Eisernes Kreuz und Davidstern
von Michael Berger
»Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litthauer!« Mit diesen Worten rief König Friedrich Wilhelm III. im März 1813 sein Volk auf, sich gegen die napoleonische Besatzung zu erheben. In allen preußischen Provinzen eilten Freiwillige zu den Fahnen. Den flammenden Aufrufen folgten auch die jüdischen Bürger des preußischen Königreiches. »Wer von euch edlen, großherzigen Jünglingen denkt und fühlt in diesem Augenblick nicht ebenso wie David?«, hieß es etwa in einer in Berlin gedruckten Flugschrift aus demselben Jahr: »Wer hört ihn nicht mit Freuden, diesen ehrenvollen Ruf, für das Vaterland zu fechten und zu siegen, wem schlägt das Herz nicht hoch empor bei dem Gedanken, das Feld der Ehre zu betreten?«
Die Begeisterung, die aus diesen Worten spricht, hatte zahlreiche jüdische Freiwillige ergriffen, die dann 1813-15 in den Freiheitskriegen kämpften. Sie reihten sich als gleichberechtigte Bürger in die Gruppe ihrer Kameraden ein, um mit ihnen in den Krieg gegen Napoleon zu ziehen. Dieses Ereignis dokumentiert nicht nur die ersten scheinbar bereits vollzogenen Schritte auf dem Wege zur bürgerlichen Gleichstellung der deutschen Juden, es markiert zugleich den Beginn eines über hundert Jahre dauernden Kampfes um Gleichberechtigung im Militär - der zwar immer wieder zu Erfolgen führte, letztendlich jedoch in einer grausamen Täuschung endete.
Wehrpflicht und rechtliche Gleichstellung
»Alle Bewohner des Staats sind geborene Vertheidiger desselben!« Mit diesen Worten begann Gerhard von Scharnhorst, der Vorsitzende der Militärreorganisationskommission der preußischen Armee, 1807 seinen vorläufigen »Entwurf der Verfaßung der Reserve Armee«, der die Grundzüge der ab 1814 eingeführten Allgemeinen Wehrpflicht in Preußen skizzierte. Diese Wehrpflicht ist heute eine Selbstverständlichkeit für jeden Bürger unseres Staates. Damals hingegen handelte es sich um ein gesellschaftspolitisches Novum mit weit reichenden Konsequenzen für die in Preußen lebenden Juden, die damit aus einer Jahrhunderte langen, gesellschaftlichen Isolation heraustraten und den übrigen Staatsangehörigen gleichgestellt werden konnten.
In Österreich war die Wehrpflicht für Juden bereits im Jahre 1788 eingeführt und wenig später auf alle habsburgischen Länder ausgedehnt worden. Dieser bedeutende Schritt in Richtung auf eine Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung erfolgte im Rahmen der Reform- und Toleranzpolitik Kaiser Joseph II. Wie in Preußen ergab sich die Beteiligung am Heeresdienst als logische Konsequenz aus der Erlangung bürgerlicher Rechte und den damit verbundenen Pflichten.
Durchbruch zum Greifen Nahe
Jüdische Soldaten dienten seit den Anfängen der bürgerlichen Gleichstellung in den Armeen der deutschen Teilstaaten und der Armee des Kaiserreiches, sie kämpften im Feldzug Preußens und Österreichs gegen Dänemark im Jahre 1864, im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Sie zeichneten sich aus, wurden befördert und ließen ihr Leben auf dem Schlachtfeld.
Die durch die Verfassung garantierte bürgerliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung stieß jedoch an ihre Grenzen. In einem sogenannten christlichen Staat waren jüdische Beamte als Vorgesetzte nicht erwünscht. Der Zugang zur Justiz und dem Schuldienst wurde ihnen verwehrt. Das gleiche galt für die Armee, insbesondere für die Laufbahn der Offiziere. Der Major der Artillerie Meno Burg war nicht nur der einzige preußische Offizier, der nach Ende der Freiheitskriege weiter befördert wurde, er war auch der einzige preußische Stabsoffizier jüdischen Glaubens im gesamten 19. Jahrhundert.
So hatte der junge Bismarck bereits in den Verhandlungen des Ersten Vereinigten Preußischen Landtages über die Emanzipationsfrage der Juden erklärt, er würde sich »tief niedergedrückt« fühlen, wenn er sich gegenüber als Repräsentanten des Königs einen Juden dächte, dem er gehorchen sollte. Den Juden gönne er »alle Rechte, nur nicht das, in einem christlichen Staat ein obrigkeitliches Amt zu bekleiden.«
Nach Ende Krieges von 1870/71 schien der Durchbruch zur Gleichberechtigung im Militär abermals zum Greifen nahe. Der in der Kriegszeit erkämpfte Anspruch auf Chancengleichheit setzte sich jedoch nach der Reichsgründung nur kurzfristig fort; für eine Karriere im Staatsdienst spielte das Glaubensbekenntnis immer noch die entscheidende Rolle. Im preußischen Staat war diese Praxis der Benachteiligung am auffälligsten, Hamburg und Bayern etwa waren vor allem bei der Ernennung von Richtern, Bayern teilweise auch bei der Zulassung zur Laufbahn der Offiziere liberaler. In Preußen blieb das Offizierskorps bekennenden Juden fest verschlossen; während des Kaiserreiches gab es in der preußischen Armee keine aktiven jüdischen Offiziere und nach 1885 auch keine jüdische Reserveoffiziere.
Hier standen sich die als »supranational« verstehende Österreichisch-Ungarische (k. u. k.) Armee, in der ein Jude als solcher akzeptiert wurde, weil er des »Kaisers Rock« trug, und die Preußische Armee als reaktionäres Instrument eines sich selbst als christlich verstehenden Staates gegenüber, der Juden als außerhalb der christlichen Gemeinschaft stehend per definitionem von einer militärischen Karriere ausschloss. Von den jüdischen Offizieren in der k. u. k Armee erreichte eine stattliche Anzahl die höchsten Stabsoffiziersränge bis hin zum General. Der Übertritt zum Christentum spielte hier keine wesentliche Rolle, da die Konversion keine Entréebillet für einen Aufstieg in der militärischen Laufbahn war. So absolvierte der Generalmajor Alexander Ritter von Eiss eine glänzende militärische Karriere und wurde für seine Verdienste geadelt. Alexander von Eiss bekannte sich offen zum Judentum, engagierte sich besonders für jüdische Angelegenheiten und in der österreichischen Armee war bekannt, dass er mit jüdischen Offizieren, die sich der Karriere wegen taufen ließen, nicht verkehrte. Auch Dr. Wolfgang von Weisl, der im Unabhängigkeitskrieg 1948 eine Artillerieabteilung der Israelischen Armee befehligte, schrieb über seine Zeit als Offizier in der k. u. k. Armee, dass selbst deutschnational eingestellte Offiziere im Dienst keine antisemitischen Vorurteile zeigten. Der k. u. k. Offizier Rudolf Kohn bemerkte dazu: »Ich habe beim Militär überhaupt einen Antisemitismus nicht gespürt und das habe ich [den Habsburgern] sehr angerechnet.«
Feldgrau und Davidstern - Jüdische Soldaten im Weltkrieg
Mehr als einhunderttausend Juden dienten während des Ersten Weltkrieges in Heer und Marine, 12.000 waren gleich zu Kriegsbeginn 1914 als Freiwillige zu den Fahnen geeilt. 77.000 kämpften an vorderster Front, 30.000 wurden mit zum Teil höchsten Auszeichnungen dekoriert und mehr als 20.000 befördert. Unter den jüdischen Soldaten in der kaiserlichen Armee waren 3000 Offiziere, Sanitätsoffiziere und Militärbeamte im Offiziersrang. 12.000 deutsche jüdische Soldaten verloren im Krieg ihr Leben. In Österreich-Ungarn zogen 300.000 jüdische Soldaten in den Krieg, mindestens 30.000 fielen an der Front.
Die Kriegsbegeisterung, die bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges die den überwiegenden Teil der Bevölkerung in einen Siegestaumel versetzte, löste auch bei den deutschen Juden eine Welle von Patriotismus aus. Die wichtigsten jüdischen Organisationen riefen ihre Mitglieder auf, sich als Freiwillige zu melden. Der vom Kaiser verkündete »Burgfriede« ließ gesellschaftliche Grenzen in den Hintergrund treten. So wurden nach Kriegsbeginn erstmals wieder jüdische Offiziersaspiranten zu Reserveoffizieren ernannt.
Das Band der nationalen Einheit hatte nicht lange Bestand. Die innenpolitische Krise des Jahres 1916, die vom Kriegsministerium verfügte Registrierung der Juden in den Streitkräften - die berüchtigte »Judenzählung«, mit der der »Beweis« erbracht werden sollte, dass die Juden sich vor dem Fronteinsatz drückten - und die weitere Verbreitung eines völkisch-nationalistischen Antisemitismus in Armee und Politik führte zur endgültigen Aufkündigung des Burgfriedens.
Der Leutnant Julius Marx brachte in seinem (erst 1964 veröffentlichten) Tagebuch seine Wut über die »Judenzählung« zum Ausdruck: Er wundere sich, »dass die Leute dem Gezählten nicht den Gehorsam verweigerten«, als er sie im feindlichen Feuer nach vorne führte. Als sein Kompanieführer ihn zum Zählen zu sich ruft, ist er außer sich: »Pfui, Teufel! Dazu hält man also für sein Land den Schädel hin.« Die Opferbereitschaft und die Leistungen jüdischer Soldaten im Weltkrieg hatte wieder einmal statt Achtung und Anerkennung Ablehnung und erneute Ausgrenzung zur Folge.
Der »Reichsbund jüdischer Frontsoldaten«
Die 1918 aus dem Krieg zurückkehrenden jüdischen Veteranen sahen sich weiter den Verleumdungen aus dem rechten politischen Lager ausgesetzt, sie hätten sich vor dem Einsatz an der Front gedrückt. Zur Abwehr dieser Angriffe wurde im Februar 1919 in Berlin ein jüdischer Soldatenbund gegründet, der sich 1920 zusammen mit anderen Ortsgruppen zum Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF) zusammenschloss. Initiator war der Hauptmann der Reserve Dr. Leo Löwenstein. Erste und zentrale Aufgabe des Bundes war die Wahrung der Ehre des jüdischen Frontsoldaten. In Zusammenarbeit mit dem Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens sollte den antisemitischen Agitatoren durch gezielte Aufklärung über den Einsatz jüdischer Soldaten im Krieg der Wind aus den Segeln genommen werden. Gleichzeitig wollte man den Veteranen eine »Heimat« bieten und sie auch bei Bedarf in sozialen Fragen beraten und unterstützen.
Viele Soldaten folgten den Aufrufen und traten dem neuen Bund bei. Die schlechten Erfahrungen, die sie im Laufe des Krieges, insbesondere im Zusammenhang mit der "Judenzählung", mit einem ständig wachsenden Antisemitismus, der zudem nach Kriegsende schlimmer denn je zu sein schien, gemacht hatten, ließ sie die Notwendigkeit einer Interessenvertretung erkennen. Der RjF hatte im Zeitraum seines Bestehens von 1919/20 bis zu seiner im Jahre 1938 im Zusammenhang mit der Pogromnacht erfolgten Auflösung stets zwischen 30.000 und 40.000 Mitglieder, der Verband vertrat also mehr als die Hälfte der überlebenden jüdischen Frontsoldaten.
Als Reaktion auf die nationalsozialistischen Ausschreitungen in Österreich im Jahre 1932 und zur Abwehr antisemitischer Angriffe auf Ehre und Leib der jüdischen Frontsoldaten wurde am 31. August desselben Jahres der Bund jüdischer Frontsoldaten Österreichs (BJF) gegründet. Erster Vorsitzender wurde der Generalmajor i. R. Emil von Sommer, nach dessen Rücktritt im Jahre 1934 der hochdekorierte Weltkriegsoffizier Hauptmann i. R. Sigmund Edler von Friedmann.
Im März 1934, gut ein Jahr nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten in Deutschland, unternahm der RjF-Vorsitzende Löwenstein, einen letzten verzweifelten Versuch, die Entlassung der jüdischen Soldaten aus der Reichswehr abzuwenden. Doch sein Appell an den Reichspräsidenten und Obersten Befehlshaber der Reichswehr, Paul von Hindenburg, blieb erfolglos. Mit der von Reichswehrminister Werner von Blomberg am 28. Februar 1934 angeordneten Anwendung des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« auf Soldaten mussten außer den ehemaligen Frontkämpfern sämtliche jüdischen Soldaten die Armee verlassen.
Zuerst verschont - dann verfolgt und ermordet
Das »Gesetz zur Wiedereinführung der Wehrpflicht« vom März und das »Reichsbürgergesetz« vom September 1935 brachten den vollständigen Ausschluss der deutschen Juden sowohl vom Wehrdienst als auch von den Rechten als Staatsbürger. Mit den Gesetzen des Jahres 1935, die auch die bis dahin geltenden Ausnahmen für ehemalige Frontkämpfer wegfallen ließen, ging die fast 150-jährige Geschichte jüdischer Soldaten in deutschen Armeen zu Ende.
Jene jüdischen Veteranen, die im Verlauf der Pogrome des 9./10. November 1938 verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt worden waren, wurden wegen ihres Status als »Frontkämpfer« des Ersten Weltkriegs zwar zunächst wieder entlassen. Viele von ihnen wurden jedoch später erneut verschleppt und in den Vernichtungslagern ermordet. So endete die Geschichte deutscher und österreichischer jüdischer Soldaten in den Judenlagern, Ghettos und KZs. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938 war die nationalsozialistische Gesetzgebung auch auf österreichischen Juden angewendet worden.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war es zu einem Bruch gekommen, der radikaler und unfassbarer nicht vorstellbar gewesen wäre. Mit einem Mal galten Juden als »wehrunwürdig«, ihr früherer Einsatz für »Kaiser und Vaterland« zählte auf einmal nicht mehr, mehr noch, sie wurden entrechtet und verfolgt. Welchem Schicksal Millionen Juden zwischen 1933 und 1945 entgegengingen, ist auch am Beispiel ehemaliger jüdischer Frontsoldaten dokumentiert.
Der Oberleutnant d. R. Alwin Lippmann wurde im Ersten Weltkrieg als Angehöriger eines Bayerischen Infanterieregimentes fünfmal verwundet und erhielt insgesamt acht hohe Orden und Ehrenzeichen. Am 24. August 1944 wurde er mit einem Häftlingstransport von Mauthausen in das Konzentrationslager Auschwitz überstellt und vermutlich unmittelbar nach seiner Ankunft zusammen mit den anderen Häftlingen des Transports ermordet. Dies war auch das Schicksal des k. u. k. Offiziers Dr. Otto Grossmann. Während des Krieges durch eine schwere Verwundung invalid geworden, ging der hoch dekorierte Frontoffizier nach Kriegsende als Oberst in den Ruhestand. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde Otto Grossmann, der getaufter Jude war, von den Nationalsozialisten als sogenannter »Nichtarier« erfasst und im Sommer 1942 in das Lager Theresienstadt deportiert, wo er nur wenige Wochen später im Alter von 70 Jahren verstarb.
Auch auf den Ehrenmalen wurde das Andenken an ihre soldatischen Leistungen und an die Opfer, die sie auf den Schlachtfeldern für ihr Vaterland erbracht hatten, getilgt. Für alle Zeit wollten die Nazis die Erinnerung an die Existenz jüdischer Soldaten auslöschen. Und tatsächlich schien es fast, als ob die verbrecherische Absicht, diesen Teil der jüdischen Geschichte zu beseitigen, Erfolg gehabt hätte.
So müssen wir uns an diesem Punkt die Frage stellen: Was ist geblieben von diesem Teil der jüdischen Geschichte, von der Erinnerung an die jüdischen Soldaten des Ersten Weltkrieges und der Kriege des 19. Jahrhunderts? Gibt es heute eine Pflege des Andenkens an das Schicksal der jüdischen Frontsoldaten und ihrer Familien in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft?
Grundstein der Bundeswehr-Traditionspflege
Die deutsche Bundeswehr ist sich dieses Teils der deutschen Geschichte und der aus ihr resultierenden Verantwortung durchaus bewusst. Unter den Traditionslinien des Bundeswehr hat neben der mit den Namen Scharnhorst und Gneisenau verbundenen Preußischen Heeresreform des frühen 19. Jahrhunderts, dem militärischer Widerstand gegen Hitler und der eigenen 50-jährigen Geschichte auch die Geschichte deutscher jüdischer Soldaten einen wichtigen Stellenwert.
Und diese Tradition reicht bis in die Anfänge des Bestehens der Bundeswehr zurück: Schon 1961 wurde das Buch »Kriegsbriefe gefallener deutscher Juden«, erstmals 1935 vom »Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten« im Berliner Vortrupp-Verlag herausgegeben, im Auftrag des damaligen Verteidigungsministers und späteren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) neu aufgelegt und in der Bundeswehr verteilt. Strauß legte damit den Grundstein für einen neuen und unverzichtbaren Bestandteil der Traditionspflege in der Bundeswehr: die Geschichte deutscher jüdischer Soldaten, die Würdigung ihrer Leistungen für Deutschland und die Erinnerung an ihren Leidensweg in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Kriegsbriefe beauftragte Strauß das Militärgeschichtliche Forschungsamt, das historische Forschungsinstitut der Bundeswehr, die Geschichte und das Schicksal deutscher Soldaten jüdischen Glaubens zu erforschen und darzustellen. Das Ergebnis dieser Forschungen mündete in zwei Ausstellungen, die ein breites Publikum in und außerhalb der Bundeswehr fanden. Die Geschichte deutscher jüdischer Soldaten wurde damit auch zu einem festen Bestandteil der Politischen Bildung in den deutschen Streitkräften.
Niederlage der Nazis
Die Bundeswehr benannte drei Kasernen nach jüdischen Soldaten, in Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen. Am 22. November 1973 erhielt die Kaserne des Jagdgeschwaders 74 in Neuburg a. d. Donau den Namen »Wilhelm-Frankl-Kaserne«, in Erinnerung an den Fliegerleutnant und Träger des Ordens »Pour le Mérite«, Wilhelm Frankl. Die »Ludwig-Frank-Kaserne« in Mannheim, benannt nach dem sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten und Kriegsfreiwilligen von 1914 sowie die »Oberstabsarzt Dr. Julius Schoeps-Kaserne« in Hildesheim wurden 1995 beziehungsweise 2003 im Zuge der Truppenreduzierung geschlossen.
Jeweils am Volkstrauertag gedenkt die Bundeswehr der jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges, und sowohl Reservisten als auch aktive Soldaten pflegen jüdische Friedhöfe. Dass dieser Teil der deutsch-jüdischen Geschichte, der Militärdienst jüdischer Soldaten in deutschen Armeen, im kollektiven Gedächtnis der Bundeswehr wie der Deutschen ganz allgemein weiterleben kann, ist somit auch der Führung der Bundeswehr und ihrem Bemühen um die Pflege und Bewahrung dieser Geschichte zu verdanken. Heute ist deutlich: Der Versuch der Nazis, diesen Teil der deutsch-jüdischen Vergangenheit aus den Geschichtsbüchern zu tilgen, war vergeblich.
Jüdische Soldaten in der Bundeswehr - Bund jüdischer Soldaten
Angesichts der deutschen Vergangenheit bestanden in der jüdischen Gemeinde in Deutschland erhebliche Vorbehalte gegenüber der 1955 gegründeten Bundeswehr. Nur wenige Juden, wie der heutige Ehrenvorsitzende des Bundes jüdischer Soldaten Michael Fürst im Jahre 1966, fanden bis zur Jahrhundertwende den Weg in die Bundeswehr. — Welche Lehren zog man in der Bundeswehr aus der Vergangenheit? Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Ethnien sind wesentliche Merkmale der Grundsätze der Inneren Führung, der maßgeblichen Gestaltungs- und Führungskonzeption unserer Bundeswehr. Die Väter der Inneren Führung kamen aufgrund ihrer Erfahrungen in der Wehrmacht folgerichtig zu dem Schluss, sich von einem nicht tragfähigen Ethos verabschieden zu müssen. Diese großartige Leistung unterscheidet die Bundeswehr von allen Vorgängerarmeen und macht ihre innere Qualität aus. Darauf können wir mit Recht stolz sein.
Die Tatsache, dass heute wieder jüdische Soldaten in der Bundeswehr dienen, ist von Seiten dieser jüdischen Wehrpflichtigen, Zeit- sowie Berufssoldaten ein besonderes und wichtiges Zeichen der Verbundenheit, der Wertschätzung und auch des Vertrauens. Gemeinsam mit ihren Kameraden stehen sie für Sicherheit und Verteidigung der demokratischen Grundordnung ein.
Kaum einer dachte nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Europa vermutlich daran, dass irgendwann wieder Soldaten jüdischen Glaubens in den deutschen oder österreichischen Streitkräften ihren Dienst tun würden – oder dass ein »Bund jüdischer Soldaten«, vergleichbar mit dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten in der Weimarer Republik, wieder eine wichtige Rolle innerhalb und außerhalb der Bundeswehr spielen sollte.