Die lyrische Muse

Wohin, wohin reißt mich die strenge Wut?
Seht, auf der Ode kühnen Flügeln
Entweich ich, voller Glut,
Der blödern Musen Blick und diesen stillen Hügeln.

Ich fliehe nun der Sterblichen Revier;
Ich eil in unbeflogne Höhen.
Wie keichet hinter mir
Der Vogel Jupiters und kann mich nicht mehr sehen!

Ja, bis dahin, wo mein entzücktes Ohr
Der Sphären Harmonie entwirret,
O Muse! fleug mir vor,
Du, deren freyer Flug oft irrt, nie sich verirret.

Dir folg ich nach, auch wann du trunken glühst,
Und in den ungebahnten Haynen
Mit Libers Priestern ziehst,
Wo keine Muse ging und andre Sterne scheinen.

Wann du mich führst und mich Lyäus ruft,
Was soll den kühnen Dichter schrecken?
In welcher fernen Kluft
Wird meiner Leyer Scherz ein schlafend Echo wecken?

Denn nur von Lust erklingt mein Saitenspiel,
Und nicht von leichenvollem Sande
kriegrischem Gewühl
Und vom gekrönten Sieg im blutigen Gewande.

Die Zeit ist hin, da manchmal noch zum Dank
An eines klugen Helden Seiten
Die Muse Nektar trank,
Durch die er ewig lebt und glänzt durch alle Zeiten.

Mit Phosphor glänzt, der um den Morgenthau
Aus Thetis Armen sich entziehet
Und ans gestirnte Blau
Mit vollem Schimmer tritt und vom Olympus siehet.

Ein Sternenheer, das letzte Chor der Nacht,
Traurt um ihn her in mattem Lichte.
Die Welt indeß erwacht,
Und Nacht und Schatten fliehn vor seinem Angesichte.


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03