auch die deutschen Leser der zwischen 1798 und 1815 in Weimar herausgegebenen Zeitschrift »London und Paris« konnten regelmäßig verkleinerte Nachstiche der englischen Karikaturen finden.

Die früheste Karikatur der Ausstellung ist 1798 entstanden und zeigt Napoleon, als er von der Vernichtung der vor Abukir vor Anker liegenden französischen Flotte durch Admiral Nelson erfährt. James Gillray entwarf hier eine für die englische Karikatur modellhafte Darstellung des aufstrebenden Generals in prächtiger Uniform und üppig mit Federn besetztem Zweispitz. Er ist martialisch bewaffnet mit Säbel, Dolch und Pistole und als rasender, blutrünstiger Bösewicht charakterisiert. 1803 verpasste Gillray Napoleon den aus »Bonaparte« abgeleiteten Spitznamen »Little Boney«. Und als »kleiner Knochen« war er nun zumeist auch nur noch von zwergenhafter Größe. So machte er den »korsischen Affen« lächerlich und macht ihn gleichzeitig für alle Missetaten verantwortlich. Zuweilen erschein Napoleon als Drache, als Schlange oder als Krokodil, als Tanzbär, Höllenhund und sogar als Teufelssohn. Die Helden vieler Karikaturen sind die als Bezwinger Napoleons gefeierten Kosaken, dargestellt als wilde Gestalten mit Pelzmütze, Säbel und Knute.

Die klassischen Mittel der Karikatur - Überzeichnung, Verzerrung und Verformung - haben die englischen Karikaturisten in den folgenden Jahren sowohl formal als auch inhaltlich vielfältig variiert. Die Blätter sind darüber hinaus reich an Anspielungen, an literarischen und künstlerischen Verweisen, Symbolen, Wortspielen und Bildmetaphern. Die Personen und Ereignisse sind in einen Kontext eingebettet, der Hintergründe und Querverbindungen auf eine unterhaltsame und spannende Weise offenbart.

Nur Napoleon - das ist überliefert - war über solche satirischen Bosheiten äußerst verärgert. Er plante deshalb, eine Vereinbarung in den Vertrag von Amiens zwischen England und Frankreich (1802) aufzunehmen, die es ihm ermöglichte, gegen ihn opponierende Karikaturisten wie Mörder und Fälscher zu behandeln und ihre Auslieferung an Frankreich zu erzwingen.

Erst in der Zeit der Befreiungskriege 1813, als der Stern des »Universalmonarchen« sank und für eine kurze Phase die Zensurbestimmungen lockerten, konnten auch in Deutschland Karikaturen gegen Napoleon erscheinen. Nach der Niederlage der multinationalen Grande Armée im winterlichen Russland, vor allem aber nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 verkauften sich die satirischen Blätter wie warme Semmeln. Ihr Einfluss auf die Volksstimmung dürfte beträchtlich gewesen sein und das patriotische Hochgefühl in allen Schichten auf grimmig-heitere Weise gehoben haben.

Auch bekannte Künstler wie Johann Gottfried Schadow oder E.T.A. Hoffmann beteiligten sich an diesem Bilderkampf, der das Aufbegehren und das wachsende Nationalgefühl in den von Napoleon besetzten Gebieten vor allem Norddeutschlands und Preußens begleitete. Viele Künstler zogen es aber vor, anonym zu bleiben. Die deutschen Karikaturen sind überwiegend kleinformatig, um den Versand zu erleichtern. Charakteristisch ist eine naiv anmutende Formensprache und eine volkstümliche Erzählweise. Sprichwörter, Redensarten und doppeldeutige Begriffe spielen eine wichtige Rolle. Die karikaturistischen Stilmittel der Verzerrung finden sich kaum, und so erscheint Napoleon so gut wie nicht karikiert. Es gibt jedoch durchaus Blätter, die über die deutschen Grenzen hinaus Nachahmer gefunden haben, allen voran der Leichenkopf der Gebrüder Henschel von 1813, die erfolgreichste Napoleon-Karikatur überhaupt, mit Nachdrucken in England, Frankreich, Italien, Russland, Holland, Schweden, Spanien und Portugal.

Erst mit Napoleons Niederlage gegen die Alliierten 1814 wurden in Frankreich eine Fülle von satirischen Spottbildern veröffentlicht. Von Anfang an hatte Napoleon versucht, das Pressewesen zu kontrollieren. Seinem Polizeiminister Joseph Fouché schrieb er im April 1804: »Mein Wunsch ist, dass Sie den Redakteuren klarmachen..., dass ihre Zeitungen nicht lange überleben werden, wenn sie weiter nichts anderes als Übersetzungen von englischen Zeitungen und Bulletins bleiben;... und dass ich niemals zulassen werde, dass die Zeitungen etwas gegen meine Interessen sagen oder tun.«

Wie die deutschen, so verzichteten auch die französischen Zeichner in ihren Karikaturen weitgehend auf Verzerrung und Überzeichnung. Dafür ironisierten und parodierten sie geschickt Napoleons imperiale Posen und Attitüden und ließen ihren Triumph über den Sturz des Tyrannen, der alle Macht verloren hatte, spüren.

Kiel kommt in der Ausstellung auch vor, obwohl Napoleon nachweislich nie nach Kiel gelangte. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 wurden die zum dänischen Gesamtstaat gehörenden Herzogtümer Schleswig und Holstein Kriegsschauplatz. Eine russisch-preußisch-schwedische Armee rückte unter dem Oberbefehl Bernadottes - der einstige Marschall und Halbschwager Napoleons war inzwischen schwedischer Thronfolger geworden - von Süden her in das Land. Die Truppen sollten den Druck auf den dänischen König Friedrich VI. verstärken, Norwegen an Schweden abzutreten.

Kronprinz Bernadotte nahm vom 16. Dezember 1813 bis zum 23. Januar 1814 im Buchwaldtschen Hof, dem Warleberger Hof unmittelbar benachbart, Quartier und plante von hier aus kriegerische Vorstöße, politische Schachzüge und Verhandlungslösungen. Zu den 7000 Einwohnern Kiels mussten weitere 7000 bis 8000 Personen einquartiert und verpflegt werden. Lebensmittel, Brennmaterial und Wohnraum waren knapp, der Winter hart. Als »Kosakenwinter« oder »Schwedenwinter« gingen diese Wochen entbehrungsreicher Besatzungszeit in die Geschichte ein.

Mit dem im Buchwaldtschen Hof ausgehandelten »Kieler Frieden« vom 14. Januar 1814 fanden die Auseinandersetzungen ein Ende. In dem Vertrag, abgeschlossen zwischen Dänemark einerseits und Schweden und England andererseits, verzichtete Dänemark auf Norwegen zugunsten Schwedens, Dänemark erhielt als Kompensation Schwedisch-Vorpommern mit Rügen, England behielt die Insel Helgoland. Zu einem Zeitpunkt, als alle Welt auf Frankreich schaute, um den Untergang Napoleons und des napoleonischen Staatensystems zu verfolgen, vollzog sich mit dem Kieler Frieden in Nordeuropa eine neue Grenzziehung.

Ein Gedenkstein in der Dänischen Straße vor dem Nordelbischen Kirchenamt erinnert an den Kieler Frieden. Die Ausstellung zeit Porträtdarstellungen Bernadottes - er war als Karl XIV. Johann von 1818 bis 1844 schwedischer König und begründete die nach ihm benannte Dynastie, die heute noch in Schweden regiert - und ein Exemplar des Kieler Friedens in dänischer Sprache (Freds-Tractat). Das Dokument aus dem Kieler Stadtarchiv ist eines der im selben Jahr 1814 nachgedruckten Exemplare des Originalvertrages, das dem Oberpräsidenten in Kiel zugestellt worden war.

Begleitend zur Ausstellung ist der Katalog »Napoleon - Genie und Despot. Ideal und Kritik in der Kunst um 1800« von Gisela Vetter-Liebenow erschienen, mit 150 farbigen Abbildungen und ausführlichen Erläuterungen zu den Karikaturen, zum Preis von 12,50 Euro.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Wilhelm-Busch-Museum Hannover - Deutsches Museum für Karikatur und kritische Grafik, der Stiftung Niedersachsen und dem Napoleonmuseum Arenenberg. Sie wird unterstützt vom Centre Culturel Français Kiel/Schleswig-Holstein.

Zur Ausstellung finden Sie ein umfangreiches Begleitprogramm, auf dem zu gegebener Zeit auch hier auf EPOCHE NAPOLEON berichtet wird.


Letzte Änderung der Seite: 16. 09. 2023 - 23:09