Aufklärung und Revolutionsbegeisterung

von Dr. Jörg Schweigard

Geheimnis, Exklusivität und Opportunismus: Organisationsformen der Mainzer Aufklärer

Auch außerhalb der Universität politisierten Mainzer Gelehrte. In einer großen Residenzstadt wie Mainz hatten die Universitätsprofessoren mehrfach Gelegenheiten, um mit Gleichgesinnten in einer der aufgeklärten Gesellschaften zusammenzukommen.

Die regimekritischen Zeitgenossen versammelten sich in den frühen 1780er Jahren in der Mainzer Illuminatenloge, die zumindest programmatisch das politische Ziel verfolgte, eine Weltordnung ohne Staaten, ohne Fürsten und ohne Stände zu errichten.
Die Mainzer Loge musste sich wegen ihrer politischen Absichten 1786 auflösen. Die Mitglieder wirkten aber darüber hinaus in der Lesegesellschaft und in kleinen, privaten Zirkeln weiter. Das über mehrere Jahre entstandene Netz von Bekanntschaften unter Gleichgesinnten löste sich nicht. Auch wenn sie sich nicht mehr als Illuminaten bezeichneten, bestand der oppositionelle Kreis fort und auch die Regierung beobachtete sie weiterhin.

Mit Ausbruch der Revolution in Frankreich kursierten in Mainz Gerüchte von der Aktivität eines »Propagandaklubs«, der im engen Kontakt mit Frankreich stehen und für die Revolution werben sollte. Damit war eine Gruppe Oppositioneller gemeint, die sich teilweise schon aus der Illuminatenloge kannte und Kontakte nach Frankreich unterhielt. Nach einem revolutionsfeindlich gesinnten Zeitgenossen, dem Juristen  Anton Hoffmann, rechtfertige sich der Name »Propaganda« vor allem dadurch, dass die Professoren unter den Klubmitgliedern an der Universität ihren Einfluss auf die Studenten zu politischen Zwecken nutzten: Besonders die Professoren Blau, Wedekind, Hofmann und Metternich »gaben sich alle nur immer erdenkliche Mühe, ihr Ansehen bei den Studierenden dazu zu benutzen, junge Leute als Mitglieder der Propaganda anzuwerben.«

Doch nicht nur in geheimen, auch in öffentlichen Gesellschaften wurde politisiert. Die 1782 gegründete Mainzer »Gelehrte Lesegesellschaft« war eine exklusive Versammlung kultureller, politischer und geistiger Führungskräfte, darunter auch viele Professoren. Während der Französischen Revolution polarisierten sich die Mitglieder und spalteten sich 1791 in zwei neue Lesegesellschaften, in eine demokratische und eine aristokratische Gesellschaft. Bemerkenswert ist gewiss der Umstand, dass der Anteil der »Demokraten« darin groß genug war, um eine eigene Gesellschaft zu gründen. Insofern war die Lesegesellschaft neben den Illuminaten und dessen Nachfolgeorganisation die wichtigste Sozietät, in der die späteren Jakobiner das politische Geschäft  - zumal in Auseinandersetzung mit politischen Gegnern -  einüben konnten.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03