Aufklärung und Revolutionsbegeisterung

von Dr. Jörg Schweigard

Geheime Organisationen: Verbindungen, Klubs und Zirkel

Wie die Professoren hatten auch die Studenten ihre Gesellschaften, in denen politisiert wurde.

An der Universität Mainz waren Studentenverbindungen wie etwa Landsmannschaften oder Orden anders als an vielen anderen Hochschulen nur schwach ausgeprägt und spielten im Prozess der Politisierung keine Rolle. Dafür tauschten sich die Studierenden vor allem in Zirkeln und Freundeskreisen über die politischen Inhalte aus. Dort sprachen sie über neueste Zeitungsmeldungen aus Paris, entwarfen revolutionäre Theaterstücke und Gedichte oder vertrauten ihre Bekenntnisse den Stammbüchern an, auf die ich später noch genauer zu sprechen komme.

Der bereits erwähnte Kotzebue etwa wusste zu berichten, dass die Studenten nicht nur in den Hörsälen mit der Politik oder kritischem Gedankengut konfrontiert wurden, sondern sich auch in „Kaffeehäusern, Schauspielhäusern“ oder „Klubs“ öffentlich oder heimlich mit Gleichgesinnten treffen, austauschen und räsonieren konnten.

In Mainz existierte in den 1790er Jahren geheime studentische Zirkel, in denen die angehenden Akademiker über die Revolution und mögliche politische Veränderungen für Deutschland diskutierten. Der Philosophiestudent Johannes Weitzel berichtete über den politischen Freundeskreis:

»Unsere Gespräche, Briefe, Entwürfe, Feste und Spiele, (...) alles bezog sich auf das Weltereignis [die Französische Revolution] (...) Wehe uns, wären unsere Briefe von dem scheuen Argwohne der Polizei erbrochen oder unsere Reden von ihr belauscht worden! Sie hätten nichts weniger als Hochverrat gefunden.«

Auch Weitzels Kommilitone Friedrich Lehne zeichnete sich in diesen Studentenkreisen als Verfasser schwungvoller revolutionärer Gedichte aus. In seinem »Ruf eines Deutschen an die Freiheit« zum Beispiel bittet er die Freiheit, die er direkt anspricht, sich nicht nur den Franzosen, sondern auch den Deutschen zuzuwenden: So heißt es in zwei Zeilen:

Bringe deine Franken-Söhne
Uns zum Bruderkusse mit!

Dieses Gedicht hatte Lehne nach eigenen Angaben für den verschwiegenen Zirkel seiner Vertrauten verfertigt. Ein weiteres Mitglied eines Zirkels war der Jurastudent Friedrich Joseph Emerich, der in zwei Gedichten aus dem Jahr 1792 unter anderem die hohe Geistlichkeit kritisierte und sich wie Lehne freiheitliche Verhältnisse auch für Deutschland wünschte.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03