Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.
von Christoph Friedrich Cotta
27.
Noch vor dem Uebergange der Weissenburger Linien hatte man die Einsperrung der Verdächtigen aufs Neue vorzunehmen für gut befunden. Ich habe, glaube ich, oben gemeldet, daß die im Mai vorgenommene Verhaftnehmung der sogenannten Verdächtigen bald wieder zu Nichts geworden sey, weil die deshalb ausgeschickten Commissionsmacher für Geld und andre Geschenke die als Verdächtige angegebenen Bürger und Bürgerinnen wieder in Freiheit zu setzen wußten. Jetzt aber wollte man jenes Dekret ernstlicher in Erfüllung zu bringen suchen, und nahm also die in Straßburg sich befindenden, auf die Liste der Verdächtigen gesetzten Bürger und Bürgerinnen neuerdings gefangen, und sperrte sie ins bischöfliche Priesterseminarium zu mehreren Hunderten ein. Bei dieser Gelegenheit schrieb Schneider auch wieder etwas über diese
Verhaftnehmung einiger verdächtigen Leute in Strasburg[1]
Verflossenen Freitag versammelten sich Abends um 6 Uhr die drei hiesigen Verwaltungskorps, um über die Maßregeln zu berathschlagen, welche in den jetzigen Umständen nothwendig schienen. Ein ausserordentlicher Eilbote hatte ein Dekret gebracht, vermöge dessen alle Verwalter bei ihrer persönlichen Verantwortlichkeit aufgefordert wurden, alle wegen ihrer unbürgerlichen Gesinnungen und Verbindungen verdächtigten Bürger in Verhaft zu nehmen. Die Sitzungen wurden bei verschlossenen Thüren gehalten. Jeder der Anwesenden mußte Stillschweigen geloben. Das Resultat der Berathschlagung war, daß Roissette, Ulrich, Schöll der Jüngere, Boucheron, Kollin, Thomasins, Demouge, Simon Mühe, Reichard etc. sollten in das hiesige Seminarium eingesperrt werden. Es wurde zugleich beschlossen, an die Herren Edel, Moyeder, Metz, Beikert, Wehrlen, Schatz, Osterrag, Lacomb, Fries, bedeutende Warnungsbriefe zu schreiben. Salzmann soll beschieden werden, um wegen seiner Zeitung Rechenschaft zu geben. Die meisten dieser letzten sind Präsidenten in ihren Sektionen, und dies beweiset hinlänglich, was für ein Geist ihre Berathschlagungen leite.
Die Verhaftbefehle und Warnungsbriefe wurden Sonnabends ausgefertigt; Roissette und Ulrich warteten nicht, bis man sie holte; sondern suchten ihr Heil in der Flucht. Schöll ist abwesend. Man kann sich vorstellen, daß diese Verfügungen nicht jedem gefallen, und daß sich die Rädelsführer alle Mühe geben würden, die Bürger dawider aufzubringen.
Am Sonntage Morgens versammelten sich die Sektionen. Die sechste Sektion faßte den Schluß, kraft dessen sie die vorläufige Loslassung Thomasins und Demouge aus dem Grunde verlangte, weil die Verhaftbefehle sind vollzogen worden, ohne vorher den Sicherheitsausschuß der Sektion mitgetheilt worden zu seyn. Man begehrte zugleich, daß künftighin niemand mehr, ohne Zuziehung besagten Ausschusses, solle eingesetzt werden können. Dieser Schluß wurde auf der Stelle zwölfmal abgeschrieben, und den Übrigen Sektionen zur Genehmigung zugeschickt. Die neunte Sektion schickte Deputirte herum, welche mündlich erklären sollten, daß sie die geheimen Verhaftbefehle nicht anerkenne, und die Freiheit der Eingesperrten durchaus verlange. Die dritte Sektion fand aber diesen Antrag nicht gut, und gieng zur Tagesordnung über. Was in den andern geschah, ist uns bisher noch nicht genau bekannt geworden. Es läßt sich aber erwarten, daß nur wenige sich dem Antrage widersetzten.
Und was wird aus allen dem werden? hat man je was ungereimteres gehört, als der Schluß der sechsten Sektion ist? Wie! man verlangt, die Ausschüßler der Sektionen sollten vorläufig befragt werden, da doch viele aus ihnen selbst von dem Verwaltungskorps als verdächtig angesehen werden? das hieße wohl gar die Spekmäuse um Rath zu fragen, um welche Zeit die Katze kommen sollte. Nein! so umsinnig sind unsre Verwalter nicht. - - -
In einem anderen Blatte, vom 13ten Junius 1793, schildert Schneider unter dem Titel: »Die Stimme des Rufenden in der Wüste, die oben benannten, auf die Liste der Verdächtigen gesetzten Bürger Strasburgs, z.B. Thomasins, Schöll, Ulrich etc. und warnet die Bürger nach seiner Art, sich um diese Männer nicht anzunehmen, weil sie sich durch ihr beständiges bisheriges Betragen längst als die größten Feinde der Republick ausgezeichnet hätten.
Schneider, durch die Maßregeln, durch den Ton der äussersten Strenge, die von Tag zu Tage sichtbarer und schreckender wurde, selbst noch gewaltsamer gewmacht, und gleichsam durch alles das Gelärme vom revolutionären Geiste verwirrt gemacht, schien gleichsam icht mehr um sich her sehen zu wollen, was Saint-Just und Lebas unter Monets Anleitung alles unternahmen, und welches alles von Tage zu Tage mehr seiner Reise sich zu nahen schien, je weniger es diejenigen bemerkten, für die eigentlich alle diese ihren Untergang beendzweckende Machinationen mit so vieler Anstrengung durchgefsetzt wurden.
Schneider mußte es bemerken, daß Saint-Just, den er ohnehin schon über alles haßte, weil er ihn für einen ausgemachten Intriguanten und Bösewicht hielt – auf seinen Untergang hinarbeitete, und daß Monet, verbunden mit Gattenau, alles das ihrige dazu beitrügen, Schneider, und mit noch andre, die ihnen einmal im Wege waren, auf die Seite zu schaffen. – Wie Schneider, aller damals so verdächtig scheinenden Umstände ohngeachtet, die Stelle bei der neuen Commission doch annehmen mochte?
[1] Argos St. 63. vom 11ten Juni 1793