Die Wissenschaftslehre, in ihrem allgemeinen Umrisse

von Johann Gottlieb Fichte

Vorrede.

Ich habe diese Abhandlung, mit welcher ich meine in diesem Halbjahre gehaltene Vorlesungen beschloss, zunächst für meine Zuhörer abdrucken lassen, um denselben die Uebersicht des Ganzen bei der Wiederholung zu erleichtern. Sollte dieselbe noch in Anderer Hände fallen, und etwa unter anderen auch in die Hände solcher, die über Philosophie mitzusprechen sich berechtigt halten: so könnte diesen bei einiger Erwägung hier ein Licht aufgehen, welch einen verkehrten Begriff sie sich bisher von der Wissenschaftslehre gemacht, und durch welche ungeheuere Irrthümer sie selbst dem philosophirenden Verstande auf den rechten Weg haben helfen wollen. Das werden sie freilich nicht einsehen, dass man, um zu philosophiren, sich zu dem wirklich freien und schöpferischen Denken erheben müsse; keinesweges befangen bleiben dürfe in der Anschauung irgend eines durch das Ohngefähr in uns gebildeten Denkens; welches Letztere allein sie bisher vermocht, und dadurch alle ihre Ungereimtheiten zu Stande gebracht haben. Und so werden sie denn, was allein man ihnen anmuthen könnte, niemals aufhören, sich in eine Sphäre zu drängen, zu denen sich ihnen ihr Vermögen versagt.

Berlin, im März, 1810.


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