Aufklärung und Revolutionsbegeisterung

von Dr. Jörg Schweigard

Revolutionsbegeisterung und politische Aktivitäten der Studenten

Kommen wir nun zu den Studenten.

Die Obrigkeit musste früh erkennen, dass sich mit Ausbruch der Revolution in Frankreich unter den Mainzer Studenten verdächtige Entwicklungen abzeichneten.

Mit der Androhung von Strafen versuchte sie der Situation Herr zu werden. Am 12. November 1789, also nur wenige Monate nach Ausbruch der Französischen Revolution,  erließ Kurfürst Friedrich Karl von Erthal eine Verordnung an die Universität, die den Studenten jegliche politische Schwärmerei und Mitgliedschaft in einer geheimen Gesellschaft untersagte. Die Verordnung hatte einen konkreten Hintergrund: Am 3. August 1789 war es vor dem Universitätsgericht zur Verhandlung und Bestrafung einiger Jurastudenten gekommen, die den kursächsischen Gesandten Rudolf von Bünau beleidigt, ihn aus seinem Wagen gezogen und verprügelt hatten. Der Vorfall trug Züge von Selbstjustiz gegen einen unbeliebten adligen Diplomaten.

Durch einen Zeitzeugen späterer Vorfälle wissen wir, dass diese renitenten Studenten ähnlich gekleidet waren: Sie trugen blaue Überröcke und abgeschnittene Seitenhaare und demonstrierten durch diese äußerliche Uniformität ihre Zusammengehörigkeit. Es ist anzunehmen, dass es sich hierbei um eine Gruppe von Revolutionssympathisanten handelte, die sich nach der politischen Pariser Mode kleidete. Die blauen Röcke waren Bestandteil einer Kleiderkombination, die den Pariser Sansculotten nachempfunden war (Matrosen-Hosen und blaue Röcke mit roten Überschlägen) und auch die kurzen Haare hatten seit der Revolution die langen Haare beziehungsweise die Zöpfe abgelöst.

Neben der »Revolutionskluft« zeigten die Studenten auch durch andere Abzeichen öffentlich ihre politische Neigungen.

Provozierend ging im Sommer 1791 ein ungenannter Student mit aufgesteckter französischer blau-weiß-roter Nationalkokarde an der Wache am Münstertor vorbei. Ein Major der Wache erkannte das Symbol der Revolutionsanhänger und erstattete Anzeige bei Prorektor Bodmann. Da dies kein Einzelfall war, bat Bodmann in einer Denkschrift den Kurfürsten um die Weisung, den Studenten künftig solche Abzeichen zu verbieten.

Bodmann musste sich auch anderweitig mit politisierten Studenten befassen. Den Studenten Rougemaitre ließ er zu sich kommen, da dieser »unbesonnene, gefährliche Discourse« gehalten hatte und drohte ihm damit ihn »von der hiesigen Universität als ein gefährlicher Meuterer« zu relegieren.

Auch auf andere und teilweise sehr massive Weise bekundeten die Studenten öffentlich, von welcher Art ihre Gesinnung war. Ob nun im Theater der Kurfürst mitsamt seinen adligen Emigrantengästen ausgebuht wurde, oder ob es gar zu Handgreiflichkeiten zwischen Studenten und adligen Emigrantenoffizieren kam: an ihrer Haltung ließen die Studenten keinen Zweifel aufkommen.

Dass sich eine größere Zahl Revolutionsanhänger unter den Mainzer Studenten befand, bemerkten auch Außenstehende schnell, selbst nach relativ kurzen Kontakten.

Als der Revolutionsanhänger und Jenaer Student Isaac von Sinclair im Juli 1792 den frisch gebackenen Juristen und Rechtspraktikanten Joseph Schlemmer in Mainz besuchte, traf er in dessen Umfeld weitere Sympathisanten an. Freudig berichtete Sinclair einem Freund über das in Mainz Erlebte:

»Überhaupt habe ich Gelegenheit gehabt zu bemerken, dass die Zahl der Verehrer der Konstitution unter unserer Nation merklich zunimmt«.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03