Das System der Rechtslehre

von Johann Gottfried Fichte.

Zweiter Teil

Drittes Kapitel

Erster Abschnitt

Von dem Handel mit dem Ausland.

(Denn bis jetzt ist durchaus nur vom Handel zwischen Bürgern desselben Staates die Rede gewesen, und wir haben oben wegen der Ausmittelung eines bleibenden Wertes des Metallgeldes auf diesen Abschnitt vertröstet).

Allgemeine Grundsätze für seine Beurteilung.

1) Was man nicht braucht, ist umsonst zu teuer. Es darf keine Ware des Auslandes in Umlauf kommen, welche der Staat nicht auf dieser Stufe der Kultur bedarf, und haben soll, und welche nicht, ganz unabhängig davon, dass sie im Auslande ist, ohne dies in die Berechnung der notwendigen Gewerbe eingehen müsste. Alles muss sich naturgemäß entwickeln. Etwas brauchen wollen, weil man hört, Andre haben es, ist ein Gelüsten, der Vernunft zuwider; Prahlerei, Eitelkeit, kurz, nichts Achtbares.

2) Dieser Handel mit dem Auslande muss zurückgeführt werden, und Tauschhandel sein. Was sonst? Soll er ein Kaufen mit Geld sein, so würde der Eine Staat leer an Geld werden (im Durchschnitte ist das Metallgeld verteilt), es sei denn, der Staat habe Bergbau-Ertrag, der über den gewöhnlichen Durchschnitt hinausläuft, so ist das Hingeben des edlen Metalls für Ware in der Tat Tauschhandel, Produktenhandel.

3) Beiden Teilen muss nach unserm Maßstabe die Ware, die sie im Tausche erhalten, dadurch wohlfeiler werden, d.i. mit weniger Aufwand von Zeit in dem verkaufenden Staate erzeugt werden, als sie es in dem kaufenden könnte. Und dies muss der Fall von beiden Seiten sein. (Dies kann geschehen durch klimatische Vorteile, durch besondere Richtung einer Nation auf eine gewisse Kunstfertigkeit u. dergl.). Es versteht sich, den weiteren Transport noch abgerechnet. Auch abgerechnet einen andren Nachtheil (wovon sogleich), muss der Gedanke dieses Handels und die Sorge dafür sich begründen, und bezahlen.

Folgerung. Dieser geringere Aufwand an Arbeit ist der Nationalwohlstand der beiden handelnden Staaten. Diesen tauschen sie jetzt aus mit Gewinn für beide, zu beiderseitigem höheren Nationalwohlstand. Denn dieses ist der Handelsgewinn, Erhöhung des Weltwohlstandes durch den Handel der Staaten und Teilung des Nationalwohlstandes, der hervorgeht aus dieser Teilung nach demselben Gesetze, wie aus der Teilung der Arbeitszweige im Staate der Nationalwohlstand entstand. Unter dieser Bedingung ist also die Idee des Handels höchst bedeutend: und daher die Begeisterung für denselben. Man wirft mir mit Unrecht vor, ich sei ein Feind des Handels; Sie hören es ja, wie ich es bin.

4) Diese erforderlichen Berechnungen, ob es nötig sei, ein Produkt vom Auslande einzutauschen, und ob man es wohlfeiler dadurch haben kann, als wenn man es selbst verfertigt, kann nur der Staat machen, der das Ganze übersieht. Also der auswärtige Handel fällt ganz ihm anheim, so wie aller Handel. Dass er nicht des Gewinns bedarf, also die Preise zu stellen hat, wie sie seinen sonstigen Berechnungen gemäß sind, versteht sich.

5) Jedoch wird der handelnde Staat und seine Nation dadurch abhängig von einer Macht, die nicht in seiner Gewalt steht, in doppelter Hinsicht: teils in Erlangung der Ware, die er nimmt. Die Nation gewöhnt sich an dieselbe, der freie Staat hebt den Handel auf, und den Bürgern ist ihr Recht genommen. Teils im Absatze der Ware, die er dagegen gibt. Die Arbeit der Bürger ist auf den Absatz an das Ausland berechnet. Wenn nun der Handel aufhört, so wird diesen für das Ausland arbeitenden Bürgern ihre Nahrung entzogen.

Gegen das Erste müsste sich der Staat also schützen: er müsste jede Ware denn doch im Lande verfertigen lassen, die Cours hat; er müsste keinen in das System einschlagenden Arbeitszweig ganz eingehen lassen. a) Zur Ausmittelung des wahren Preises, den diese Ware haben würde, wenn man sie im Lande verfertigte. b) Damit, wenn der Fall eintritt, dass das Ausland dieselbe nicht mehr austauschen will, dieser Zweig nur stärker besetzt zu werden braucht. c) Die durch solche Stockung des Handels entstehenden teureren Preise können auf zwei Weisen vermieden werden. Entweder, dass der Staat, um den Preis des Auslandes verkaufend, sie teurer einkauft, als verkauft. (Ein Rest der alten Denkart würde sein, wenn man mir einwürfe, dass der Staat ja dabei verlöre. Ist denn unser Staat so ein armer, bedrängter, und stets auf dem halben Bankrott stehender? Ich denke, er wird es wohl an den Abgaben wieder einziehen, (was er verliert). Oder, was ich für besser halten würde (falls nur der Schleichhandel der Privatpersonen zu verhüten ist), er verkauft die Ware um den Preis, um den sie im Lande gewonnen werden würde. Da bedarf es auf den Fall des Stockens des auswärtigen Handels keine Veränderung des Preises. Da zieht er also den Handelsgewinn. Was soll er denn damit machen? Er wird ihn darum wohl an den Abgaben schwinden lassen, und so wird allerdings auf dieselbe Weise die Vermehrung des Nationalwohlstandes durch den Handel eingetreten sein.

Was das Zweite, die Stockung des Absatzes, betrifft, so muss er diese Arbeitszweige um so viel eingehen lassen, als sie für den Absatz an das Ausland arbeiteten. Fürs Erste sogar noch Etwas mehr, um den Überschuss, den die, die nun einmal nichts Andres arbeiten können, liefern, zu übertragen. Ich hoffe, die Waren halten sich; von dieser Natur sind sie allerdings, da sie im auswärtigen Handel eintreten. Sollte Etwas dabei verloren gehen, so muss der Gewinn des Handels auch dieses Wagnis übertragen. Dies war der oben (S.588. No.3.) angedeutete Nachtheil, der hier erledigt ist.


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