Das System der Rechtslehre

von Johann Gottfried Fichte.

Zweiter Teil

Drittes Kapitel

Erster Abschnitt

I. Direkter Beweis

I. Direkter Beweis. Recht ist die Entscheidung des Streites des freien Handelns Mehrerer. Ein solcher Streit ist in Beziehung auf den Boden denkbar, nur inwiefern Mehrere ihn bearbeiten wollen zu irgend einem ausschließenden Zwecke, und außerdem nicht. Darauf zu gehen z.B., sich darauf zu bewegen, ist kein ausschließender Zweck. Ausschließend wird der Zweck nur durch einen bestimmten Gebrauch des Bodens.

Das entgegengesetzte System stellt auf ein Recht, vom Boden auszuschließen, ohne ihn selbst zu gebrauchen. Das muss es behaupten. Woher soll nun ein solches Recht kommen? Doch wohl nur aus einem Vertrage mit Andern? Dies gesetzt: wozu soll es dienen? Um diejenigen, die ihn bearbeiten wollen, unter Bedingungen zu setzen, dass sie eben für uns mit oder für uns am Allervorzüglichsten, ihn bearbeiten müssen. Sind nun diese im Vertrage betrachtet worden als uns gleich? Die erträglichste Erklärung wäre noch, dass sie diesen Platz und dieses Verhältnis haben durch einen Vertrag, an den jene Übrigen nicht Teil genommen haben, in den sie auch immermehr eingewilligt haben würden; denn er stützt sich auf Ungleichheit. Aufgestelltermaßen haben sie also gar keine Verbindlichkeiten übernommen, indem sie den Andern welche auflegten. Die absolute Nullität eines solchen Vertrages leuchtet ein. - Jene sind allein die Verpflichtenden, diese allein die Verpflichteten. Woher kommen denn diese Begünstigungen und Vorrechte? (Dass sie Privilegierte, Begünstigte sein wollen, ist offenbar). Sie werden antworten: Wir sind eher da gewesen? Aber Ihr habt in der Tat Euch Nichts zugeeignet, denn nur die Arbeit vollendet die Zueignung. Also auf Macht stützt sich ihr Vorrecht. Sie können Jedermann vom Boden verjagen, der nicht in ihre Bedingungen eingehen will. (Auch dies vermögen sie wohl nur durch ihren Bund mit einander): Macht aber gibt kein Recht.

Dieses Letztere nun, ihre Macht, gibt eine rechtfertigende Ansicht darin, die wir nicht etwa um zu beschönigen, sondern um vollständig zu sein, anführen. Dadurch werden sie nun Beschützer dieses Grundes gegen auswärtige Gewalt. Dazu treibt sie ihr eignes Interesse. Dasselbe treibt sie, auf Ordnung und Gesetzmäßigkeit unter den ihnen Unterworfenen sowohl, als unter den sämtlichen Unterworfenen zu halten. Denn durch das Erste wird der Ertrag des Bodens geringer, und durch das Letztere werden die eigenen gegenseitigen Rechte der Begünstigten angetastet. Sie haben sich ja gegenseitig ihren Boden garantiert, und Keines Untertan kann den eines Andern Herrn antasten, ohne zugleich den Herrn anzutasten. Sie werden darum die Regenten, die Staatsgewalt. Sind sie nun dieses, so kommt ihnen zu allerdings 1) Grundeigentum, wie ich gleich zeigen werde, dass dieses dem Staate zukomme; 2) das Recht, für sich arbeiten zu lassen, und die Bearbeitung nur gegen die für die Staatsgewalt zu tragenden Lasten zuzugestehen. Also, in Rücksicht der Qualität des Verhältnisses käme Alles so ziemlich wieder auf das durch das Rechtsgesetz Geforderte zurück. In Rücksicht der Form aber: 1) Diese vorgegebene Staatsgewalt ist gar nicht von der Gemeinde errichtet worden, sondern sie hat sich selbst errichtet und konstituiert. 2) Nicht um des Rechts willen sondern um des Vorteils willen, unterordnen sie die Untertanen dem Gesetze, während sie denselben gegenüber gar keins haben: (unter sich haben sie das ihres ursprünglichen Vertrages oder vielmehr: sie stehen unter einander im Bündnisse; ein Bündnis der Begünstigten unter sich). 3) Da der Vorteil oben an steht, und der leitende Begriff ist, so wird das Recht eingeführt, nur inwieweit der Vorteil der Begünstigten es erheischt.

Anmerkung: 1) Es ist wahr, dass die Staaten des modernen Europa so entstanden sind, durch Eroberung. (Die dokumentierte Macht, Jeden vom Lande zu vertreiben). Glück war das Einigungsband ihres Anführers.

2) Es ist wahr, dass sie auch nicht füglich anders entstehen können: dass darum in einer solchen Notverfassung sich das Recht erst entwickeln muss.

3) Es ist aber auch wahr, dass uns dies Nichts angeht. Wir entwickeln den Begriff des Rechts, als ein Soll, ohne Frage nach dem empirischen: wie ist’s, oder wie kann es werden? In diesem liegt schlechthin nicht die Möglichkeit eines Grundeigentums für den Einzelnen, sondern allein die des Rechtes des ausschließenden Gebrauchs zum Anbau.

Der Staat allein hat das Recht des Grundeigentums. Zuvörderst als das Recht, ihn nach seinem Zwecke der Erhaltung Aller zum Anbau zu verleihen, die Einzelnen damit zu belehnen.

Sodann: ihn zu verteidigen gegen alle Auswärtigen, und diese auszuschließen von Vorteilen und vom Gebrauche. Dieses gehört aber noch nicht hierher, sondern in das Völkerrecht.


Letzte Änderung der Seite: 27. 09. 2021 - 03:09