Kirchenkampf am Niederrhein 1794 - 1801

Nachdem die französischen Revolutionstruppen im Oktober 1794 den Rhein überschritten, begann auch für das bisherige Erzbistum Köln eine neue Zeit. Das bisherige Domkapitel floh bereits im Laufe des Septembers auf die rechte Rheinseite und siedelte sich in der Abtei Wedinghausen bei Arnsberg ein. Kurfürst Maximilian Franz - ein Bruder des deutschen Kaisers - verließ am 02.10.1794 seine Residenzstadt Bonn in Richtung Mergentheim. Am folgenden Tag, schon auf der Reise ernannte er den Dechanten des Kölner St. Andreas-Stifts Johann Werner Marx zum Vikariatsverwalter für den linksrheinischen Teil des Kölner Erzstifts. Er löste damit den ebenfalls geflohenen Generalvikar Phillip von Horn-Goldschmidt ab. Jedoch galt Marxs Vollmacht nur mit der ausdrücklichen Einschränkung, »falls Rekurs an den Generalvikar erschwert oder unmöglich gemacht werde«. Horn-Goldschmidt kehrte jedoch Mitte 1795 nach Köln zurück und führte die Geschäfte bis zu seinem Tode im Herbst 1796 selbst weiter und Marx übernahm dann die Geschäftsführung in geistlichen Angelegenheiten des Erzbistums.

Den Kampf gegen die Kirchen und das Christentum brachten die Revolutionsarmeen mit an den Niederrhein. So wollten sie mit der Einführung des Revolutionskalenders den christlichen Sonntag aus dem Leben der Menschen verdrängen. In Aachen das am 23.09.1794 besetzt wurde, dienten auf Anweisung der Munizipalverwaltung alle Kirchen als Pferdeställe. Auf diese Weise sollten die Häuser der Bürger verschont bleiben. Auch wurde die Anweisung getroffen, alle Kruzifixe, Madonnenbilder und andere Gegenstände, die die Verbundenheit mit dem christlichen Glauben zeigten, wurden verboten und entfernt. Alle Kirchen mussten ihre Kreuze herabnehmen. Das einzige Madonnenbildchen, das die französische Willkür überlebte war das Madonnenbild am Marschiertor.

Jedoch beschloß der Konvent am 30.05.1795 die Wiedereröffnung der Kirchen und kassierte gleichzeitig die 1791 erlassene Zivilverfassung des Konvents. Das sich das Volk jedoch diese Willkürmaßnahme nicht immer gefallen ließ, zeigt ein Vorfall im Kölner Dom im Juli 1795 über den der Augustinermönch Anno Schnorrenberg ausführlich berichtet:

Zu Anfang dieses Monats wurden im Dom 10stündige Gebete abgehalten, damit Gott uns Waffenstillstand verleihen möge. Der große Dom war fast den ganzen Tag gedrängt voll von Menschen. Ein französischer Soldat trat ein und ging bedeckten Hauptes umher. Unser Bürgermeister Reiner Klespe ersuchte ihn höflich, den Helm abzunehmen, um Erregung von Gläubigen zu vermeiden, die kniefällig den eucharistischen Christus anbeteten. Der freche Mensch antwortete: »Mein Helm ist mehr wert, als das, was im Tabernakel ausgesetzt ist«. Sofort schlug ihn ein daneben stehendes Fräulein ins Gesicht, das er tüchtig aus der Nase und dem Mund blutete. Er versuchte blank zu ziehen, aber kräftige Männer hielten ihm die Hände auf den Rücken fest. Man nahm ihm den Säbel ab, riss ihn an den Haaren zu Boden, er bekam Faustschläge ins Gesicht und eine große Tracht Prügel, alles lief zusammen, die Leute vielen haufenweise hin, wobei verschiedene Kostbarkeiten verloren gingen. Der Schuldige wurde aus der Kirche geworfen und von französischen Kommandanten in das Gefängnis von St. Gereon geführt.

Im großen und ganzen ließen sich die Pfarrer nicht von der antikatholischen Politik der Franzosen abschrecken. Von den Kölner Stadtpfarrern blieben bis auf eine einzige Ausnahme alle auf ihren Posten. Doch kehrte dieser - Pfarrer Peter Anth aus der Gemeinde St. Maria im Kapitol auf seinen Platz zurück. Er floh, weil er zuvor viele emigrierte französische Pfarrer aufgenommen und unterstützt hatte.

Zunächst schien die Situation der Geistlichen nicht zu schlimm zu werden. So verfügte die französische Besatzung zunächst, das alle Übergriffe von Soldaten der Revolutionsarmee durch deren Befehlshaber geahndet werden. Anlässlich des Fronleichnamsfeste 1795 ordneten die französischen Behörden für Köln an, das kein Offizier oder Soldat an dem heiligen Sakrament mit Kopfbedeckung oder ohne Kniebeuge vorübergehen dürfe. Das trug selbstverständlich zur Erbauung der Kölner bei. 

Im September 1796 unterstützte die Staatsgewalt einen Bittgang anlässlich einer Viehseuche der Bauern zur Augustinerkirche in Köln, wo sie ein Bild des Hl. Nikolaus von Tolentino besuchten. Im Juni 1797 nach dem Ende der Kampfhandlungen lies die französische Regierung an noch besetzten Teilen Deutschlands und Italiens eine Totenmesse für die Gefallenen halten. Zur gleichen Zeit beteiligten sich die französische Verwaltung auch an der Mülheimer Gottestracht, die mit der gewohnten Feierlichkeit begangen wurde. Selbst die übliche Durchführung des Gottesdienstes unter freien Himmel fand statt: Der Chronist Schnorrenberg berichtet darüber wie folgt:

So wurde das Sakrament durch den Ortspfarrer getragen, die Fransen des Pluviale hielten der französische Ortskommandant und der Hofkammerrat Bertold. Zu bestimmter Zeit schossen die Franzosen mit Mörsern, das hochwürdige Sakrament wurde von französischen Soldaten mit gezogenen Säbel begleitet und beim Hochamt umgaben französische Soldaten mit gezogenen Säbel den Altar mit einer ihnen auferlegten Religiosität, die man bei einem so irreligiösen Volke nicht vermuten kann...

Die gleiche Gefälligkeit erwiesen die Franzosen bei den öffentlichen Bittgängen der Kölner Pfarreien an den Kirchweihtagen, als der Stadtkommandant von den Pfarrern ersucht wurde.

Der Chronist versäumt es an anderer Stelle nicht, darauf hinzuweisen das sowohl der Mülheimer Magistrat als auch die Kölner Pfarreien große Geldgeschenke machten.

Im Jahre 1797 änderte sich jedoch die Kirchenpolitik entscheidend. So begannen die neuen Herrn am linken Niederrhein damit, Kunstwerke und Wertgegenstände aus  Klöstern und Kirchen nach Paris zu bringen. Gleichzeitig wurden den Ordens- und Weltgeistlichen derart hohe Kriegssteuern auferlegt, das an manchen Orten der komplette Kirchenschatz - bis auf die für den Gottesdienst unbedingt notwendigen Stücke - verkauft werden musste um so die drückenden Kontributionen begleichen zu können.

Auch verlangte Paris den so genannten Bürgereid vom rheinischen Adel, der die Souveränität des Volkes anerkannte und womit sich die Geistlichkeit unter die staatliche Gesetzgebung stellte. Da sich der päpstliche Stuhl nicht zu diesem Bürgereid äußerte und auch später nicht forderte, das dieser Widerruf von denen forderte, die ihn geleistet hatten, erließ das Kölner Ordinariat am 20.06.1797 seine Zustimmung zu diesem Eid. Widerstand in der Geistlichkeit regte sich erst als der Eid erweitert wurde und Hass gegenüber dem Königtum usw. forderte. So verbot der Bischof von Lüttich unter der Androhung schärfster Konsequenzen den Eid zu leisten.

Nach der Leistung des Eides setzte die französische Administration im Rheinland ihren Kampf gegen die Kirche fort, indem man gottesdienstliche Handlungen und Einrichtungen der Kirche angriff. Den Auftakt bildete ein Erlass der Kölner Munzipalverwaltung im Dezember 1797, der den Buchdruckern aufs schärfste untersagte, "Bekanntmachungen und sonstige Schriften zu drucken, worauf die Genehmhaltung einer geistlichen oder sonstigen durch die Gesetze nicht anerkannten Obrigkeit Erwähnung geschieht"; auch das Anheften solcher Zettel und Schriften wurde aufs strengste verboten. Vor Weihnachten untersagte der Kölner Polizeipräsident die Christmette. Ein weiterer Schritt war das Verbot der Zentralverwaltung des Roer-Departements vom 02.04.1798 alle kirchlichen Zeremonien außerhalb der Kirchen zu verbieten und alle Zeichen von Religionsverehrung an den Häusern entfernt werden. Am 27.05.1798 erließ der Gouvermentskommissar Rudler für das Gebiet der vier rheinischen Departements ein grundsätzliches Prozessionsverbot.

Am 07.06.1798 erließ die Munzipalverwaltung in Köln folgende Ausführungsbestimmungen:

  1. Alle Prozessionen, Wallfahrten und öffentlichen Kirchgänge sind hiermit verboten.
  2. Das Verbot erstreckt sich ebenfalls auf alle feierlichen Begräbnisse mit Begleitung des so genannten Chores, Vortragen des Kreuzes und sonstigen äußerlichen Religionszeichen.
  3. Die Begräbnisse können hinfort nur in Begleitung der Familie, Freunde und des Pfarrers in einer gewöhnlichen schwarzen Kleidung statthaben.
  4. In dieses Verbot ist ferner mit einbegriffen alles öffentliche Krankenbesuchen, mit vortragen des so genannten Himmels, Begleitung mit Fackeln etc. Nur in der Stille und ohne Begleitung darf der Geistliche hinführ seine Besuche machen.
  5. Allen Pfarrern, Geistlichen, Religionsdienern etc. nebst dem von ihnen abhangenden Personale wird unter Androhung der festgesetzten Strafe befohlen, sich jeden Kirchengewandes, unter welchem Namen es auch immerhin bestehen mag, ferner aller geistlichen Zeremonien, alles öffentlichen Singens und Betens außerhalb ihrer Kirche zu enthalten.

In Bonn wurden zwei Landpfarrer eingesperrt weil sie gegen diese Anordnung verstoßen hatten und ihre üblichen Bittgänge durch die Felder gehalten hatten. In Dormagen verzichtete man auf die Durchführung der Fronleichnamsprozessionen nachdem man erfahren hatte, das in Bergheim zur Strafe 25 Dragoner einquartiert wurden. Da jedoch nicht alle Gemeinden das Prozessionsverbot befolgten, forderte Kommissar Rudler die Munzipalverwaltungen auf, dieses Verbot mit allen Mitteln durchzusetzen. Jedoch konnte man die Prozessionen nicht verhindern. In vielen Fällen umging man die Verbote indem man die Prozessionen in den Kirchen abhielt oder ohne Pfarrer über die Felder zog und dieser die Gemeinde bei der Rückkehr in die Kirche empfing und das Te Deum anstimmte und so den sakralen Segen gab. Bereits 2 Jahre später fanden die Prozessionen wieder in aller Öffentlichkeit statt.

Gleichzeitig begann auch der Kampf gegen die Klöster im Rheinland. So verkündete man unter Trommelschlag im Juli 1798 eine Proklamation des Pariser Direktoriums, die es den Ordensangehörigen beiderlei Geschlechts erlaubte, ihre Klöster zu verlassen und wieder in den weltlichen Stand zurückzukehren.  Des weiteren sollte jeder eine Unterstützung in Höhe von 400 Gulden für den Lebensunterhalt erhalten, bis in Paris eine endgültige Entscheidung getroffen würde. Durch immer höhere Einquartierungen und Kontributionen wurden die Klöster parallel finanziell ruiniert. Französische Kommissare besuchten die Klöster immer wieder und machten Werbung für den Erlass des Direktoriums. Jedoch blieb der Versuch zum freiwilligen Verlasen des Klosters ohne großen Erfolg.

Doch der Kirchenkampf der neuen Landesherren ging weiter. In August wurde Frauen und Mädchen in Köln verboten Bilder Jesu als Schmuck am Halse zu tragen. Zu einem halben Jahr Zuchthaus wurden der Sohn des Buchhändlers Haase und ein Pfarrer mit seinem Küster verurteilt, weil sie ein Buch über die Litanei Jesu horteten und der Munizipalverwaltung einige Formulierungen widerstrebten. In Bon wurde ein Kanonikus verurteilt, weil er die vorgeschriebene republikanische Kokarde nicht an seiner Kopfbedeckung trug. Der Kölner Domherr Gabriel Franzen wurde zum Beispiel in Haft gesetzt, weil er den Domchordirigenten entlassen hatte.

Vor Ostern 1799 wurde den Kölner Stadtpfarrern verboten die nach althergebrachter Sitte die Namen und Zahl der Pfarreingesessenen zu verzeichnen. Um die Gläubigen zu zwingen das kirchliche Abstinenzgebot zu verletzen wurden in Aachen und Köln an den Abstinenztagen der Fischmarkt verboten. Auch stieß die französische Ehegesetzgebung auf Ablehnung im Rheinland, insbesondere der bisher unbekannten Ehescheidung. Die französische Verwaltung nutzte jede Gelegenheit die Kirche und Religion zu unterdrücken. So wurden auf Fassnachtsbällen die Gabe von Sakramenten nachgeäfft.

Jedoch konnten all die Maßnahmen mit denen die französische Munizipalverwaltung versuchte die Religion und die Kirche vom Volk zu trennen im Rheinland ohne Erfolg. Im Jahre 1801, zur Zeit des Konkordates zwischen Napoleon und dem Heiligen Stuhl war die Situation der rheinischen Kirche zwar nicht besonders gut, aber durch die Verbindung zwischen Priestern und Bevölkerung hatte sie jedoch einen starken Stand in der Bevölkerung.


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