Das System der Rechtslehre

von Johann Gottfried Fichte.

Dritter Teil.

Erster Abschnitt

[Deduktion von Strafe und Strafrecht]

5) Wozu ist das Ganze? Den rechtswidrigen Willen zurückzuhalten und den ermangelnden rechtlichen Willen hervorzubringen. Was soll darum eigentlich wirken? Die Vorstellung der Strafe. Ohne Vorstellung davon soll also keine Strafe sein. Ist also die Strafe Zweck? Schlechthin nicht. Die Vorstellung davon soll nur den unrechtlichen Willen zurückhalten. Kann es aber zur Strafe kommen? Allerdings; um das Gesetz, das für jetzt nicht gegolten, für die Zukunft geltend zu machen. Überall ist also das Strafgesetz das Erste, die Strafe selbst ist nur um des Gesetzes willen. (Sie haben von Gott eben so geredet, er strafe nur um zu bessern). Die Strafe tritt nur mittelbar ein, sie ist ein Übel, und zeugt von der Ohnmacht des Gesetzes, sie stört Freiheit und Kräfte, die sich für den Wohlstand des Staates hätten vereinigen können. Sie ist nur um der Form des Gesetzes willen, damit die Vorstellung desselben wahr sei und bleibe. Sie, die Strafe, geht gar nicht notwendig, sondern nur zufällig ein in die Organisation des Staates.

Also die Deduktion der Strafe und eines Strafrechtes ergibt sich nur mittelbar. Unmittelbar ergibt sich das Strafgesetz. Dies ist die Bedingung der Rechtlichkeit überhaupt, und daraus, dass Jeder die Unmöglichkeit, seinen Zweck auf eine widerrechtliche Weise zu erreichen, einsieht, kann erst die Strafe selbst abgeleitet werden. Die Strafe ist nur um des Gesetzes willen. (Vgl. angewandtes Naturrecht II. S.98.).

Darin liegt eben der Fehler der gewöhnlichen Ansicht, dass sie die Strafe mittelbar deduzieren wollen. (Hierbei die Unrechtlichkeit, nicht es erzwingen zu wollen, um das Faktum zu rechtfertigen). Absolutes Strafrecht.

a) Jedes Handlung muss sich ansehen lassen als die durch Freiheit schlechthin gesetzte: (richtig:) also die Norm und das Muster gebend für das Handeln aller Freien. - Jeder, der auf eine bestimmte Weise handelt, müsste das zugeben. b) Er könnte darum nicht erweisen, dass es gegen die Vernunft sei, wenn er eben so behandelt würde. - Ganz richtig, der Beweis trifft: aber er erweist auch nicht mehr, als, dass der das Unrecht nicht erweisen könne, ist’s denn darum Recht? Wer hat das Recht, ihm sein Recht anzutun, wenn das sein Recht ist? Er nicht; wie denn aber ich? wie denn die Andern? Zwischen dem Nicht-Verbotensein und zwischen der positiven Berechtigung ist doch noch eine große Kluft. -

Weisung : jenes ist ein heuristisches Prinzip, und in dieser Rücksicht auch ein willkürliches. Wer heißt Euch denn das zu einer Konstitution machen? Hat er denn darum ein solches Gesetz aufgestellt? als allgemein gültig auch gegen Alle? Wenn Einer raubt, darum müssen nun Alle rauben? Das sagt Ihr auch nicht. - Aber es ist gegen ihn gültig? Gut, er könnte es nicht abwehren durch Vernunftgründe. Aber wer hat denn das positive Recht, das Gesetz gegen ihn zu gebrauchen?

Ist es denn bei uns anders? Wenn an seinen rechtswidrigen Willen derselbe, eigentlich rechtswidrige Erfolg geknüpft wird, wird er da nicht behandelt nach dem Gesetze, das er aufgestellt hätte, falls er gemeingültig zu handeln glaubte? Richtig, aber nicht darum, sondern weil dies das Mittel ist, seinen rechtswidrigen Willen zu vernichten. - Beides trifft zusammen. Auch dieses Zusammentreffen hat seinen guten Grund.

Falls darum hier Einigkeit ist, so ist der dort fehlende Grund: woher das positive Recht, durch das Mittelglied des Strafgesetzes, als durch die gegenseitige Garantie, beantwortet; es ist hier kein Sprung wie dort. Aus der Theologie: Gottes Gerechtigkeit ist die wesentliche und unabtrennliche Eigenschaft desselben. Nach diesem Begriffe ist Gott eine Natur, die Jeden behandelt eben nach dem Gesetze, das er aufstellt. Anthropomorphistischer Begriff von Gott, abgezogen von einem solchen Herrscher. Gerechtigkeit, etwas selbst beim Menschen so Untergeordnetes, Gott beizulegen!

2) Die Strafe ist Präcaution, dass er es nicht tue. Allerdings, woher aber das Recht dazu?

3) Sie dient zu seiner Besserung. Ich hoffe zur bürgerlichen (denn bis zur sittlichen, zur Liebe des Rechts, langt er nicht). Dazu war nun schon das Gesetz. Woher aber das Recht, ihn zu bessern?

4) Zum Beispiele für Andre. Ganz Recht; unter Andern auch. Aber woher das Recht, Jemanden für Andre zum Exempel zu machen? Ich bedanke mich für diese typische Würde. 


Letzte Änderung der Seite: 06. 03. 2021 - 00:03