Des Knaben Wunderhorn

Eine Liedersammlung von Joachim von Armin und Clemens von Brentano

Doppelte Liebe

Mündlich

            Nicht lang es ist,
            In Fastnacht-Frist,
            Hab ich mir auserkoren,
            Zwey Jungfraun zart,
            Von guter Art
            Und tugendlich geboren.

            Am Abend spat
            Schneeweiß ihr Waat,
            Durchaus ganz wohlgezieret,
            Ich ihnen gern
            In Zucht und Ehrn
            Gefällig hätt' hofieret.

            Doch durft ich nicht,
            Dieweil es Sitt
            Ein jeder Zeit zu halten;
            Nach Klagens Brauch
            Darum ich auch
            Den lieben Gott ließ walten.

            Und schmückt mich sehr,
            Als ob ich wär,
            Ein Sohn der armen Frauen,
            Mit kleinem Ruhm,
            Recht wie die Blum
            Den Winter in der Auen.

            Vor beyder Thür
            Ich stehe hier,
            So zwischen beyden Frauen,
            Ganz grämlich schier,
            Wies Müllerthier
            Zwey Bündel Heu mag schauen.

            Schleich auf den Zehn
            Zum Schlafen gehn,
            Vor großem Leid und Kummer;
            In dem bedacht
            In selbig Nacht
            Den schön und edlen Sommer.

            In kurzer Zeit
            Er breitet weit
            Die Blum auf grüner Heiden,
            Manch schönen Strauch,
            Darin ich auch
            Mich hoff mit Lust zu weiden.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03