Die Belagerung von Cosel 1807

von Dr. Frank Bauer

Die Belagerung dauert an 08, bis 24.02.1807

Aber auch der Feind erlitt diesmal stärkere Verluste. Die Batterien 1 und 2 waren fast völlig zerstört, und in der 3. Batterie war der bayerische Artilleriemajor Graf Spreti von einer Granate getötet worden. Er wurde auf dem Reinschdorfer Friedhof begraben. Die Anzahl weiterer Verluste ist nicht genau bekannt, war aber nicht unbedeutend.

Während des heftigen Feuers hatte der Feind weiter an den Laufgräben und Parallelen gearbeitet. Vor allem versuchte er von der 3. Batterie aus am Dembower Damm vorzudringen. Die neue 6. Batterie sollte mit einem Laufgraben zur 2. verbunden werden.

Die große Kälte an jenen Tagen hatte die Gräben der Festung mit starkem Eis bedeckt. Daher gingen wieder viele Deserteure zum Feind über, vor allem aus der Wiegschützer Redoute. Der bayerische Ingenieuroberst Blein machte daraufhin General Deroy den Vorschlag, von den zunächst gelegenen Batterien 3, 4 und 5 aus die Wiegschützer Redoute unter stärksten Beschuß zu setzen und dann mit einer starken Abteilung einen Sturm zu versuchen. Aber Deroy verschob den Plan von Tag zu Tag, bis Tauwetter ihn unmöglich machte.

In den folgenden Tagen wurde von beiden Seiten fast ununterbrochen gefeuert, am 07.02.1807 von 7:30 bis 12:00 Uhr, am 08.02.1807 von 12:00 bis 4:00 Uhr morgens, am 09.02.1807 von 3:00 bis 7:00 Uhr. Der größte Teil der Bürgerhäuser lag am 09.02.1807 in Trümmern. In der Nähe der Kasernen war kaum noch ein Haus vorhanden. Auch das Rathaus und das Steuerhaus hatten erhebliche Schäden. Immer wieder flammten neue Brände auf. „Bei dem geringen Umfang der Stadt war fast kein Fleck, wo nicht feindliches Wurfgeschoß niedergefallen wäre.“ Daß der Schaden nicht noch größer war, lag daran, daß die Belagerer aus ziemlich großer Entfernung schießen mußten. Deshalb war meist eine zu große Pulverladung nötig, die den Zünder der Granaten ausstieß, so daß diese nicht krepierten. Oder aber sie explodierten in der Luft und richteten dann nur geringen Schaden an.

Die Zahl der Toten und Verwundeten in Cosel erhöhte sich nur leicht. Desto größer war die Zahl der Deserteure. Vom 04.02. bis zur Nacht des 09.02.1807 entwichen 334 Mann und 1 Eisbauer.

Bei den Belagerern sah es nicht viel besser aus. Am Morgen des 09.02.1807 waren ihre sämtlichen Batterien ziemlich unbrauchbar, denn die Artillerie der Festung zeigte sich im Allgemeinen als überlegen. Der Feind hatte außerdem unter Frost und Kälte mehr zu leiden als die Belagerten. Vor allem waren sie schlecht mit Kleidung und Schuhen versorgt. Zwar hatte Jerome bereits Anfang Januar versprochen, diese Mängel zu beseitigen, aber es geschah nichts. Auch die Belagerungsarbeiten kamen nicht so recht voran, da die eisbedeckten Tümpel und Lachen vor der Festung das Vortreiben der Parallelen verhinderten. So begnügte man sich mit der Anlage zweier neuer Batterien, der 7. und 8. auf der nordwestlichen Seite des Reinschdorfer Weges, wo der Wiegschützer Damm abzweigte und die mit 2 Zwölfpfündern und 2 Mörsern armiert wurden bzw. am Ende des Laufgrabens, der vom Dembowaer Damm nach der Reinschdorfer Bastion vorgetrieben war und der 2 Zwölfpfünder und 2 Haubitzen erhielt.  Auch eine 9. Batterie wurde vorbereitet, für die ein Graben im Zickzack nach Nordosten bis zur Höhe der 7. Batterie vorgetrieben wurde. Diese am 08.02.1807 begonnenen Arbeiten dauerten jedoch viele Tage. Im gleichen Zeitraum wurden die 4. und 5. Batterie wegen Unwirksamkeit aufgegeben.

In der Nacht zum 10.02.1807 trat Tauwetter ein. Es begann zu regnen und regnete auch noch den folgenden Tag hindurch. Für die Belagerten war dies sehr günstig: der Graben rund um die Festung wurde aufgeeist und füllte sich bald bis an den Rand mit Wasser und erschwerte so die Desertion bedeutend. Aber noch in der Nacht zum 10.02.1807 entwichen 81 Mann.

Die Belagerer setzten trotz des schlechten Wetters ihre Erdarbeiten fort, beschossen die Stadt aber nur selten. Von der 6. Batterie aus trieben sie gegen die Kobelwitzer Redoute einen Graben vor, an dessen Ende in nur 300 Meter Entfernung von der Redoute sie einen Erdaufwurf machten. Trotz der Leuchtkugeln hatte man das in der Redoute nicht gesehen, und die Oder, die dazwischen fließt, hatte mit ihrem steigenden Wasser auch den Schall absorbiert. Jetzt schaffte man zusätzliche Geschütze nach dem bedrohten Werk, so daß dort schließlich 25 vorhanden waren. Zudem gelang es, das Kriebelsche Vorwerk im Nordosten von Kobelwitz in Brand zu schießen und so dem Feind den Rückhalt zu rauben.

Am 11.02.1807 erschienen gegen 11:00 Uhr wieder Parlamentäre vor dem Ratiborer Tor. Entgegengesandte preußische Offiziere erhielten die mündliche Aufforderung zur Übergabe der Festung, da jeder Widerstand vergeblich sei, weil die Festung Schweidnitz gefallen und die Russen bei Preußisch-Eylau geschlagen seien. Aber Oberst Neumann lehnte erneut ab.

Am 12.02.1807 waren die Feinde mit der Errichtung der neuen Batterien ziemlich fertig. Die Belagerten hatten inzwischen auf dem Saillant Wilhelm neue Geschütze aufgefahren und bereits in der Nacht zum 12.02.1807 ihr Feuer gegen die neuen Werke eröffnet. Ehe es aber zu einem entscheidenden Kampf kam, trat ein Naturereignis ein, das den Preußen glücklich zustatten kam. Am Abend des 12.02.1807 barst das Eis der Oder infolge des anhaltenden Tauwetters, und bald trat der Fluß über die Ufer und überschwemmte die ganze Oderniederung. Das Wasser stieg so schnell, daß alle Laufgräben und Batterien rasch von der Mannschaft verlassen werden mußten und nur wenige Geschütze am Morgen des 13.02.1807 herausgezogen werden konnten. Die bayerischen Soldaten hatten unter dem Feuer aus der Festung, der Unterkunft in schlechten Quartieren und durch die anstrengenden Arbeiten viel zu leiden, aber Prinz Jérôme fand für sie kein Wort der Anerkennung, sondern nur Tadel.

Am 12.02.1807 kam der General Pernety ins bayerische Hauptquartier, um sich vom Stand der Belagerung zu überzeugen. Er fand wegen des Hochwassers natürlich alles in schlechtem Zustand. Nachdem er eine Anweisung für die Belagerungsartillerie ausgearbeitet hatte, ging er am 13.02.1807 nach Breslau zurück.

Am 14.02.1807 stieg die Oder so hoch, daß die Gegend von Kobelwitz bis Klodnitz einem See glich. Der bayerische Major von Wreden, der in Kobelwitz lag, erklärte. »Ich kann meine Leute noch auf die Dächer legen, dann aber müssen sie verhungern.« Ähnlich sah es bei Wiegschütz aus. Hier durchstach zwar der Feind den Damm, der das Wasser aufstaute, aber das brachte nur geringe Entlastung. Für die Belagerer verminderte sich die Hoffnung auf rasche Eroberung Cosels noch dadurch, daß das 1. Linieninfanterieregiment sowie die Oberglogau stehenden Truppen von Jérôme abberufen wurden und auf diese Weise nicht nur eine Verminderung der Belagerungstruppen eintrat, sondern diesen auch noch die Deckung der Belagerung gegen die in der Grafschaft Glatz stehenden preußischen Truppen zusätzlich übernehmen mußten.

Hätte der Kommandant von Cosel zu diesem Zeitpunkt eine zuverlässigere Truppe gehabt, er hätte mit Ausfällen aus der Festung leicht die Aufhebung der Belagerung erzwingen können. Aber er durfte keinen Ausfall wagen, weil sonst seine Leute in Massen zum Feind übergegangen wären. Er mußte sogar das Ratiborer Tor vernageln lassen, um weiteres gewaltsames Entweichen zu verhindern. Trotzdem desertierten bis zum 21.02.1807 weitere 105 Mann. Die Besatzung betrug nun nur noch 73 Offiziere und 3.718 Mann. Darunter befanden sich 300 Kranke.

Am 21.02.1807 begann das Wasser zu sinken. Die Belagerer arbeiteten nun mit aller Kraft an der Wiederherstellung ihrer Batterien. Sie wurden teilweise höher angelegt und neu armiert. Die 6. Batterie erhielt 4 Zwölfpfünder und 2 Haubitzen, die 2. zwei Zwölfpfünder, die 7. 2 24Pfünder und 2 Mörser und die 3. noch 4 Mörser. Auch die früher aufgegebene 4. Batterie erhielt 2 Zwölfpfünder und 2 Haubitzen.

Am Mittwoch, dem 24.02.1807, gegen 7:00 Uhr, begann die erneute Beschießung von Cosel. Ziel waren vor allem die Klodwitzer und Kobelwitzer Redoute. In die Stadt wurden glühende Kugeln geschossen. Ein Brand konnte zwar verhindert werden, aber die wenigen noch unversehrten Bürgerhäuser wurden zertrümmert. In der Kobelwitzer und Wiegschützer Redoute wurden 6 Geschütze demontiert. Die Garnison hatte 2 Tote und 11 Verwundete zu beklagen. Auf feindlicher Seite war der Verlust höher. Um 13:00 Uhr hörte das Bombardement auf. Von den Preußen wurde aber mit Beginn der Dunkelheit das Feuer erneut aufgenommen, um die Angreifer zu hindern, ihre Batterien mit neuer Munition zu versorgen. Am 25.02.1807 begannen die Bayern schon um 2:00 Uhr wieder zu schießen und feuerten bis nach 5:00 Uhr und nach einer 2 1/2 stündigen Pause bis 13:00 Uhr. Auf dem Saillant Wilhelm traf eine Kugel gerade eine Schießscharte, als eine Kanone geladen wurde, und verwundete und tötete mehrere Artilleristen. Eine Bombe, die in die Stadt fiel, tötete die Witwe eines Bäckers.


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