Briefe aus den Befreiungskriegen

Heinrich Dietrich von Grolman an seinen Sohn Karl Wilhelm von Grolman

XII.

vom 30.07.1808.

Berlin, 30 Juli 1808

Lieber Sohn! Der Kaptain von Schepeler hat mir Deinen Brief vom 17 Juli überreicht, er scheint mir auch ein exzentrischer Kopf zu sein, der sich in diese Welt nicht gut passt; er hat mir über unsre Lage, unsre Aussichten und Hoffnungen keine Auskunft geben können. Hier erfahren wir nichts, als was die Franzosen uns durch die Zeitungen wissen lassen wollen. Auf Gerüchte, die größten Teils in den Tabagien ausgebreitet werden, kann man sich nicht verlassen. In Spanien scheint es noch unruhig zu sein, aber wir haben darüber nichts, als Vermutungen. Dorten, wo Ihr doch nicht unter der unmittelbaren französischen Zuchtrute steht, werdet Ihr leichter etwas erfahren können. Von einem Kriege mit Österreich sprachen die Franzosen viel. Ich will gerne glauben, das Napoleon, wenn er mit Spanien fertig ist, die Österreicher angreifen werde, aber dass die Österreicher den Krieg anfangen sollen, glaube ich nicht. Das Lager ist allen Punktatioen ungeachtet, doch zu Stande gekommen, man konnte ja dies Mittel, dies Land zu ruinieren, nicht versäumen. Indessen ist doch aus dem Lager ein Regiment, aus ... ein Regiment, aus Westpreußen ein Regiment, einige Artillerie und zusammengetriebne Stückknechte nach Frankreich aufgebrochen. Das Schicksal Deiner hiesigen Bekannten wirst Du andernwärts, den Tod des Schmettau, Wilke aus den Zeitungen erfahren haben. Karoline Wilke hat von Schmettau etwa 1000x geerbt, das Vermögen steht aber in [...] und sie ist in Verlegenheit, weil die Legaterien auf ihre Bezahlung dringen. Wilke soll ein Vermögen von 10.000x nachgelassen haben, dieser Sch. hingegen lässt seine Frau und Kinder in Verwickelung, er hat bekanntermaßen mit Rappert Pinne gekauft, Einkünfte erhalten sie nicht, sondern müssen noch zuschießen u. ihre bedeutenden Zinsen bezahlen. Rappert hat schon vorher ein Gut in Südpreußen besessen mit Kompott gemeinschaftlich, dies hat er an K. ganz abgetreten, ist aber dabei so unvorsichtig gewesen, sich nicht gegen die Ansprüche, der auf das Gut eingetragenen Gläubiger zu decken. Deswegen hat er mit seinen wahren Gläubigern einen Scheinvertrag geschlossen, wodurch er ihnen sein ganzes Vermögen abtritt; schwerlich wird ihm dies etwas helfen, er wird aber immer gerettet werden, wenn nur erst die Heuschrecken das Land verlassen. Dein Schwiegervater ist seit ein paar Tagen am Durchfall krank gewesen, aber jetzt in der Besserung. Deine Tochter befindet sich wohl. Die Berliner überhaupt genommen hängen mit Leib und Seele an dem König, sie hassen die Franzosen, vermeiden ihren Umgang, selbst mit der Einquartierung, wenn es möglich ist. Nur bei den ganz Vornehmen muss man eine Ausnahme machen, Fürst Hatzfeld, Graf Hagen, Wülknitz etc, Zastrow verheiratet sogar eine Tochter an einen Franzosen. Sonsten bleibe ich bei dem, was ich Dir schon einmal geschrieben habe. Die Nation hat den König nicht verlassen, sondern der König hat die Nation verlassen. Wenn der König nicht nach der verlorenen Schlacht so davon gelaufen [wäre], hätte Berlin einen andern Gouverneur als den eldenden Sch.  gehabt, die Sachen wären nicht so weit gekommen, als sie gekommen sind. Aber die Nation ist an Gehorsam gewöhnt; sie tut nichts, als wenn sie von oben aufgefordert wird, und an einem Oberhaupt, das sich an die Spitze stellt, fehlt es.

Gr.


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