Das System der Rechtslehre

von Johann Gottfried Fichte.

Zweiter Teil

Drittes Kapitel

Erster Abschnitt

Rekapitulation.

[Wert der Arbeit und des Arbeitsproduktes; Nationalreichtum]

Wir stehen noch bei der Untersuchung über den ersten Hauptabschnitt der Rechtslehre, vom Eigentumsvertrag. Wir haben gefunden: Eigentum bedeute eigentlich Freiheit; Muße, durch Arbeit erworben. Diese durch die Arbeit sich ergebende Muße sei der Wert seiner Arbeit, und diese müsse der Staat einem Jeden zusichern. Wir suchten hierauf den absoluten Wert aller Arbeit zu bestimmen, und fanden: der Wert eines jeden Arbeitsproduktes sei = dem Lebensunterhalt auf so lange Zeit, als die Zeit der Arbeit, die auf dieses Produkt verwandt wurde, in diesem bestimmten Staate abgibt. Ich sage: in diesem bestimmten Staate; der Wert oder Preis ist darum bestimmt durch das Verhältnis des Staates, d.i. durch den National-Reichtum, und ist zu schätzen nach der Zeit der Ruhe, die durch Arbeit in diesem Staate gewonnen wird. Er kann verschieden sein in verschiedenen Staaten. Wir betrachten das Recht dermalen nur an Einem Staate, und alle Menschen, die wir in Betrachtung ziehen, als Bürger des Einen. Dies ist wohl zu merken. Alles Heraustreten aus der Einheit des Staates würde einen sichern Maßstab des Wertes vernichten; daher eben kommt es, dass diese Untersuchungen gewöhnlich so unsicher und schwankend sind. Beträgt z.B. in einem bestimmten Staate die Arbeit ¾ der Zeit; so geben in diesem Staate drei Stunden Arbeit vier Stunden des Lebensunterhaltes, und ein Arbeitsprodukt von drei Stunden ist wert den Lebensunterhalt von vieren.

Anmerkung. Was ist also der Wert des Arbeitsproduktes? Nur die Arbeit, das bedachte Menschenwerk an ihr, wird in Rechnung gebracht, welche, einen Grundmaßstab des Fleißes vorausgesetzt, nur gemessen werden kann durch die Zeit. Freilich muss dabei alle Arbeit in Rechnung gebracht werden. Z.B. beim Fabrikaten nicht bloß die Arbeit des Fabrikanten, sondern auch die, für die Stoffgewinnung angewandte, die ja der Fabrikant ersetzen muss; wo Lehrjahre und Lehrgeld sind, müssen auch diese ersetzt werden; sie sind zu verteilen über die nach einem Durchschnitte zu berechnende Arbeitszeit. So viel Menschenarbeit zu diesem Produkte nötig ist, (erster Faktor), so viel ist dasselbe darum in diesem Staate wert. Nur sie wird aber auch berechnet, nicht etwa die Naturbegünstigungen; die Lage des Staates u. dergl. Dies eben gibt den Überschuss, und wird für Alle auf dieselbe Weise in Anschlag gebracht. Dies gibt den Maßstab für den Staat, um darnach alle Verhältnisse des Landbauenden, des Bearbeiters des rohen Stoffes, und des Handels zu ordnen.

Die Formel der Preisbestimmung für die Bürger unter einander ist einfacher. Der gebührende Gewinn der Ruhe hängt zufolge der Einrichtung des Staates jedem Arbeitsprodukte auf dieselbe Weise an, und geht ungeschmälert von jedem Besitzer über auf den andern. Unsre Gesamtarbeit hat den gleichen absoluten Wert. Wir messen darum nach relativem Wert also: so lange du für mich arbeitest, so lange arbeite ich für dich. Drei Stunden meiner Arbeit sind wert drei Stunden der deinigen; in beiden ist erteilt Lebensmöglichkeit auf vier Stunden. Also Eine Stunde eines Jeden ist wert die Stunde aller Übrigen ohne Ausnahme. Alle arbeiten für Alle. Jeder soll sogleich für seine Arbeit den Wert derselben in jedweder andern Arbeit, deren er bedarf, bekommen können; denn nur so ist ihm sein Eigentum gesichert. Durch das Letztere besonders ist der Nachtheil aus der befohlenen Teilung der Arbeitszweige aufgehoben.

Welche Anstalt soll der Staat treffen, um diesen Tausch ohne Verringerung des Wertes zu verbürgen?

Im Voraus: der absolute Wert der Arbeitsprodukte in einem Staate macht sich selbst; denn er richtet sich nach dem Nationalreichtum, der sich selbst macht: (den der Staat befördern soll, aber nicht erzwingen kann). Der Staat kann ihn nur finden und aussprechen.


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