Die Belagerung von Cosel 1807

von Dr. Frank Bauer

Die Schlussphase vom 10.06. bis zum Tilsiter Frieden

Am 10. Juni kam der Erbprinz von Hohenzollern-Hechingen, dessen Land Mitglied des Rheinbundes war, in die Festung. Er forderte den Kommandanten im Namen Jeromes noch einmal zur Kapitulation auf. Auf Forderung v. Puttkammers setzte er die Bedingungen schriftlich auf. Diese lauteten:

  1. Die Festung Cosel ergibt sich den Truppen Sr. Majestät des Kaisers von Frankreich bis zum 16. Juli 1807.
  2. Sollte bis dahin Entsatz erfolgen, so findet die Kapitulation nicht statt.
  3. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt alles beim status quo. - Das Blockadekorps wird weder vermehrt noch vermindert, jedoch hören die Feindseligkeiten bis zu diesem Zeitpunkt auf. An den Festungswerken wird indessen nichts gemacht noch geändert.
  4. Die Herren Offiziere werden sich auf ihr Ehrenwort dahin begeben, wohin sie wollen. Sie erhalten die Gage, die sie von ihrem König in Friedenszeiten erhielten.
  5. Da Seine Kaiserliche Hoheit in Erfahrung gebracht haben, daß den Kranken in der Festung die nötige Arznei mangele, so ist man bereit, dieselbe bis zum Moment der Übergabe zu liefern.

Nach dem Aufsetzen dieses Schriftstücks wurde es durch sämtliche Offiziere der Garnison beraten. Das Ergebnis war:

»Daß, da die Festung nur bis zum 15. Juni mit Butter und Fett, mit Lebensmitteln excl. Mehl bis zum 8. Juli, mit Fleisch bis zum 5. Juli versehen sei, überdem die Krankheiten und die Sterblichkeit der Garnison überhand nehmen, und die medizin gegen den 1. Juli völlig ausgegangen sein dürfte, folgende Kapitulationspunkte vorläufig festgesetzt werden könnten.

Der Feind erlaubt dem Prinzen Biron von Kurland nebst einem Offizier zur Armee des Königs zu gehen, um Höchstdenenselben einen alleruntertänigsten Rapport vom Zustande der Festung abzustatten; die Festung Cosel ergibt sich den 16. Juli auf Kapitulation, wenn bis dahin kein Entsatz erscheint, wenn bis dahin Neiße übergeht, wenn der Feind mit einem gleichen Korps, als wenigstens 1.500 Mann stark sein muß, Cosel blockiert behält, wenn 10 Offiziere zur Armee des Königs gehen dürfen, ohne kriegsgefangen zu sein, und wenn den Offizieren, denen der Feind Vorwürfe machen zu können glaubt, nichts geschieht.«

Alle Anwesenden unterzeichneten das Schriftstück. Dem Erbprinzen wurde mitgeteilt, daß man die Antwort am nächsten Tag 16.00 Uhr ins feindliche Lager bringen werde. Zusätzlich wurde noch ein Waffenstillstand mit 24stündiger Kündigung vereinbart.

Am 11. Juni brachten 2 Offiziere den schriftlichen Entwurf der Kapitulation nach Wiegschütz. Am 13. sandte Raglowich den französischen Text des Entwurfs an den Kommandanten. Der berief noch einmal sämtliche Offiziere zur Beratung. Er erläuterte, daß vom 1. bis 10. Juni 103 Mann der Garnison begraben worden seien, in den letzten Tagen täglich 14 Mann gestorben seien. Vom 8. Juli an werde die Besatzung nur noch über Brot, Salz und Wasser verfügen und die Kranken ohne Arznei sein. Das würde die Sterblichkeit weiter erhöhen und die Auflösung der Garnison bedeuten. Er könne deshalb die Festung nicht länger als bis zum 16. Juli halten. Die Offiziere akzeptierten diese Argumente und stimmten der Kapitulation zu. Noch am Nachmittag wurde das Schriftstück zur Ratifikation an den Prinzen Jerome nach Breslau geschickt.

Der Wasserstand der Oder war in diesen Tagen so niedrig, daß sie durchwatet werden konnte. Die Festungsgräben waren nur noch zu Hälfte mit Wasser gefüllt.

Am 16. Juni kam der Erbprinz von Hohenzollern-Hechingen in Begleitung des preußischen Rittmeisters v. Derschau, des Adjutanten des Generalgouverneurs Graf Götzen, wieder nach Cosel. Dieser hatte mit den Franzosen über einen Waffenstillstand verhandelt, der aber nur gewährt werden sollte, wenn Cosel bis zum 18. Juni übergeben wäre.

Am 18. Juni ging aus Breslau die Ratifikation der Übergabeurkunde ein. Am nächsten Tag berichtete Oberst v. Puttkammer dem König von der Kapitulation und von den Umständen ihres Zustandekommens Diese Meldung wurde sofort mit einem Boten abgesandt. Der König billigte später alle getroffenen Maßnahmen und sprach dem Oberst sowie den Hauptleuten Keibel und Le Bauld de Nans seine Zufriedenheit und Anerkennung aus.

Der Feind ließ nun einige Erleichterungen zu. Die Wasserzufuhr für die Kuckelsmühle wurde wieder freigegeben, so daß wieder gemahlen werden konnte. Auch etwas Proviant kam in die Stadt und Arzneimittel wurden geliefert, denn es gab immer noch über 400 Kranke.

Am 6. Juli kam der zum Grafen Götzen nach Glatz gesandte Offizier zurück, mit ihm der im April zum König gesandte Leutnant v. Neumann mit einem Schreiben an den verstorbenen Oberst v. Neumann. Er lobte darin den Oberst für die Verteidigung Cosels und ernannte ihn zum Generalmajor. Den Bürgern versprach er Unterstützung beim Wiederaufbau ihrer Häuser.

Man erfuhr nun auch von dem am 28. Juni in Tilsit abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen Preußen und Frankreich. In den Bestimmungen dieses Waffenstillstandes hieß es, daß während der Dauer hinsichtlich der schlesischen Festungen alles so bleiben sollte, wie es am 25. Juni gewesen sei. Oberst v. Puttkammer ließ das den Belagerern mitteilen, die aber damit nicht einverstanden waren und die Übergabe unbedingt am 16. Juli haben wollten. Sie stellten die Arzneimittellieferungen ein und umschlossen die Festung noch enger.

In den nächsten Tagen kam es zu heftigen Diskussionen zwischen Graf Götzen und Prinz Jerome über den genauen Zeitpunkt der Kapitulation, der mit der Drohung der Wiederaufnahme der Belagerung vorläufig endete.<

Oberst v. Puttkammer lag inzwischen mit Nervenfieber im Bett. Major v. Brünnow rief am 11. Juni einen Kriegsrat ein, der einen Beschluß über die endgültige Übergabe fassen sollte. Puttkammer schrieb dann vom Krankenbett aus den Befehl über die Übergabe, wenn bis zum 14. Juli mittags keine weiteren Befehle oder Verfügungen eintreffen sollten.

Seit der Ratifikation der Kapitulation am 18. Juni waren weitere 238 Mann  gestorben und im Ganzen waren nur noch 1.100 Mann dienstfähig. Mit diesen wenigen Kräften konnte ein Sturm der Belagerer nicht abgeschlagen werden. Wegen fehlender Lebensmittel war auch kein weiterer Widerstand mehr möglich.

Zum Glück für die Besatzung und die Bevölkerung der Festung Cosel kam es nicht mehr zur Übergabe. Am 14. Juli früh 7 Uhr traf am Wiegschützer Tor der bayerische Leutnant v. Böseneck ein und überbrachte die mit Jubel aufgenommne Nachricht, daß in Tilsit ein Frieden geschlossen sei. Cosel blieb damit frei vom Feind. Kein Soldat der Belagerungs- und Blockadetruppen ist als Feind hineingekommen.

Die vorgesehene Kapitulation wurde durch Immediatkommission zur Untersuchung der Kapitulationen und sonstigen Ereignisse im Juli 1808 als ehrenvoll anerkannt wegen der vorangegangenen rühmlichen Verteidigung und der Unmöglichkeit eines längeren Widerstandes.

Cosel war vom 23.1. bis 13.3. 48 Tage lang belagert gewesen und während dieser Zeit 11 Tage und Nächte, insgesamt 102 Stunden lang, bombardiert und beschossen worden. Vom 4. April bis 18. Juni, 75 Tage lang, wurde sie blockiert und ausgehungert.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03