Friedens- und Freundschaftstraktat zwischen Preußen und Sachsen

vom 18.05.1815.

Im Namen der allerheiligsten und untheilbaren Dreieinigkeit!

Seine Majestät der König von Preußen einer Seits, und Seine Majestät der König von Sachsen andrer Seits, beseelt von dem Verlangen, die Bande der Freudschaft und des guten Einverständnisses, welche zwischen Ihren beiderseitigen Staaten so glücklich bestanden haben, zu erneuern, und angelegentlich bemüht, zur Wiederherstellung der Ordnung und der Ruhe in Europa durch Vollziehung der auf dem Wiener Kongreß stipulirten Gebiets-Ausgleichungen, beizutragen, haben Bevollmächtigte ernannt, um einen Friedens- und Freundschafts-Vertrag zu verhandeln, abzuschließen und zu unterzeichnen, nämlich Se. Majestät der König von Preußen den Fürsten von Hardenberg, Ihren Staatskanzler, Ritter des schwarzen und rothen Adler-Ordens, des Preußischen St. Johanniter-Ordens und des Preußischen eisernen Kreuzes, Ritter der Russischen St. Andreas-, St. Alexander-Newski-Ordens und St. Annen-Ordens erster Klasse; Großkreuz des Hungarischen St. Stephan-Ordens, Groß-Adler der Ehren-Legion, Großkreuz des Spanischen St. Carls-Ordens, Ritter des Sardinschen Annunciaten-, des Schwedischen Seraphinen-, des Dänischen Elephanten-, des Würtembergischen goldenen Adler-Ordens, und mehrerer anderer Orden, und den Freiherrn Herrn Carl Wilhelm von Humboldt, Ihren Staatsminister, Kammerherrn, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei I .K. K. A. Majestät, Ritter des rothen Adler-Ordens, des Preußischen eisernen Kreuzes und des Russischen St. Annen-Ordens erster Klasse; 
und Se. Majestät der König von Sachsen, den Grafen Friedrich Albrecht von Schulenburg, Ihren Kammerherrn, Ritter des Ordens des heiligen Johannes von Jerusalem, und den Freiherrn Herrn Hans August Fürchtegott von Globig, Ihren Kammerherrn, Hof- und Justizrath und Geheimen Referendarius, welche nach Auswechselung Ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, über folgende Artikel übereingekommen sind:

Artikel I.
Frieden.

Zwischen Seiner Majestät dem Könige von Preußen einer Seits und Seiner Majestät dem Könige von Sachsen andrer Seits, Ihren Erben und Nachfolgern, Ihren beiderseitigen Staaten und Unterthanen, soll von dem heutigen Tage an für immer Friede und Freundschaft seyn.

Artikel 2.
Gebietsabtretungen.

Seine Majestät der König von Sachsen entsagen, auf ewige Zeiten, für Sich und alle Ihre Nachkommen und Nachfolger, zu Gunsten Seiner Majestät des Königs von Preußen, allen Ihren Rechten und Ansprüchen auf die hiernächst angegebenen Provinzen, Distrikte und Gebiete oder Gebietstheile des Königsreichs Sachsen, und Seine Majestät der König von Preußen werden diese Länder in aller Souverainität und mit allem Eigenthumsrecht besitzen und dieselben mit Ihrer Monarchie vereinigen. Die dergestalt abgetretenen Distrikte und Gebiete werden von dem übrigen Königreiche Sachsen durch eine Linie getrennt werden, welche fernerhin die Gränze zwischen den beiden Gebieten von Preußen und Sachsen bilden wird, so daß Alles, was innerhalb der durch diese Linie gebildeten Abgränzungen begriffen ist, an Seine Majestät den König von Sachsen zurückfällt, und daß dagegen des Königs von Sachsen Majestät auf alle Distrikte und Gebiete Verzicht leisten, welche außerhalb dieser Linie liegen, und Ihnen vor dem Kriege gehört haben möchten.
Diese Linie wird anheben von der Bömischen Gränze, bei Wiese in der Gegend von Seidenberg, indem sie daselbst dem Flußbette des Baches Wittich bis zu seinem Einflusse in die Neisse folgt. Von der Neisse wird sie sich an den Eigenschen Kreis wenden, indem sie zwischen Tauchritz, das an Preußen kommt, und Bertschoff, das Sachsen behält, durchgeht; sodann wird sie der nördlichen Gränze des Eigenschen Kreises folgen bis zu dem Winkel zwischen Paulsdorff und Ober-Sohland; von da wird sie weiter gehen bis zur Gränze, welche den Görlitzer Kreis von dem Bautzener Kreise trennt, so daß Ober-Mittel- und Nieder-Sohland, Ohlisch und Radewitz bei Sachsen verbleiben.
Diese große Poststraße zwischen Görlitz und Bautzen wird bis an die Gränze der beiden genannten Kreise, Preußisch seyn. Sodann wird die Linie der Gränze des Kreises folgen bis Dubrauke, hierauf sich über die Höhen zur Rechten des Löbauer Wassers ziehen, so daß dieser Bach mit seinen beiden Ufern und den daran gelegenen Ortschaften bis Neudorff, mit Einschluß dieses Dorfes selbst, bei Sachsen verbleiben.

Diese Linie wendet sich hierauf über die Spree und das Schwarzwasser; Liska, Hermsdorff, Ketten und Solchdorff werden Preußisch.

Von der schwarzen Elster bei Solchdorff wird man eine gerade Linie ziehen bis zur Gränze der Herrschaft Königsbrück bei Groß-Gräbchen. Diese Herrschaft verbleibt bei Sachsen, und die Linie folgt der nördlichen Gränze dieser Herrschaft bis zur Gränze des Amts Großenheyn, in der Gegend von Ortrand. Ortrand und die Straße von diesem Orte über Merzdorff, Stolzenheyn und Gröbeln nach Mühlberg mit allen Ortschaften, durch welche diese Straße geht, gelangen dergestalt an Preußen, daß kein Theil der genannten Straße außerhalb des Preußischen Gebiets bleibt. Von Gröbeln an wird die Gränze bis zur Elbe bei Fichtenberg gezogen werden, und der des Amtes Mühlberg folgen. Fichtenberg wird Preußisch. Von der Elbe bis zur Gränze des Stiftes Merseburg wird die Linie auf die Weise bestimmt werden, daß die Aemter Torgau, Eilenburg und Delitzsch, Preußisch werden, die Aemter Oschatz, Wurzen und Leipzig hingegen bei Sachsen verbleiben. Die Linie wird den Gränzen dieser Aemter folgen, indem sie jedoch einige Enclaven und halbe Enclaven abschneidet. Die Straße von Mühlberg nach Eilenburg wird ganz auf Preußischem Gebiete seyn. Von Podelwitz, welches zu dem Amte Leipzig gehört und bei Sachsen verbleibt, bis nach Eytra, welches diesem ebenfalls verbleibt, wird die Linie das Stift Merseburg dergestalt durchschneiden, daß Breitenfeld, Hänichen, Groß- und Klein-Dolzig, Mark-Ranstädt und Knaut-Nauendorf bei Sachsen verbleiben, Modelwitz, Skeuditz, Klein-Libenau, Alt-Ranstädt, Schköhlen, und Zietschen an Preußen fallen.
Von da an wird die Linie das Amt Pegau zwischen dem Floßgraben und der weißen Elster durchschneiden. Der ernstere wird von dem Punkte an, wo er sich unterhalb der Stadt Crossen, die zu dem Amte Heinsburg gehört, von der weißen Elster trennt, bis zu dem Punkte, wo er sich unterhalb der Stadt Merseburg mit der Saale vereinigt, in seinem ganzen Laufe zwischen diesen beiden Städten und mit seinen beiden Ufern zu dem Preußischen Gebiete gehören.
Von da, wo die Gränze an die Stiftes Zeitz stößt, wird sie dieser folgen bis zu der Altenburgschen Gränze bei Luckau. Die Gränzen des Neustädter Kreises, der ganz an Preußen übergeht, bleiben unverändert.

Die Voigtländischen Enclaven im Reußischen, nämlich Gefäll, Blintendorf, Sparenberg und Blankenburg, sind in dem Antheile Preußens mit begriffen.

Artikel 3.
Abgränzung.

Um alle Verletzungen des Privateigenthums zu vermeiden, und nach den liberalsten Grundsätzen die Besitzungen der auf den Gränzen wohnhaften Individuen sicher zu stellen, sollen sowohl von Seiten Seiner Majestät des Königs von Preußen, als auch von Seiten Seiner Majestät des Königs von Sachsen, Kommissarien ernannt werden, um gemeinschaftlich die Abgränzung der Länder vorzunehmen, welche durch die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages ihren Souverain verändern.
Sobald die Arbeit der Kommissarien beendigt, und von beiden Souverains genehmigt seyn wird, sollen Karten entworfen, und von den beiderseitigen Kommissarien unterzeichnet, imgleichen Gränzpfähle aufgerichtet werden, welche die gegenseitige Gränze bestimmt bezeichnen.

Artikel 4.
Titel.

Die Provinzen und Distrikte des Königreichs Sachsen, welche an Seine Majestät den König von Preußen übergehen, werden den Namen Herzogthum Sachsen erhalten, und seine Majestät werden zu Ihren Titeln die eines Herzogs von Sachsen, Landgrafen von Thüringen, Markgrafen der beiden Lausitzen und Grafen von Henneberg hinzufügen. Seine Königliche Majestät der König von Sachsen werden fortfahren, den Titel eines Markgrafen der Ober-Lausitz zu führen. Seine Königliche Majestät werden in Betreff und in Kraft Ihrer Rechte auf die eventuelle Erbfolge in die Besitzungen der Ernestinischen Linie ebenfalls fortfahren, die Titel eines Landgrafen von Thüringen und Grafen von Henneberg zu führen.

Artikel 5.
Zurückgabe der nicht abgetretenen Gebiete.

Seine Majestät der König von Preußen verpflichtet Sich, binnen funfzehn Tagen, vom Tage der Auswechselung der Ratificationen des gegenwärtigen Traktats an gerechnet, die Provinzen, Distrikte und Gebiete des Königreichs Sachsen, welche nicht zu Ihrer Monarchie übergehen, von Ihren Truppen zu räumen und die Verwaltung davon den Behörden Seiner Majestät des Königs von Sachsen übergehen zu lassen.

Artikel 6.
Auseinandersetzungen.

Man wird sich unmittelbar mit allen den Gegenständen beschäftigen, deren Auseinandersetzung eine nothwendige und unvermeidliche Folge der an Preußen geschehenen Abtretung der im 2ten Artikel bezeichneten Provinzen und Distrikte ist, als da sind; die Archive, die Schulden, Kassenbillets, oder andere Lasten, sowohl dieser Provinzen, als des Königsreichs überhaupt, die öffentlichen Kassen, die Rückstände, namentlich die der gewöhnlichen Abgaben und der Domanial-Einkünfte, welche während der Preußischen Verwaltung fällig waren, das Eigenthum der öffentlichen Anstalten, der frommen Stiftungen, die Civil- oder Militair-Institute, die Armee, die Artillerie, die Kriegesvorräthe, die Lehnsverhältnisse und andere Gegenstände dieser Art.

In Betreff der Lehnsverhältnisse entsagen Seine Majestät der König von Preußen und Seine Majestät der König von Sachsen, in Gemäßigkeit des Wunsches, jeden Gegenstand künftiger Ungewißheit oder Streitigkeit sorgfältig zu entfernen, Jeder von Seiner Seite und wechselweise Einer zu des Andern Gunsten jedem Rechte oder Anspruch dieser Art, welches Sie außerhalb der durch gegenwärtigen Vertrag bestimmten Gränzen ausüben könnten oder ausgeübt haben möchten.
Die Vollziehung des gegenwärtigen Artikels soll mit gemeinschaftlicher Uebereinstimmung, und durch Kommissarien, die von beiden Regierungen ernannt werden, geschehen.

Artikel 7.
Archive.

Die Sonderung der Archive wird folgendermaßen statt haben. Die Landesherrlichen und Erwerbungs-Urkunden und Papiere, welche sich ausschließlich auf die Provinzen, Gebiete und Ortschaften beziehen, die von Seiner Majestät dem Könige von Sachsen an Seine Königlich-Preußische Majestät ungetheilt abgetreten werden, sollen in Zeit von drei Monaten nach dem Tage der Auswechselung der Ratificationen, den Preußischen Kommissarien überliefert werden.

Die Uebergabe der Plane und Karten der Festungen, Städte und Landschaften soll auf dieselbe Weise und in derselben Zeitfrist erfolgen. Wo eine Provinz oder Gebiet nicht ungetheilt an Preußen übergeht, sollen die das Ganze derselben betreffenden Urkunden im Original entweder den Preußischen Kommissarien übergeben werden, oder Sachsen verbleiben, je nachdem der größere oder kleinere Theil der genannten Provinz oder Gebiets abgetreten worden. Derjenige der beiden Theile, welchem die Originale zufallen oder verbleiben, verpflichtet sich, dem andern Theile beglaubigte Abschriften davon zu liefern. Was die Acten und Papiere betrift, welche, ohne sich in einem der hier angeführten Fälle zu befinden, für beide Regierungen von gemeinschaftlichem Interesse sind, so wird die Sächsische Regierung deren Originale zwar behalten, aber sie verpflichtet sich, der Preußischen Regierung davon gleicherweise beglaubigte Abschriften auszuliefern. Die Preußischen Kommissarien werden in Stand gesetzt werden, zu beurtheilen, welche von diesen letztern Acten, Urkunden und Papieren für ihre Regierung von Interesse seyn könnten.

Artikel 8.
Armee.

In Betreff der Armee ist zum Grundsatz angenommen, daß die Gemeinen, Unteroffiziere und alle andere Militair-Personen, welche nicht Offiziers-Rang haben, der einen oder der andern der beiden Regierungen, der Preußischen oder Sächsischen, folgen sollen, je nach dem der Ort, wo sie geboren sind, der einen oder der andern gehören wird. Die Offiziere von allen Graden, so wie die Wundärzte und Feldprediger, werden die Freiheit haben, zu wählen, welchem von beiden Diensten sie ferner angehören wollen, und dieselbe Freiheit wird sich auch auf diejenigen Gemeinen und andere Militair-Personen, die nicht Offiziers-Rang haben, erstrecken, welche weder im Königreich Sachsen, noch in der Preußischen Monarchie geboren sind.

Artikel 9.
Schulden.

Die Schulden, welche auf die Provinzen, die ungetheilt derselben Regierung anheimfallen, oder verbleiben, absonderlich hypothecirt sind, fallen ganz derjenigen Regierung anheim, welche diese Provinzen besitzen wird. Für diejenigen Schulden, welche auf die Provinzen angewiesen sind, von denen ein Theil Seiner Majestät dem Könige von Sachsen verbleiben, so wie für diejenigen, welche das Königreich überhaupt betreffen, setzen Seine Majestät der König von Preußen und Seine Majestät der König von Sachsen folgenden Grundsatz fest.

Man wird diejenigen Schulden, zu deren Bezahlung, es sey in Ansehung des Kapitals oder in Ansehung der Zinsen, bestimmte Einkünfte besonders angewiesen sind, also die fundirten Schulden von denjenigen unterscheiden, wo dieß nicht statt findet. Die erstern werden diesen Einkünften folgen, so daß dasselbe Verhältniß, in welchem diese an die eine oder die andere Regierung fallen, auch der Maaßstab der Vertheilung der darauf fundirten Schulden unter die beiden Regierungen seyn wird. Was diejenigen Schulden betrift, zu deren Bezahlung keine bestimmten Einkünfte angewiesen sind, und die daher unfundirt sind, so muß die Veranlassung, durch welche sie entstanden, auch die Fonds darthun, auf welche sie hatten angewiesen werden sollen, d. h. die Zweige der Einkünfte, welche zur Bezahlung der Zinsen und zur Abtragung der Kapitalien hätten verwandt werden müssen. Preußen und Sachsen werden hiezu nach dem Verhältniß beitragen, in welchem sie diese Einkünfte beziehen werden. Wenn gegen alle Erwartungen Fälle eintreten sollten, wo es unmöglich wäre, genau den besondern Fonds anzugeben, auf den eine Schuld angewiesen werden müßte, so wird man annehmen, daß die Gesammtheit des Einkommens der Provinz, der Anstalt, der Stiftung oder der Kasse, zu deren Besten die Schuld gemacht worden, damit belastet ist, und die Schuld wird den beiden Regierungen in dem Verhältniß zur Last fallen, in welchem jede derselben Antheil an diesen Einkünften hat. Die Pfänder, welche man mittelst der Rückzahlung des Kapitals, für welches sie zum Pfand gedient hatten, einlösen wird, werden der Provinz, der Anstalt, der Stiftung oder der Person zurückfallen, welcher das Eigenthum dieser Pfänder gehört. Diejenigen, welche das Eigenthum einer zwischen beiden Mächten getheilten Provinz sind, werden in dem Verhältniß getheilt werden, in welchem die beiden Theile dieser Provinz zur Abtragung des Kapitals werden beigetragen haben.

Die hier oben in Betreff der Schulden festgesetzten Grundsätze werden gleicherweise auf die ausstehenden Forderungen (Activa) angewandt werden.

Artikel 10.
Central-Steuer-Commission.

Da Se. Majestät der König von Preußen und Se. Majestät der König von Sachsen die Nothwendigkeit anerkennen, daß die von der Central-Steuer-Kommission, für die Bedürfnisse und den Dienst des Königreiches Sachsen eingegangenen Verpflichtungen genau gehalten werden; so sind Sie übereingekommen, daß selbige gegenseitig garantirt und von beiden Regierungen erfüllt werden sollen. Dem gemäß wird ohne Aufschub von beiden Seiten eine gleiche Anzahl von Kommissarien ernannt werden, um diese Schulden zu liquidiren, die Vertheilung derselben nach dem, für die nicht fundirten Staatsschulden, zufolge des 9ten Artikels, angenommenen Grundsatze vorzunehmen, und die Zeitfristen und Bedingungen ihrer Abtragung festzusetzen. Jede der beiden Regierungen verpflichtet sich, die Zahlungsmittel zu überweisen; sie behalten sich jedoch gegenseitig vor, diese Zahlungen, entweder der die Rückstände der Steuer und die außerordentlichen Holzschläge, auf welche sie angewiesen waren, oder durch andere Maaßregeln, die gleiche Sicherheit darbieten, zu bewerkstelligen, dergestalt, daß in Betreff der Zahlungsfristen die Verbindlichkeiten erfüllt werden, für welche die Steuer und der Holzschlag angeordnet worden sind. In soweit jedoch der Ertrag der Steuer und des Holzschlages nicht hinreichen sollte, diese Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen, so ist man übereingekommen, daß aus demjenigen, was aus dem Preußischen Antheil einzuziehen ist, zunächst die, von der Preußischen Banke und Seehandlung übernommenen Zahlungen berichtiget werden; sollten zu deren Tilgung noch Zahlungen aus dem Sächsischen Antheil erforderlich seyn, und der Betrag der Steuer und des Holzschlages aus dem Sächsischen Antheil wider alles Erwarten nicht hinreichen, um die Preußische Bank und Seehandlung in dem eintretenden Zahlungstermine zu befriedigen, so wird von Preußischer Seite eine Zahlungsfrist bis zur Leipziger Michaelis-Messe d. J. zugestanden. Was die übrigen aus dem Betrage der Steuer und des Holzschlages zu berichtigende Zahlungen betrifft, so behalten Sich Se. Majestät der König von Preußen und Se. Majestät der König von Sachsen vor, auf den Fall, daß dieser Ertrag unzureichend seyn sollte, mittelst Uebereinkunft mit den Gläubigern, oder auf andere Art über verlängerte Termine und leichtere Zahlungsbedingungen Sich auszugleichen.

Artikel 11.
Cassen-Billets.

Se. Majestät der König von Preußen erkennen ausdrücklich, das unter dem Namen Kassen-Billet bekannte Papier, als zu denjenigen Landesschulden gehörig an, die nach den, durch den 9ten Artikel festgesetzten Grundsätzen vertheilt werden sollen. Se. Majestät der König von Preußen versprechen demnach, den Ihnen davon zufallenden Theil zu übernehmen, und verpflichten Sich eben so, wie Se. Majestät der König von Sachsen, in der Absicht das Beste Ihrer beiderseitigen Unterthanen, so viel nur immer möglich, wahrzunehmen, unter gemeinschaftlichem Einverständniß die dienlichsten Maaßregeln zu ergreifen, den Kredit dieses Papiers in beiden Gebieten aufrecht zu erhalten. Zu diesem Ende sind die beiden Regierungen übereingekommen, eine gemeinschaftliche Verwaltung der Kassen-Billets anzuordnen, die wenigstens bis zum 1sten Sptember d. J. fortgesetzt werden wird, und der man nach gemeinsamer Uebereinkunft die nöthigen Fonds liefern wird, um den Kredit dieser Billets aufrecht zu erhalten; so wie auch in der Zwischenzeit, in Ansehung der Annahme der Kassen-Billets bei Abgaben und sonstigen Zahlungen in die beiderseitigen Königl. Staats Kassen keine Abänderung in den deshalb bisher bestandenen Vorschriften, weder in dem an Preußen abgetretenen Theil des Königsreichs Sachsen, noch in demjenigen Theile, welcher Sr. Majestät dem Könige von Sachsen verbleibt, ohne vorgängiges, wechselseitiges Einverständniß unternommen werden soll.

Artikel 12.
Kottbusser Kreis.

Da Se. Maj. der König von Sachsen Reklamationen machen, sowohl in Hinsicht der abgelaufenen Einkünfte des Kottbusser Kreises, als auch in Hinsicht der diesem Kreis gemachten Vorschüsse, so soll die, durch den 14ten Artikel angeordnete Kommission sich mit der Verhandlung dieses Gegenstandes besonders beschäftigen, und dieselben Grundsätze darauf anwenden, welche für ähnliche Gegenstände im gegenwärtigen Vertrag angenommen sind.

Artikel 13.
Verhältnisse und Unterthanen.

Se. Majestät der König von Preußen versprechen, alles, was das Eigenthum und das Interesse der beiderseitigen Unterthanen betrifft, nach den liberalsten Grundsätzen bestimmen zu lassen. Der gegenwärtige Artikel ist besonders anwendbar auf die Verhältnisse der Individuen, welche Besitzungen unter beiden Regierungen, der Preußischen und Sächsischen, behalten, auf den Handel von Leipzig, und alle andere Gegenstände derselben Art, und damit die individuelle Freiheit der Einwohner, sowohl der abgetretenen Provinzen, als auch der übrigen, nicht gehindert sey, so soll ihnen frei stehen, von einem Gebiet in das andere auszuwandern, vorbehältlich der Verpflichtung zum Kriegsdienst und unter Beobachtung der gesetztlichen Förmlichkeiten, sie sollen gleicherweise ihr Vermögen herausziehen dürfen, ohne irgend einem Abzugsgelde unterworfen zu seyn.

Artikel 14.
Kommission.

Se. Majestät der König von Preußen und Se. Majestät der König von Sachsen werden unverzüglich, Kommissarien ernennen, um auf eine genaue und ausführliche Weise, die in den 6. 13.16. - 20. Artikeln erwähnten Gegenstände in Ordnung zu bringen. Diese Kommission wird sich in Dresden versammeln, und ihre Arbeit soll spätestens in Zeit von drei Monaten, von dem Tage der Auswechslung der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages an gerechnet, geendigt seyn.

Artikel 15.
Vermittlung Öesterreichs.

Da Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich Ihre Vermittlung für alle, zwischen dem Preußischen und dem Sächsischen Hofe, in Folge der durch den 2ten Artikel, festgesetzten Gebietsabtretungen nöthig gewordenen Auseinandersetzungen angeboten haben, so nehmen Se. Majestät der König von Preußen und Se. Majestät der König von Sachsen diese Vermittlung, sowohl im Allgemeinen, als auch besonders für die Auseinandersetzungen an, mit welchen die in dem 3ten und 14ten Artikel erwähnten Kommissionen beauftragt seyn werden. Se. Kaiserlich-Königliche Apostolische Majestät verbinden Sich demnach, ohne Aufschub einen Kommissarius zu ernennen und mit Ihren Vollmachten zu versehen, um zu den Arbeiten der genannten Kommissionen mitzuwirken.

Artikel 16.
Gemeinde-Besitzungen.

Die Gemeinden, Korporationen, frommen Stiftungen und Unterrichts-Anstalten, welche in den, von Sr. Majestät dem Könige von Sachsen an Preußen abgetretenen Provinzen und Distrikten, oder in den Sr. Kön. Sächs. Maj. verbliebenen Provinzen u. Distrikten bestehen, sollen, welche Veränderung auch ihre Bestimmung erleiden möge, sowohl ihre Besitzungen, als auch die Einkünfte, die ihnen nach der Stiftungsurkunde zukommen, oder seitdem von ihnen rechtsgültig erworben worden sind, unter beiden Regierungen, sowohl der Preußischen als Sächsischen, behalten, ohne daß die Verwaltung und die Erhebung der Einkünfte von einer derselben erschwert werden dürfen; jedoch müssen sie in jedem Falle sich den Gesetzen unterwerfen, und diejenigen Lasten tragen, denen in dem Gebiete, worin sie sich befinden, alle Besitzungen und Einkünfte gleicher Art unterworfen sind.

Artikel 17.
Schiff-Fahrt.

Die allgemeinen Grundsätze, welche der Wiener Kongreß für die freie Schifffahrt auf den Flüssen angenommen hat, werden auch der, in Gemäßheit des 14. Artikels angeordneten Kommission zur Richtschnur dienen, um darnach ohne Verzug alles festzusetzen, was sich auf die Schifffahrt bezieht, und jene Grundsätze sind vorzüglich auf die Elbe, und in Absicht der Flößens, sowohl des verbundenen als losen Holzes, auch auf die Gewässer anzuwenden, welche die Namen Elsterwerdaer Floßgraben, schwarze und weiße Elster führen, so wie auf den Floßgraben, der aus der letzten abgeleitet ist.

Artikel 18.
Domainen-Pächter.

Se. Majestät der König von Preußen verpflichten Sich, die Kontrakte zu erfüllen, welche die Sächsische Regierung mit den Pächtern der Domainen oder der Domainen-Einkünfte in den zufolge des 2. Artikels abgetretenen Provinzen und Distrikten, abgeschlossen hat und deren Zeit noch nicht abgelaufen ist.

Artikel 19.
Salz.

Se. Majestät der König von Preußen versprechen der Sächsischen Regierung jährlich liefern zu lassen und diese verpflichtet sich anzunehmen Hundert und Funfzig Tausens Centner Salz (der Centner zu Hundert und Zehn Pfund Berliner Handelsgewicht) für einen Preis, welcher, ohne den gegenwärtigen Verkaufspreis für die Sächsischen Unterthanen zu erhöhen, Sr. Majestät der Könige von Sachsen den Genuß einer Salzsteuer sicher stellt, die soviel als möglich derjenigen nahe kommt, welche Seine Majestät unmittelbar vor dem letzten Kriege von jedem verkauften Centner Salz erhoben.
Die Commission, welche in Gemäßheit des 14. Artikels angeordnet werden soll, wird nach diesen Grundsätzen sowohl den Preis des Centner Salzes, als auch die Anzahl von Jahren bestimmen, während welcher er nicht verändert werden kann, und nach deren Verlauf gemeinschaftlich eine neue Bestimmung sowohl der Quantität des Salzes, als auch des Preises gemacht werden soll.
Die Quantität des Salzes von jährlich 150,000 Centner, soll auf das Verlangen der Sächsischen Regierung (welches Verlangen aber, wenn der Ueberschuß 50.000 Centner und darunter beträgt, sechs Monate verher, wenn er diese Quantität übersteigt, ein Jahr vorher angezeigt werden muß) bis zu 250,000 Centner gesteigert werden können, welche die Preußische Regierung sich anheischig macht, unter denselben Bedingungen, wie das oben genannte Minimum zu liefern. Es versteht sich, daß nach Ablauf der verabredeten Zeit dieses Minimum von 150,000 Centner in keinem Fall durch den Willen eines der beiden Theile vermindert werden kann, und daß der für die Bestimmung des Preises in gegenwärtigem Artikel angenommene Grundsatz auch für die neue Preisbestimmung zum Grunde liegen wird. Das Salz, welches die Sächsische Regierung, zufolge des gegenwärtigen Artikels, erhalten wird, soll aus den Salzwerken von Dürrenberg und Kösen geliefert werden, und im Fall diese beiden Salzwerke keine so große Quantität hervorbrächten, aus denjenigen Preußischen Salzwerken, welche die nächsten an der Gränze von Sachsen sind. Das Salz, welches die Preußische Regierung zufolge dieses Artikels an Sachsen liefern wird, soll mit keinen Ausgangszöllen belegt werden, und auf seinen Transport von den Salzwerken bis zur Gränze keine andere Abgabe zahlen, als die Wege-, Brücken-, Kanal- und Schleusengelder, welche die Preußischen Unterthanen, wenn sie sich derselben Wege und Transportmittel bedienen, ebenfalls zu bezahlen hätten.

Artikel 20.
Ausfuhr von Getreide, Holz etc.

Die am Schlusse des vorhergehenden Artikels in Betreff des Salzes ausgesprochene Befreiung von Ausfuhrzöllen soll unter den nämlichen Modificationen von Seiten der beiden Regierungen, der Preußischen und Sächsischen, auf die Aus- und Einfuhr respective von einem Gebiet zum andern, des Getreides, der Brenn-Materialien, aller Art, des Bauholzes, Kalkes, Schiefers, der Mühlsteine, Ziegeln und überhaupt der Steine aller Art ausgedehnt werden, diese Gegenstände mögen von den beiderseitigen Unterthanen oder von den Regierungen selbst erworben seyn. Seine Majestät der König von Preußen und Seine Majestät der König von Sachsen verpflichten Sich zugleich gegenseitig, die Ausfuhr der obenerwähnten Gegenstände niemals zu verbieten, noch zu erschweren.

Artikel 21.
Amnestie.

Weder in den Provinzen, welche Sr. Majestät dem Könige von Sachsen verbleiben, noch in denjenigen, welche durch den gegenwärtigen Vertrag an Se. Majestät den König von Preußen abgetreten sind, darf irgend ein daselbst wohnhaftes Individuum an seiner Person, an seinem Vermögen, Renten, Pensionen und Einkünften aller Art, an seinem Rang und seinen Würden gekränkt, noch verfolgt oder auf irgend eine Art in Untersuchung gezogen werden, wegen irgend eines Antheils, den dasselbe politisch oder militairisch an den Ereignissen genommen haben möchte, welche seit dem Anfange des durch den zu Paris am 30. Mai 1814 geschlossenen Frieden beendigten Krieges statt gehabt haben. Dieser Artikel erstreckt sich zugleich auf diejenigen, welche, ohne in dem einen oder dem andern Theile von Sachsen wohnhaft zu seyn, daselbst Grundeigenthum, Renten, Pensionen, oder Einkünfte, von welcher Art sie seyn mögen, besitzen.

Artikel 22.
Entsagung auf das Herzogthum Warschau.

Seine Majestät der König von Sachsen entsagen auf ewige Zeiten, sowohl für Sich, Ihre Erben und Nachfolger, als für die Prinzen Ihres Hauses Ihre Erben und Nachfolger jedem Landesherrlichen und andern Anspruch, der vom Besitz des Herzogthums Warschau herrühren könnte. Seine Majestät erkennen die Souverainetäts-Rechte über dieses Land an, wie dieselben durch den Vertrag von Wien vom 21. April/3. Mai d. J. stipulirt worden, für die Provinzen, welche unter dem Zepter Seiner Majestät des Kaisers von Rußland mit dem Titel eines Königs von Pohlen übergehen; für die Landestheile, welche auf dem rechten Weichsel-Ufer an Seine Majestät des Kaiser von Oestreich zurückkehren, so wie für die Provinzen, welche Se. Maj. der König von Preußen unter dem Titel eines Groß-Herzogthums Posen besitzen wird.

Artikel 23.
Archive des Herzogthums.

Se. Majestät der König von Sachsen verpflichten Sich, die Archive, Karten, Plane und sonst irgend dem Herzogthum Warschau angehörigen Urkunden, getreulich zurück zu geben. Diese Zurückgabe soll innerhalb einer Frist, die von dem Tage der Auswechselung der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrages, nicht über sechs Monate hinausgehen dürfen, statt finden.

Artikel 24.
Schulden des Herzogthums.

Se. Majestät der König von Sachsen sind aller Verantwortlichkeit und aller Verpflichtung, in Betreff aller für das Herzogthum Warschau unter Mitwirkung des Finanz-Ministers oder anderer Staatsbeamten dieses Landes gemachten Schulden entbunden, namentlich aller Verbindlichkeit in Betreff der Bajonner Konvention, welche annullirt ist, und des auf die Salzwerke von Wieliezka eröffneten Anlehns.
Was die 2,550,193 Gulden betrift, welche als aus den Sächsischen Kassen in die Kassen des Herzogthums Warschau geflossen, reclamirt werden, so soll, da in dem von Preußen, Oestreich und Rußland am 21. April/3. Mai unterzeichneten Vertrag festgesetzt worden, daß unverzüglich zu Warschau eine Liquidations-Kommission, bestehend aus Russischen, Oestreichischen und Preußischen Kommissarien, niedergesetzt werden soll, und da die drei Höfe diese Kommission mit den nöthigen Vollmachten versehen haben, um über die äußere und innere Schuldenlast, und selbst über die unter Ihnen wechselseitigen Ansprüche und Verpflichtungen zu erkennen, demnach obige Reclamation derselben Weise folgen; sie soll der genannten Kommission übertragen werden, und Sr. Majestät dem Könige von Sachsen frei stehen, Ihrer Seits dabei einen Kommissarius zu accreditiren, der ihren Berathschlagungen beiwohnen wird.

Artikel 25.
Schluß.

Gegenwärtiger Vertrag soll ratificirt und die Ratification innerhalb der Zeit von drei Tagen, oder wenn es geschehen kann, noch früher ausgewechselt werden.

Zu Urkunde dessen haben die resp. Bevollmächtigten denselben unterzeichnet und mit ihren Wappen besiegelt.

Geschehen, Wien den 18ten Mai 1815.

Unterzeichnet: 

(L.S.) Der Fürst von Hardenberg.
(L.S.) Der Freiherr von Humboldt
(L.S.) Der Graf v.d. Schulenburg
(L.S.) von Golbig.

Quelle:
Privatarchiv EPOCHE NAPOLEON


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